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Keiner für alle

In nahezu allen Dimensionen hat der neue Honda Civic zugelegt und kratzt damit an der Grenze zur nächsthöheren Klasse. Erster Test.

mid/mk

Die Schlagzahl bei Honda ist hoch: Zehn Generationen in 45 Jahren, das bedeutet im Durchschnitt alle fünf Jahre einen Modellwechsel, was Kunden vor allem in den asiatischen und amerikanischen Märkten goutieren.

Doch auch bei uns verschrecken die schnellen Wechsel den Käufer nicht, gut ein Viertel der in Europa abgesetzten Hondas gehörten zur Civic-Baureihe, der Zuwachs 2016 war allerdings dem HR-V zu verdanken. Ab März 2017 sollen der neue Schrägheck-Civic und später der beinahe hübscher auftretende Viertürer dazu beitragen.

Die veränderten Proportionen bescheren dem Civic mehr Statur. In der Höhe hat er zwei Zentimeter verloren, die Breite dagegen hat um drei Zentimeter gewonnen. Radstand und Länge haben um fast zehn Zentimeter auf 2,70 Meter und um 16 Zentimeter auf 4,52 Meter zugenommen. Das bringt mehr Platz für die Passagiere im Fond und ein ordentliches Kofferraumvolumen. 478 Liter passen ins Gepäckabteil. Und wer die Rücksitze umklappt, steigert das Fassungsvermögen des Laderaums auf bis zu 1.267 Liter, je nach Ausstattungs-Version und Stellung der Sitze.

Formal bewegt sich der neue Civic auf einem schmalen Grat. Aggressives Design prägt die Front, vor allem aber das Heck wirkt arg zerklüftet. Und bei Honda liegt die Zukunft vorne, der Blick zurück wird nicht gepflegt, und so versperrt ein quer über die Heckscheibe verlaufender Spoiler die Sicht nach hinten. Wer sich auf dem nun 3,5 Zentimeter niedriger positionierten Fahrersitz hinter dem Lenkrad eingefädelt hat, muss sich sortieren. Oder vielmehr die variantenreichen Informationen, die das elektronische Cockpit vermittelt. Quasi analog wird die Drehzahl dargestellt, die Geschwindigkeit stets digital.

Immer schon will Honda fahraktive Autos anbieten, dies sei beim neuen Civic eines der vordringlichsten Ziele gewesen, sagt Ko Yamamoto vom europäischen Entwicklungsteam im deutschen Offenbach. Lenkung und Fahrwerk beweisen den Erfolg der Mühen, der Civic lässt sich mit beeindruckender Präzision um die Kurven fahren, kaum eine Korrektur ist notwendig, wenn der gewünschte Kurs erst einmal eingeschlagen ist.

Die feinfühlige Federung bringt die gewünschte Ruhe ins Fahrverhalten, eine neue Hinterachse mit Mehrlenkeraufhängung trägt ebenso wie die optimierte Gewichtsverteilung von 69 zu 31 Prozent zwischen Vorder- und Hinterrädern spürbar dazu bei. Die Bremsen begeistern ebenso mit gutem Ansprechverhalten und feiner Dosierbarkeit, das Wachstum der Karosserie hat nicht zum Verlust von Agilität geführt, das Gegenteil ist dank einer Gewichtseinsparung von 16 Kilogramm der Fall.

Zwei Benzinmotoren finden sich im Programm: Die Dreizylinder-Turbomaschine mit einem Liter Hubraum leistet 95 kW/129 PS und liefert 200 Nm Drehmoment von 1.500 bis 5.000 Umdrehungen in der Minute. Das ergibt eine gute Durchzugskraft, aber kein angenehmes Arbeitsgeräusch.

Der Motor nörgelt und brummt wie Yogi-Bär nach dem Winterschlaf, Vibrationen sind im außerdem nicht fremd. Dafür macht er den Civic bis zu 203 km/h schnell und treibt ihn in 10,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der Normverbrauch liegt bei 4,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer in Verbindung mit dem serienmäßigen, manuell geschalteten Sechsganggetriebe, der Preis beträgt ab 20.990 Euro (Deutschland: 19.990 Euro).

Wer sich unter Zuzahlung von 1.300 Euro für das stufenlose Automatikgetriebe CVT entscheidet, kommt nach Norm mit nur 4,7 Liter 100 Kilometer weit. Beim Standardsprint bringt der Automat einen Zeitvorteil von 0,1 Sekunden, obwohl das Drehmoment seinetwegen um 20 Nm zurückgenommen wird. Das Spitzentempo sinkt unterdessen auf 200 km/h.

Der zweite Benziner arbeitet mit vier Zylindern und holt ebenfalls turboaufgeladen aus 1,5 Liter Hubraum 134 kW/182 PS und 240 Nm maximales Drehmoment. 5,8 Liter Treibstoff verbraucht er nach Norm auf 100 Kilometer, anders als beim Dreizylinder führt die Automatik hier zu einem Mehrverbrauch von 0,3 Liter, die Höchstgeschwindigkeit sinkt von 220 km/h auf 200 km/h, die Beschleunigung bleibt mit 8,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h identisch. Auch hier wird das Spitzendrehmoment beim CVT-Einsatz um 20 Nm auf 220 Nm abgesenkt.

Die Laufruhe ist hier wesentlich ausgeprägter als beim dreitöpfigen Motor, die Elastizität ebenfalls. Drehfreudig und mit sportlichem Klang verleiht er dem Civic jene vielbeschworene Agilität, die der Honda-Kompaktklasse schon in der Vergangenheit eine Alleinstellung verliehen hat.

In der Preisliste steht der Vierzylinder für wenigstens 28.990 Euro (D: 27.960 Euro) als Ausstattungsniveau Sport, bei dem der Motor per Startknopf angelassen wird und für deren Plus-Version eine adaptive Dämpferregelung zum Standard gehört.

Die Preise lesen sich zunächst als durchaus anspruchsvoll. Aber: Der Civic tritt schon als Basismodell mit einer umfangreichen Ausstattung an. Nicht nur die Komfortansprüche werden grundsätzlich mit elektrischen Fensterhebern, einer cleveren, sich quer zur Fahrrichtung spannenden Gepäckraumabdeckung oder einer Mittelarmlehne bedient, auch die Sicherheits-Assistenten gehören dazu. So zählen etwa Spurüberwachung, Notbremsfunktion, Fernlicht-Assistent und Abstandsregel-Tempomat zur Grundausstattung.

Der Civic wird polarisieren, was einer Marke wie Honda durchaus gut zu Gesicht steht. Er ist kein Allerweltsauto, obwohl er erstmals seit der dritten Generation wieder in allen Märkten mit einheitlicher Gestalt verkauft wird. Die Limousine wird im September antreten, dann startet auch die schärfste Civic-Version, der Type-R.

Einen Kombi wird es künftig nicht mehr geben, die jetzige Version wird noch bis zum Spätsommer 2017 angeboten. Auch ein Diesel ist in Vorbereitung, auf den müssen sich Freunde des Selbstzünders allerdings noch bis Jänner 2018 gedulden.

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