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Dakar-Rallye 2017

Trotz „Lehrgeld“: Ilka Minor im „Dakar-Fieber“

Bei ihrem Dakar-Debüt musste Ilka Minor „Lehrgeld“ zahlen - für die perfektionistische WRC-Copilotin ein ungewohnter Prozess. Doch nach strapaziösen und erfüllten zwölf Tagen landeten Martin Prokop und Ilka als bestes privat eingesetztes Team auf Platz elf. Die „Königin der Marathonrallyes“ hat es der „Neo-Wüstenfüchsin“ angetan - sofort würde sie wieder antreten…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: minor.at

Die berühmteste Marathonrallye dieses Planeten, die Rallye Dakar, hat ihre eigenen Gesetze – man kann sich auf diesen zwölftägigen Trip durch südamerikanisches Offroad- und Wüstengelände in Theorie und Praxis auf höchst professionellem Level vorbereiten, nichts davon ersetzt die pure Erfahrung, an diesem Klassiker teilzunehmen.

Das musste Dakar-Rookie Ilka Minor bei ihrem Einsatz an der Seite des tschechischen Privatiers Martin Prokop auf zum Teil schmerzhafte, sicher aber für die WRC-Proficopilotin ungewohnte Art und Weise am eigenen Leib erfahren. Denn so viel „Lehrgeld“ musste Österreichs einziger Export in der Rallye-Weltmeisterschaft schon lange nicht mehr zahlen – doch dazu später…

Zunächst nämlich, kurze Zeit nach dem Start in Paraguay gab es Grund zur Besorgnis, ob dieses große Abenteuer allzu lang andauern würde: „Die ersten Schotterprüfungen waren dermaßen schnell, dass der Motor unseres Ford Raptor überhitzte. Wir wussten nicht, ob der Motor dabei etwas abbekommen hat, da wir ziemlich lange mit überhitztem Motor gefahren sind.“

Bei der Betrachtung durch das kleine, aber feine Privatteam von Martin Prokop, MP-Sports, im abendlichen Biwak stellte sich heraus, dass der Ford Raptor F-150 unbeschadet blieb, das Abenteuer konnte also fortgesetzt werden.

Der „Pokemon Go“-Fehler

Bald schon passierte Ilka jener Fehler, der dem tschechisch-österreichischen Duo eine Strafzeit von einer Stunde einbrachte, womit man aus den Top 10 gespült wurde. Ilka erklärt: „Wir haben einen Wegpunkt verpasst. Wegpunkte sind rein virtuelle Punkte auf dem GPS, das erinnert ein bisschen an das Spiel Pokemon Go, das unlängst so viele Leute auf ihrem Handy gespielt haben.“

Mit dem großen Unterschied, dass das Auffinden der Wegpunkte unbelohnt bleibt, während das Verpassen jedoch schmerzhafte Konsequenzen hat. Wie man einen solchen Wegpunkt verpassen kann? Ilka erklärt: „Es war bei einem Flussbett, wir waren bereits sehr nahe an dem Punkt – doch hundert Meter weiter vorne war ein zweites Flussbett, da sind wir abgebogen und weiter gefahren. Das GPS hat dann gemeldet, dass wir einen Wegpunkt verpasst haben und gefragt, ob wir den überspringen wollen. Ich habe das bejaht, was der große Fehler war – ein Anfängerfehler, denn wir hätten zurückfahren müssen.“

Hier zeigt sich, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen. Denn im Zuge ihrer Vorbereitungen hat sich Ilka Minor in Berlin Tipps ihres Kollegen Timo Gottschalk geholt, der bereits zehn Jahre Dakar-Erfahrung sammeln konnte. Ilka erzählt: „Timo war mein Lehrmeister. Und er hat es mir immer wieder gesagt: ‚Fahr immer zurück zu dem Punkt, wo du hergekommen bist!‘ Dann machst du genau das nicht!“ Kurz nach dem Fehler fiel es Ilka wie Schuppen von den Augen: „Du verstehst plötzlich in der Praxis, was du in der Theorie gelernt hast. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mir stets gesagt: ‚Lass keinen Wegpunkt mehr aus, lass keinen Wegpunkt mehr aus!‘‘“

Das „Kreuz“ der Ilka Minor?

Während Martin Prokop auf den Fehler angenehm ruhig und besonnen reagierte („Er war zu keinem Zeitpunkt sauer deshalb – wohl auch, weil er wusste, dass Rookies Lehrgeld bezahlen“), musste Ilka Minor mit dieser ungewohnten Situation klarkommen: „Ich bin Perfektionist, ich möchte keine Fehler machen! In der Rallye-Weltmeisterschaft gelingt mir das auch.“

Kann man sich Ilka Minor ab diesem Zeitpunkt vorstellen wie in jener christlichen Überlieferung, in der ein Zimmermann namens „Jesus“ ein großes Kreuz auf seinen Schultern tragen musste? Ilka lacht: „Das mit Jesus ist schon so lange her, das weiß ich nicht. Aber: Zunächst hätte ich am liebsten meine Sachen gepackt und wäre heimgeflogen, so sauer war ich auf mich selber! Danach lastete schon eine gewisse Last auf meinen Schultern – ich habe mir jeden Tag gedacht: ‚Hoffentlich passiert mir heute nicht wieder was!‘ In der WRC ist es von den Gegebenheiten her so, dass der größere Anteil der Fehler, Fahrfehler sind – es war einfach sehr ungewohnt, dass auf einmal du derjenige bist, der die die größere Verantwortung dafür trägt. Ich habe dann aber auch gesehen, dass es Offroad-Proficopiloten gibt, denen ebenfalls passiert und dass diese Fehler dazugehören.“ Ilka muss lachen: „Bei manchen Wegpunkten hast du die skurrile Situation, dass fünf Autos und zehn Bikes umher cruisen, weil sie einen Punkt suchen, den es nur virtuell gibt…“

I am from Austria

Nicht jedoch, weil sie höhenkrank wurden – im Vorfeld gab es Befürchtungen, dass jene sechs Tage in großer Höhenlage bis zu 4.900 Meter zur Höhenkrankheit führen könnten, doch Ilka winkt ab: „Das hat zum Glück niemandem etwas ausgemacht – nur ein paar Teilnehmer haben ein wenig darunter gelitten.“

Aus dem Ruhetag wurden wegen der Absage einer Stage gleich zwei Ruhetage, die Motivation ging zu keinem Zeitpunkt verloren – im Gegenteil: „Der Ruhetag wurde in Bolivien, in der Stadt La Paz abgehalten. Diese Stadt liegt auf 3.200 Meter Seehöhe in einer Mulde und erstreckt sich dann hinauf bis auf 4.100 Meter. Da kann man mit einer Seilbahn hochfahren, was wir getan haben – dort wurden wir gefragt, woher wir kommen – I am from Austria – und da stellte sich heraus, dass auch die Seilbahn von der österreichischen Firma Doppelmayr gebaut wurde.“

Zwischenmenschliche Hilfestellung gab es für jenen tschechischen Biker, der Martin Prokop und Ilka Minor um Support bat: „Er ist im Ziel der Stage gestürzt, dabei hat es einen Lenker abgerissen, womit auch das Kupplungsseil gekappt wurde und er das Bike nicht mehr starten konnte – wir haben ihn bis ins nächste Biwak abgeschleppt.“

20 harte & 1 sehr harte Nacht

In diesen Biwaks verbrachte Ilka Minor 20 Nächte in einem Wohnmobil – nur eine Nacht, nämlich jene zwischen den beiden „Marathontagen“ verbrachte sie in einem Hotel nahe des Biwaks. Ilka erzählt: „Das Hotel muss man sich auch sehr reduziert vorstellen – an den Marathontagen hatten wir im Biwak nichts außer uns selbst, sonst war da stets das Team, das den Wagen wieder flott machte.“

Nach den Marathontagen musste wegen eines Erdrutsches eine weitere Etappe abgesagt werden: „Ein Teil des Feldes konnte noch die Originalroute fahren, wir kamen nicht mehr dazu. Unsere Leute sagten, dass es 100 Kilometer weiter vorne bereits einen Stau gibt – für diese Ausweichroute, sie war 330 Kilometer lang, benötigte unser Team sechs Stunden, weil die Straße in einem dermaßen schlechten Zustand war. Für uns im Raptor war es nicht weiter tragisch – der nächste Tag musste jedoch abgesagt werden und wir mussten 1.000 Kilometer bis zum nächsten Biwak zurücklegen. Dort angekommen, hatten wir außer unserem Auto nichts. Also haben wir zunächst im Auto geschlafen, später, als der Racetruck ankam, haben wir in dem weiter geschlafen und als schließlich um 3 Uhr morgens das Wohnmobil ankam, konnten wir dort , an unserem gewohnten Platz weiterschlafen. Das war eine anstrengende Nacht.“

Auf sie folgte ein „letzter schwieriger Tag“, wie es Ilka formuliert: „Da gab es eine Prüfung, in der viele, auch viele professionelle Offroad-Beifahrer einen Wegpunkt suchten und dafür viel Zeit benötigten, wir haben dafür 20 Minuten gebraucht. Nach diesem Tag waren die Prüfungen wieder eher so, wie ich sie von der WRC her gewöhnt bin, es gab nicht so viele Offroad-Passagen.“ Eine letzte Anstrengung waren schließlich noch 670 Kilometer an Verbindungsetappe ins Ziel – wird da viel geplaudert im Auto? Ilka schüttelt den Kopf: „Martin und ich sind beide eher ruhige Menschen – da plaudert man mal ein bisschen und dann ist es wieder eine ganze Weile lang ruhig.“

Respect to the team

Am Ende gab es die große Belohnung, denn Martin Prokop und Ilka Minor konnten die Rallye Dakar auf Platz 11 als bestes privat eingesetztes Team beenden. Ilka sagt: „Es hat menschlich super gepasst, Martin und das gesamte Team waren stets fröhlich und zu Scherzen aufgelegt. Vor diesem kleinen Privatteam kann man ohnehin nur den Hut ziehen – sie haben den Ford Raptor erst im Juli des Vorjahres erhalten und mussten ihn so weit bringen, dass der Wagen eine dermaßen lange Rallye durchhält, und das Auto lief völlig problemlos. Großer Respekt auch an die Mechaniker, die stets nachts zu arbeiten hatten und ja dann ebenfalls zum nächsten Biwak fahren mussten und also nur wenig Schlaf hatten. Dieses Team ist wirklich großartig, es gab zu keinem Zeitpunkt irgendeine Verstimmung, trotz dieser großen Strapazen.“

Auch für Ilka selbst waren die 20 Nächte im Wohnmobil ungewohnt: „Martin und ich hatten da drin jeder seinen Bereich – man ist dennoch eingeschränkt, aber es lief alles reibungslos. Sicher: Nachdem ich zuhause ankam, war das Schönste die Dusche! Nämlich, dass man daheim nicht mit dem Wasser haushalten muss…“

Hand aufs Herz – welche Disziplin gefällt Ilka besser: WRC oder Offroad? Ilka antwortet: „Das kannst du nicht miteinander vergleichen – das ist wie Äpfel und Birnen. Im Offroadsport ist der Teamspirit noch größer, weil du viel mehr Zeit miteinander verbringst. Aber mir gefällt beides sehr gut.“ Und möchte Ilka Minor auch die Dakar 2018 bestreiten? Ilka nickt: „Klar – wenn ich wieder die Möglichkeit bekomme…“

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