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Toyota-Drama hoch zehn!

Toyota verpasst den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans erneut – Starkes Duell gegen Porsche, Pech für Audi. Ford triumphiert in der GTE-Pro beim Comeback.

Die 24 Stunden von Le Mans 2016 erlebten das wohl größte sportliche Drama in der 93-jährigen Geschichte des Rennens. Die ewige Pechsträhne von Toyota erlebte bei den 24 Stunden von Le Mans 2016 ihren Höhepunkt - eine Tragödie epischen Ausmaßes. Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb gewinnen für Porsche, nachdem der Toyota von Anthony Davidson, Sebastien Buemi und Kazuki Nakajima in der letzten (!) Runde auf der Start-Ziel-Geraden stehen blieb. Nakajima ist wohl ein Platz in den Geschichtsbüchern für den tragischsten Helden aller Zeiten auf dem Circuit des 24 Heures sicher. .

Der Toyota #5 lag mit einem Vorsprung von eineinhalb Minuten an der Spitze, als Kazuki Nakajima in der vorletzten Runde urplötzlich langsam wurde. Was erst aussah wie das Arrangement eines Fotofinishs, entpuppte sich schnell als die unfassbarste Geschichte, die das Rennen jemals hervorgebracht hat: Eingangs der letzten Runde blieb Nakajima vor 263.500 Zuschauern auf der Zielgeraden stehen. Der Toyota legte eine Runde noch rein elektrisch zurück, doch Porsche holte den 18. Sieg in Le Mans.

30 Jahre lang hatte es Toyota immer wieder an der Sarthe probiert, mehr als Platz zwei war selbst mit dominanten Autos nie herausgekommen - auch in diesem Jahr nicht. Ein unwirkliches, surreales Finale eines Rennens, das bis zu diesem Punkt bereits Potenzial zu einem Klassiker hatte. Oliver Jarvis, der im Audi auf Rang drei kam, brachte es auf den Punkt: "Das Rennen kann man noch 1.000 Mal wiederholen, so etwas wird wohl nie wieder passieren. Meine Gedanken sind bei Toyota."

Der Toyota kommt letztlich nicht einmal in Wertung, da er die letzte Runde zu langsam gefahren ist. Das Reglement sieht vor, dass die letzte Runde in unter sechs Minuten absolviert werden muss, Nakajima brauchte jedoch fast doppelt so lang. So kam der Toyota 8 von Lucas di Grassi, Loic Duval und Oliver Jarvis.

Packendes Rennen mit tragischem Finale

Auch ohne das Drama in den allerletzten Minuten wäre die 84. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans bereits eine der packendsten geworden, die das Rennen je erlebt hat. Ein Kampf auf Augenhöhe zwischen Toyota und Porsche zog sich bis zum bitteren Ende. Die TS050 Hybrid bestachen durch ihren beeindruckenden Reichweiten-Vorteil (14 zu 13 Runden), Porsche hatte die minimal höhere Pace. Beides glich sich aus, doch am Ende hatte Toyota einen Vorteil von einer halbe Minute erzielt - und verlor alles auf tragischste Art und Weise.

Aufgrund heftiger Regenfälle vor dem Start musste das Rennen hinter dem Safety-Car gestartet werden. Die 52 Minuten andauernde Fahrt hinter dem Führungsfahrzeug stieß zum Teil auf Unverständnis, da teilweise Randsteine mit Laubbläsern trocken gepustet wurden. Als schließlich gestartet wurde, zogen die ersten Teams bereits Intermediate-Reifen auf. Die Strecke sollte schon nach kurzer Zeit trocken sein und Regen spielte den Rest des Rennens keine Rolle mehr.

Den ersten Verlust musste Audi erleiden, denn schon nach wenigen Minuten stand der R18 8 (di Grassi/Duval/Jarvis) fiel bis in die Abendstunden immer weiter zurück. Bald stellte sich heraus, dass es ein Kampf zwischen Porsche und Audi werden würde. Audi fehlte nicht viel, aber über die Zeit summierte sich der Zeitverlust. Erst ab den Nachtstunden fuhr Audi konkurrenzfähige Zeiten, doch da war es zu spät.

Audi früh weg vom Fenster

Weil Toyota etwas zu spät von Regen- auf Slickreifen gewechselt hat, führte zunächst der Porsche 2 sich zunächst einen Rückstand einfing, der am Ende beinahe das Rennen gekostet hätte. Somit lagen die Toyota zunächst im Porsche-Sandwich.

Einen ersten Rückschlag erlebte der Toyota 1 mit Überhitzung an die Box zurückgeschoben werden. Ein Tausch der Wasserpumpe kostete eine Stunde, doch das behob das Problem nicht. Nach einer rein elektrischen Runde kam Brendon Hartley erneut zum Service. Insgesamt zogen 38 Runden ins Land, bevor der Bolide wieder fuhr.

Somit war der Kampf um den Sieg auf einen Dreikampf reduziert. Und diese drei Boliden, die beiden Toyota und der Porsche 91 bei seinem Ausfall großzügig verteilte - unterbrachen die Hatz für kurze Zeit. In der Nacht fuhr Neel Jani dann einen hervorragenden Stint und drehte einen 50-Sekunden-Rückstand auf Kobayashi in einen leichten Vorsprung.

Porsche überlebt, Toyota nicht

Währenddessen war für Audi der Sieg bereits aus eigener Kraft nicht mehr zu reichen: Am Abend kamen beide R18 zu einem etwa fünfminütigen Reparaturstopp an die Box. Offizielle Begründung: Die Startnummernbeleuchtung hatte nicht funktioniert. Allerdings wurde weitaus mehr am Fahrzeug geschraubt. Am Sonntagmorgen kam die #8 erneut an die Box, offizielle Begründung diesmal: Bremsenwechsel. Jedoch wurde auch hier weitaus mehr am Fahrzeug gemacht. Dennoch kämpfte sich Audi durch und beendete das Rennen auf den Plätzen drei (di Grassi/Duval/Jarvis) und vier (Fässler/Lotterer/Treluyer) - wichtige WM-Punkte.

Das Rennen entwickelte sich zunehmend auch gegen den Toyota 6 im Kampf um die Spitze, bis Kobayashi am Sonntagvormittag einen Dreher im Bereich Maison Blanche hatte, was eine Minute kostete. Ein Reparaturstopp kurz vor Schluss sorgte dann für die Entscheidung - Platz zwei durch das Riesenpech der Teamkollegen.

Im auf zwei Fahrzeuge reduzierten Kampf erkämpfte sich der Toyota #5 am Vormittag einen Vorteil und hielt schließlich einen 30-Sekunden-Vorsprung, bis das Schicksal auf brutalste Weise zuschlug. Ein vergleichbares Ereignis hatte es zuvor nur ein einziges Mal im Motorsport gegeben, als Carlos Sainz den Rallye-Weltmeistertitel anno 1998 400 Meter vor dem Ziel mit einem technischen Defekt verlor - zu allem Übel auf einem Toyota. Le Mans hat selbst in seiner langjährigen Geschichte nichts Vergleichbares erlebt. Sogar der Spruch "Motosport kann grausam sein" wird diesem Ereignis nicht ansatzweise gerecht.

Alpine marschiert zum LMP2-Sieg

Die LMP2-Klasse wurde von derartigen Dramen zwar verschont, bot aber ebenfalls ein sehenswertes Rennen. Diese wurde auf die Oreca 05 beziehungsweise deren Ableger Alpine A460 beschränkt. Als Favorit war der G-Drive-Oreca #26 von Roman Russinow, Will Stevens und Rene Rast ins Rennen gegangen. Aber eine Strafe in der Nacht und weitere Nickeligkeiten warfen das Trio auf die zweite Position zurück, 2:40 Minuten hinter dem Siegerfahrzeug.

Den Sieg holte sich der Signatech Alpine 37 von SMP Racing mit Witali Petrow, Wiktor Schaitar und Kirill Ladygin.

Zahlreiche Favoriten hatten sich zu dem Zeitpunkt bereits verabschiedet: Der KCMG-Oreca 44 (Graves/Rao/Merhi) hatte zahlreiche technische Gebrechen.

Ford-Comebacksieg mit BoP-Beigeschmack

Um es vorweg zu nehmen: Die BoP-Änderungen vor dem Rennen waren ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ford und Ferrari bestimmten das Rennen - Zyniker mögen sagen: Nach Drehbuch. Die übliche Porsche-Stärke im Regen zu Beginn des Rennens blieb eine Randnotiz. Und wie 1966 jubelte am Ende Ford: Joey Hand, Sebastien Bourdais und Dirk Müller brillierten mit einer starken Fahrt, nachdem sie in der Nacht bei den beiden SC-Phasen Pech hatten und immer hinter dem falschen Safety-Car landeten.

Sie fuhren eine Lücke von zwei Minuten auf den Risi-Ferrari 69 von Ryan Briscoe, Richard Westbrook und Scott Dixon zurückfallen.

Wessen Fahrzeug nicht mit einem "F" begann, war kraft Balance of Performance schnell zum Statisten degradiert. Porsche erlebte ein Rennen zum Vergessen und verlor beide Werkswagen durch technische Defekte. Corvette brachte eine C7 auch Klassenrang sieben durch, war aber nie konkurrenzfähig. Aston Martin gewann das Rennen der Chancenlosen mit den Plätzen fünf und sechs, auf Rang vier kam ein weiterer Ford. Die AF-Corse-Ferrari rannten in alle erdenklichen Probleme und schieden ebenfalls beide aus.

In der GTE-Am-Klasse kontrollierten die US-Amerikaner Bill Sweedler, Townsend Bell und Jeff Segal in ihrem Scuderia-Corsa-Ferrari 98 (Dalla Lana/Lamy/Lauda) lag zunächst an der Spitze, doch dann hatte Dalla Lana in der Nacht einen Unfall, schließlich gab es noch technische Probleme. Das Podium komplettierten der AF-Corse-Ferrari 88 von Khaled Al Qubaisi, David Heinemeier Hansson und Patrick Long.

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