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Formel 1: Analyse

Wie wäre es mit Außerirdischen?

Der Unfall von Fernando Alonso und das Schweigen von McLaren brachten wildeste Theorien zur Unfallursache hervor - ein Faktencheck.

Michael Hintermayer

Der Unfall von Fernando Alonso bei den Wintertests in Barcelona warf viele Fragen auf, die bis zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt sind. Alonso kam am Sonntag eingangs Kurve drei auf dem Circuit de Catalunya von der Ideallinie ab und geriet links auf den Kunstrasen. Sein Auto verlor Traktion, wurde auf die Bahn zurückgetragen, wo die Traktion plötzlich zurückkehrte.

Daraufhin prallte er in die Mauer. Alonso war beim Einschlag angeblich Kräften von mehr als dem 30-fachen der Erdanziehungskraft ausgesetzt. Der Aufprall passierte zuerst mit dem rechten Vorderrad, dann mit dem rechten Hinterrad, der Wagen rutschte danach 15 Sekunden an der Mauer entlang. Parallel wirkten erneut Kräfte von 15g auf Alonso ein – so weit so gut.

Doch was dann folgte, ist mit den Anschlägen auf das World Trade Center zu vergleichen. Zunächst schwieg McLaren stundenlang, beschwerte sich aber kurioserweise dann über Gerüchte, die teilweise ins abenteuerliche sprießten, um schließlich von einem "normalen Testunfall" zu sprechen, ohne genauere Umstände zu nennen. Natürlich rotteten sich daraufhin mehr oder weniger begabte Techniker zusammen und erstellten mehr oder weniger spektakuläre Thesen zur Unfallursache auf. Verschwörungstheoretiker werden nirgendwo sonst so schnell auf den Plan gerufen wie in der Motorsport-Königsklasse, in der tarnen und täuschen zum Alltag gehört.

Erstens: Giftige Dämpfe der Batterie könnten zur Bewusstlosigkeit geführt haben. Zweitens: Ein Defekt am Hybridsystem des McLaren-Honda könnte einen Stromschlag ausgelöst haben, der zur Bewusstlosigkeit führt. Drittens: Ein Bruch der Lenksäule.

Zur giftig dampfenden Batterie: Die Batterie befindet sich im Heck des Wagens, der Fahrer sitzt davor und hat den Kopf im Freien. Ein Ding der Unmöglichkeit, zumindest im Fahrbetrieb.

Stromschlag: Geht leider auch nicht, da Alonso in keinem geschlossenen Stromkreis war. Er müsste schon den Fuß auf den Boden setzen, um einen Schlag zu bekommen. Auch ein Formel-1-Wagen ist ein Faradayscher Käfig, der die Spannung über die Räder in den Boden leitet. Auch Heribert Werginz, seines Zeichens KFZ- und Rennwagenspezialist schloss auf Nachfrage von motorline.cc ein Gebrechen am Hybridsystem aus: „Einen Defekt am Hybridsystem kann ich mir nur schwer vorstellen, da dieses im Milliampere-Bereich überwacht wird und bei der kleinsten Unregelmäßigkeit abschaltet. Zweitens braucht man für einen Stromschlag einen geschlossenen Kreislauf, der war nicht vorhanden. Wenn das Pluskabel an der Lenksäule anliegen würde, das Minuskabel am Sitz, dann vielleicht. Aber McLaren will denke ich keinen Fahrer loswerden.“

Sollte Alonso wirklich einen Stromschlag bekommen, würden 400 bis 600 Volt durch seinen Körper fließen. Dann würde er aber Tags darauf kein „Selfie“ mit erhobenen Daumen machen können, er wäre dann in akuter Lebensgefahr und hätte lebenslange körperliche Konsequenzen zu fürchten. Zudem ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Straßen-PKW mit Hybridsystem Strom an seinen Insassen weitergeleitet hätte.

Falls jetzt die Frage aufkommt (was auch schon passiert ist), was geschieht, wenn Alonso sich in die Hose gemacht hätte: Nichts. Auch Pipi schließt den Stromkreis nicht, zumindest nicht in medizinisch erklärbaren Mengen.

Zudem würde der Wagen unverzüglich von der FIA konfisziert und untersucht werden, da ein Hybridsystem, das Stromschläge austeilt einen Supergau für die Hersteller darstellen würde.

Der Bruch der Lenksäule ist die wahrscheinlichste Theorie, doch Experten zufolge war es eher ein Bruch der Antriebswelle oder der Aufhängung. Dann biegt das Auto ohne Vorwarnung ab, der Fahrer ist nur noch Passagier. Dies könnte auch Sebastian Vettels Aussage kräftigen, der hinter Alonso fuhr und meinte der Unfall habe komisch ausgesehen.

McLaren-Aussage wenig glaubhaft

„Unseren Daten zufolge war eine Windböe die Ursache dafür, warum Alonso von der Ideallinie geraten war. Wir wollen kategorisch festhalten, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass ein mechanisches Problem am Wagen vorlag. Es gab auch keinen plötzlichen Verlust von Abtrieb, ferner gab es auch kein ungewöhnliches Verhalten der Energierückgewinnung, weder vor, noch nach dem Crash", stellte McLaren klar.

Doch wieso merkte der um einiges schneller hinterherfahrende Sebastian Vettel nichts von dieser Windböe? Außerdem ist es wenig glaubhaft, dass ein Formel-1-Wagen bei nur 150 km/h von einer Windböe in die Streckenbegrenzung gedrückt wird. Da wären schon öfters die Autos, beziehungsweise die Fetzen geflogen.

Fotograf dementiert McLarens Statement

Jordi Vidal, ein Fotograf der vor Ort war meldete sich einen Tag nach dem Crash zu Wort und wollte „seine Sicht der Dinge schildern", ohne aber „für Kontroversen" sorgen zu wollen. Er meinte via Twitter, dass es in den ersten zwei Kurven windig war, allerdings nicht in Kurve 3, zu dem Zeitpunkt, als der Unfall passierte. Er sei dort eine Zeitlang geblieben.

Er widerspricht auch dem McLaren-Statement, Alonso sei mit den äußeren Rädern auf den Kunstrasen gekommen, und liefert ein Foto, das dies beweisen soll: „Er berührte den Kunstrasen überhaupt nicht, das Auto sah auch nicht beschädigt aus. Alles, was man sehen konnte, ist, dass es langsam fuhr. Auf einem meiner Fotos liegt Alonso direkt vor Vettel und berührt bereits die Mauer, aber Vettel war viel schneller." Der Anprall sei aus seiner Sicht "nicht heftig" gewesen. Bei der Analyse seiner Fotos erkannte der Fotograf, dass „weder die erste noch die zweite Verzögerung von Alonso ausgelöst wurde".

Die Sache bleibt also weiter mysteriös. Die Wahrheit, am besten so schnell wie möglich, hätte vieles verhindert. Und so bleibt die Frage, warum es diesen Mangel in der heutigen Zeit überhaupt gibt. Fakt ist unter dem Strich: Ein normaler Testunfall sieht definitiv anders aus.

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