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F1 Tests Barcelona

Der "Nasenkanal" - die Grundidee stammt aus dem Jahr 1979

Ferrari sorgt mit einer unkonventionellen Nase für Aufsehen - der Ansaugkanal erinnert an den Lotus 80 von Colin Chapman, der ohne Flügel auskommen sollte.

von Michael Noir Trawniczek
Fotos: Lotus 80 mit freundlicher Genehmigung von schlegelmilch.com, Photo 4

Am ersten Tag der Formel 1-Testfahrten auf dem spanischen Circuit de Catalunya waren einige Neuerungen an den Boliden zu sehen - vor dem Europaauftakt der F1-WM (am 27. April ebenfalls auf der Strecke nahe Barcelona) haben die Teams ihre Geschosse quasi nachgeschliffen, um die entscheidenden Zehntel- und Hundertstelsekunden zu finden, die gerade im Mittelfeld über einen möglichen Punktesegen entscheiden - und an der Spitze ist die Luft ohnehin dünn. Mit den "eingefrorenen" und engmaschigen Motorenregeln, den Einheitsreifen und der neuen Standardelektronik ist es vor allem die Aerodynamik, die heutzutage einen Sprung nach vorne erlaubt...

Am auffälligsten ist die unkonventionelle Aerodynamik-Lösung an der Front des Ferrari F2008. Durch ein "verstecktes", nicht sichtbares Loch unter der Nase wird die unter dem Wagen anströmende Luft angesaugt und mittels eines Auslasskanals auf Höhe der Vorderradaufhängung nach oben geleitet. Dadurch sollen die Abtriebswerte des Boliden entschieden verbessert werden, indem für eine bessere Anströmung des Heckflügels gesorgt wird. Durch den Kanal in der Nase wird die mit hohem Druck anströmende Unterluft so umgeleitet, dass diese über den Wagen hinweg den Heckspoiler anströmt. Der Auslasskanal ist zudem in zwei verschieden große Auslasskanäle aufgeteilt - diese Lösung könnte eventuell dafür sorgen, dass sich die von unten angesaugte Luft besser in den bereits vorhandenen Luftstrom integriert.

Erinnerung an den Lotus 80

Völlig neu erscheint dieser Ansatz jedoch nicht - die Lösung der Italiener erinnert stark an den Lotus 80, den sagenumwitterten Nachfolger der erfolgreichen "Parade-Wingcars" Lotus 78 und 79 - deren Grundkonzept ist dem legendären Lotus-Boss Colin Chapman in der Badewanne eingefallen. Laut eigenen Angaben hat der 1982 verstorbene Brite seine Idee auf ein Blatt Papier gekritzelt, damit sie seine Techniker umsetzen können. Diese "Flügelautos" sollten im Endeffekt ganz ohne Flügel auskommen - denn die Autos selbst waren als Flügel konzipiert. Genauer gesagt waren die Unterböden als umgekehrte Flügelprofile ausgelegt - sie nützten den Venturi-Effekt: An der jüngsten Stelle zwischen Unterboden und Fahrbahnoberfläche entstand ein Ansaugeffekt, weshalb die Autos mit seitlich auf dem Boden schleifenden Schürzen abgedichtet wurden.

Der Lotus 80 sollte gänzlich ohne Flügel auskommen. An der Schnauze wies der Wagen ein ähnliches Ansaugprinzip auf, wie es nun Ferrari zum Einsatz bringt. Allerdings waren damals noch die seitlichen Schürzen erlaubt - weshalb der Wagen in seiner Urfassung auch unterhalb der Schnauze kleine Abdichtschürzen aufgewiesen hat. Die Lösung an der Schnauze des Lotus 80 sollte für direkten Abtrieb sorgen und die Schnauze auf den Boden drücken. Ein Effekt, der in einer weitaus geringeren Form auch beim F2008 zum Tragen kommt. Womit der Nasenkanal zugleich für eine saubere Anströmung des Heckflügels und auch für mehr Abtrieb an der Front sorgt.

Schon wieder undicht?

Das "Nasenloch" des F2008 kam für die Formel 1-Fans übrigens nicht überraschend - die Lösung geisterte bereits seit Wochen durch den Medienwald. Die unkonventionelle Nase soll eine von 20 Lösungen sein, die man im Ferrari-Windkanal ausprobiert hat - dass kurz danach in einer italienischen Fachzeitschrift bereits Zeichnungen der neuen Nase aufgetaucht sind, deutet für einige Experten auf eine undichte Stelle bei der Scuderia hin. Cheftechniker Aldo Costa erklärt entsetzt: "Davon haben nur ganz wenige Ingenieure gewusst." Ferrari soll bereits interne Untersuchungen eingeleitet haben - im Vorjahr löste der frühere Ferrari-Ingenieur Nigel Stepney die berühmte "Spionageaffäre" aus. Er hat geheime Daten an den damaligen McLaren-Techniker Mike Coughlan weitergeleitet, bestreitet aber, dass es sich dabei um ein 780 Seiten dickes Dossier gehandelt habe. Ob es im Hause Ferrari neuerlich eine undichte Stelle gibt oder ob "nur" einer der Ingenieure allzu redselig gegenüber einem Reporter gewesen ist, wird sich noch herausstellen.

Satter Vorsprung

Für Aufregung sorgte auch der große Vorsprung, den Felipe Massa am ersten Testtag mit dem "Nasenloch"-Ferrari herausfahren konnte: 2,7 Sekunden lag der Brasilianer vor dem Zweiten, Alex Wurz im Honda - satte 3,2 Sekunden lag der Drittschnellste, Pedro de la Rosa im McLaren-Mercedes zurück.

Doch dabei ist zu bedenken: Kurz vor dem Ende der Testsession konnte sich Massa mit den rillenlosen Slicks entscheidend steigern und seine Fabelrund in den Asphalt brennen - danach jedoch begann es zu tröpfeln, sodass die Konkurrenz diese Steigerung nicht mitgehen konnte. Davor lag Alex Wurz mit den Slicks in Führung. Die rillenlosen Pneus sollen um zirka 3,5 Sekunden schneller als die aktuellen Rillenreifen sein. Einige der Boliden rückten zudem auch mit einer für 2009 vorgeschriebenen Aerodynamik aus, wie es auch bei Pedro de la Rosa der Fall war, der mit gestutztem und auf wenige Abtrieb ausgelegtem Setup unterwegs war.

Dennoch dürfte sich der Nasenkanal am F2008 bewährt haben - sollte dies auch an den folgenden Testtagen der Fall sein, wird das "Nasenloch" beim Spanien-Grand Prix zum Einsatz kommen.

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