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WTCC: Nürburgring-Nordschleife

Coronel: „Die Angst fährt immer mit“

WTCC-Routinier Tom Coronel spricht im Interview über die einzigartige Herausforderung der Nürburgring-Nordschleife: "Man ist regelrecht überwältigt".

Fotos: FIA WTCC, Photo4

Am nächsten Wochenende tritt die Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) zum dritten Mal auf der Nürburgring-Nordschleife an, worauf sich vor allem ein Fahrer richtig freut: Tom Coronel. Der Niederländer kennt die "Grüne Hölle" besser als alle anderen WTCC-Fahrer und betrachtet das Rennen in der Eifel zudem als sein Heimrennen. Im Interview verrät das WTCC-Urgestein, was die Nordschleife so einzigartig macht, was das Geheimnis einer schnellen Runde ist und hat zudem Tipps für die Nordschleifen-Rookies der WTCC auf Lager.

Frage: "Tom, die Nürburgring-Nordschleife: Lieben Sie sie oder Hassen Sie sie?"
Tom Coronel: "Ich bin von dieser Rennstrecke total begeistert und habe einmal fünf Jahre lang den Rundenrekord gehalten. Im vergangenen Jahr stand ich dort in der WTCC auf Startplatz drei, obwohl Platz zwölf oder 15 realistisch gewesen wären. Diese Strecke muss man kennen, dort habe ich die Möglichkeit zusammen mit meinem Team ROAL unser Potenzial zu zeigen."

Frage: "Auf einer Skala von 1 - 10: Wie schwierig ist diese Strecke?"
Coronel: "Es ist die schwierigste Rennstrecke überhaupt, soviel ist sicher. Es gibt keine Rennstrecke, die mit der Nordschleife vergleichbar ist. Natürlich gibt es Macao, aber die Nordschleife ist länger. Nach einem Fehler muss man länger warten, bis man die nächste Chance bekommt. Man freut sich auf jede Rennstrecke auf der Welt, aber bei der Nordschleife ist man nicht nur begeistert, sondern regelrecht überwältigt. Es ist völlig verrückt."

Frage: "Haben Sie manchmal Angst, wenn Sie dort fahren?"
Coronel: "Die Angst fährt immer mit. Das sollte im Motorsport aber auch so sein, wenn es richtig schnell wird. Auf der Nordschleife ist es aber etwas anders. Diese Rennstrecke muss man respektieren, anders geht es nicht. Wenn man die Nordschleife nicht respektiert, wird man dort nie gut sein."

"Man braucht eine andere Herangehensweise als auf anderen Rennstrecken. Auf einer normalen Strecke hat man Auslaufzonen, aber keine solchen Bodenwellen oder Sprungkuppen. Keine Rennstrecke ist so lang, und nirgendwo gibt es so viele schnelle Passagen. Außerdem muss man die Tricks auf der Nordschleife kennen, und davon gibt es eine ganze Reihe."

Frage: "Und welche Tricks sind das?"
Coronel: "Man muss wissen, an welchen Stellen man etwas riskieren kann und die vielen Stellen kennen, wo man nichts riskieren darf, weil man nichts gewinnen, aber alles verlieren kann. Weil es so viele Kurven gibt, ist es unmöglich eine ideale Runde zu fahren."

"Auf einer normalen Rennstrecke kann man als Rennfahrer sagen: 'Wenn mir eine gute Runde gelingt, kann mich keiner schlagen.' Das geht auf der Nordschleife aber nicht, denn es gibt einfach zu viele Kurven, und jeder macht irgendwo einen Fehler. Derjenige, der während dieser lange Runde die wenigsten Fehler macht, ist der Schnellste. Das gibt es so nirgendwo sonst auf der Welt."

Frage: "Die WTCC ist in diesem Jahr sehr ausgeglichen. Was kann man bei den Rennen erwarten?"
Coronel: "Man hat ja all die Zweikämpfe in den vergangenen Rennen gesehen. Es gibt viele Fahrer, die auf der Nordschleife schnell sein können. Mindestens zehn Fahrer können gewinnen, im vergangenen Jahr waren es nur drei. Das Niveau des Wettbewerbs ist in diesem Jahr viel höher."

Frage: "Einige Fahrer fahren in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Nordschleife. Welchen Ratschlag können Sie ihnen geben?"
Coronel: "Respektiere die Strecke, und wenn du einen Fehler gemacht hast, akzeptiere das und versuche nicht, es wiedergutzumachen. Ich fahre dort seit zehn Jahren und verstehe die Strecke immer noch nicht vollständig, wie soll das also einem Rookie gelingen? Niemand kennt die Strecke richtig, denn die Bedingungen und das Wetter verändern sich ständig. Es ist einzigartig."

Frage: "Sie werden dieses Jahr nicht beim 24-Stunden-Rennen starten. Wird Ihnen das helfen?"
Coronel: "Ich denke schon, denn ich hatte immer recht viel zu tun. Jetzt kann ich mich zu 100 Prozent auf die WTCC konzentrieren."

Frage: "Kann man das Rennen auch als Ihr Heimrennen betrachten?"
Coronel: "Für mich ist das mein Heimrennen. Es sind nur zweieinhalb Autostunden von mir zu Hause, und fast 200 meiner Sponsoren werden dort sein. Außerdem sind viele Niederländer dort. Wenn Sie mich also fragen würden, welches mein Heimrennen ist, dann würde ich sagen die Nordschleife. Denn ich kenne die Strecke gut und es ist nahe bei meinem Heimatland."

Frage: "Sie starten auch regelmäßig bei der Rallye Dakar. Das ist zwar einerseits etwas völlig anderes, aber gibt es nicht auch gewisse Parallelen zur Nordschleife?"
Coronel: "Ja, denn beide Rennen muss man mit einer gehörigen Portion Respekt angehen. Aber die Herausforderungen sind völlig anders. In der WTCC fährt man nur drei Runden auf der Nordschleife und muss immer ans Limit gehen. In einer Weltmeisterschaft kann man sich nicht zurücknehmen, sondern muss immer Vollgas geben."

"Die Dakar ist für mich mehr ein Abenteuer als ein Rennen. Es geht ums Überleben. Das trifft auf die Nordschleife zwar in gewisser Weise auch zu, aber dort ist man ständig am Limit. Man muss aber beide Rennen respektieren, und solange ich in einem Jahr sowohl die Dakar als auch auf der Nordschleife fahren kann, bin ich ein glücklicher Mann."

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