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Erste Stellungnahmen zur Absage der Jänner-Rallye

motorline.cc bat Manfred Stohl, Dietmar Hinteregger (OSK), Raimund Baumschlager und Helmut Schöpf (W4-Rallye) um eine Stellungnahme.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Gepa/OMV, BRR

Die Absage der Jänner-Rallye 2010 setzte Fans aber auch Aktive unter Schock - motorline.cc bat um erste Stellungnahmen…

Manfred Stohl: „Das ist eine tragische Entscheidung – im sportlichen Bereich sowieso, aber auch wirtschaftlich. Für mich kommt es echt überraschend.

Die Jänner-Rallye hatte mit Abstand die meisten Zuschauer - viele Nächtigungen zu einer Jahreszeit, wo dort ohnehin wenig los ist. Wirtschaftlich ist das eine Fehlentscheidung. Wenn ich der Wirtschaftslandesrat wäre, dann würde ich die Krise bekommen - weil die Jänner-Rallye zu einem wichtigen Zeitpunkt ein guter Umsatz war.

Der Motorsport hat zurzeit ein schweres Imageproblem – und den Motorsport in Österreich trifft es noch intensiver. Und dieses Imageproblem müssen wir lösen – denn sonst schaut es schlecht aus.“

Dietmar Hinteregger (Rallyekollegium OSK): „Die BH Freistadt hat aufgrund des Vorfalls in St. Agatha offensichtlich überreagiert und hat dem Veranstalter Auflagen vorgegeben, die für ihn nicht vollführbar sind. Wir müssen damit jetzt einmal leben – die Entscheidung, die Rallye abzusagen, hat der Rallyeklub Mühlviertel ja bereits getroffen. Weil ja auch der Veranstalter derjenige ist, der sagen muss, ob er die Auflagen erfüllen kann oder nicht.

Die Bemühungen der OSK, noch etwas in die richtige Richtung zu bringen, sind leider auch gescheitert. Weil sich zurzeit in Oberösterreich kein Politiker in irgendeiner Form einmischt.

Ich bin etwas verwundert darüber, dass der Raimund Baumschlager vor zwei Tagen in Oberösterreich als ‚Sportler des Jahres’ geehrt wurde und man am nächsten Tag dem Veranstalter der Jänner-Rallye solche Prügel vor den Weg legt, über die er gar nicht drüber kommen kann.

Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber ein Beispiel: Eine Sonderprüfung, die in der Dämmerung oder Dunkelheit durchgeführt wird, ist nur dann zugelassen, wenn sie zu hundert Prozent ausgeleuchtet wird. Offensichtlich hat da jemand den Formel 1-Grand Prix von Abu Dhabi gesehen und hat gesagt: ‚Aha, die fahren mit Flutlicht, also Rallye auch!’ Ich möchte nicht wissen, was die Grünen sagen würden, wenn wir die ganzen Wälder verkabeln und Scheinwerfer aufstellen würden.

Das Ganze ist in meinen Augen eine übersensible Farce. Da muss jetzt einiges geschehen. Es ist in Oberösterreich eine Kommission geplant, welche künftig die Genehmigungen solcher Veranstaltungen durchführen wird – da wird sich die OSK bemühen, rein zu kommen.

Für die Wirtschaft ist das natürlich ein Wahnsinn. Ich habe gestern gehört, dass sämtliche Quartiere für den Zeitraum der Jänner-Rallye ausgebucht sind. Die Wirtschaft wird unter dieser Absage massiv leiden.

Wir haben gestern noch versucht, alles in die richtigen Wege zu leiten, wir haben Landeshauptmann Dr. Püringer auch ein Gespräch angeboten, doch der Vorschlag hat nicht gefruchtet. Jetzt müssen wir uns einfach ein paar Tage Auszeit nehmen und darüber nachdenken, welche Schritte wir nun setzen werden.“

Raimund Baumschlager: „Wenn man einen Tag davor zum ‚Sportler des Jahres’ gewählt wird, und dann passiert so etwas – dann kommt man sich fast ein bisschen veräppelt vor. Ich verstehe auf jeden Fall den Veranstalter voll und ganz – die Absage ist bei solchen Auflagen der einzig richtige Weg.

Die Region war der große Nutznießer – mit über 100.000 Zuschauern, mit über 130 Startern, wo jedes Team im Schnitt mindestens fünf bis zehn Leute dabei hat. Ich glaube, dass man eigentlich sehr viel Geld dort hin getragen hat. Die Jänner-Rallye war eigentlich fast schon die größte österreichische Sportveranstaltung, welche die meisten Live-Zuseher hatte. Und ich frage mich, wie es sein kann, dass so etwas einfach auf diese Art und Weise abgestellt wird.

Da sagt man nicht ab, dafür sagt man dem Veranstalter, er muss jede SP zur Gänze ausleuchten und er muss dafür sorgen, dass niemand außerhalb der Zuschauerzonen zuschaut. Ganz ehrlich – du kannst doch nicht einem Bauern verbieten, dass er vor seine Haustüre geht und Rallye schaut.

Ich muss wirklich sagen, ich komme mir schon vor wie in einem Polizeistaat, ganz ehrlich. Und ich frage mich: Wo sind die ganzen Politiker? Wir sehen verschärfte Auflagen ein – aber die sollten halt auch erfüllbar sein. Und keine Willkür – und etwas anderes ist das nicht.

Der Grund ist natürlich das Unglück von St. Agatha – das war eine einmalige Geschichte, die tragisch war. Aber wenn du bedenkst, was heute täglich auf den Schipisten passiert, dann müsste man damit auch aufhören. Da darf dann nur noch alle zwei Minuten oben einer losfahren, damit es zu keinen Kollisionen kommt.

Wie weit haben wir es in unserer Demokratie gebracht, wenn solche Dinge wie diese Absage auf diese Art und Weise passieren können? Okay, wenn solche Unglücke wie in St. Agatha bei uns öfter vorkommen würden, dann lasse ich mir das einreden. Aber das ist zum ersten Mal passiert – noch dazu hat das mit dem Rallyesport nichts zu tun.“

Helmut Schöpf (Veranstalter Waldviertel-Rallye): „Das ist tragisch für die österreichische Meisterschaft. Diese Auflagen sind dermaßen überzogen, da wurde einfach über das Ziel hinaus geschossen. Wenn du eine Prüfung so abriegeln musst, dass sich niemand außerhalb der Zuschauerzonen befindet, dann hast du einen Kriegszustand, dann brauchst du das Bundesheer, um das durchzuführen.

Ich verstehe die Bedenken der oberösterreichischen Landesregierung wegen des tragischen Unglücks in St. Agatha. Aber man muss auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Diese fast schon willkürliche Auslegung von Bestimmungen ist beinhart für den Veranstalter, der seit einigen Jahren erfolgreich Rallyes veranstaltet. Und der keine Probleme hatte. Und auf einmal wird er vor komplett andere Tatsachen gestellt.

Diese Auflagen sind schwer illusorisch – das würde ja selbst Radrennen unmöglich machen, dort stehen auch Leute am Streckenrand. Kann da ein Veranstalter garantieren, dass niemand entlang der Strecke steht und kein Radfahrer mit einem Zuschauer zusammenstößt? Das ist eine Grundsatzfrage, die den gesamten Sport betrifft.

Hier wird absolut über das Ziel hinausgeschossen – einige der Punkte kann ich akzeptieren, aber andere wiederum sind schlicht nicht umsetzbar. Man schießt sich hier ein auf ein tragisches Unglück, bei dem wirklich so viele unglückliche Umstände zusammenkamen, wie es normalerweise nicht passieren kann.

Es tut mir irrsinnig leid für die Betroffenen – aber selbst der Ehegatte, der seine Frau und seine Tochter verloren hat, sagte: ‚Das ist eine Sache, mit der ich selbst fertig werden muss.’ Dass jetzt so auszulegen, ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung. Sicherheit ist immer ein Thema, das ist keine Frage – aber hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Dass es auch anders geht, habe ich selbst bei meiner Genehmigungsverhandlung für die Waldviertel-Rallye in Niederösterreich erlebt. Und die fand eine Woche nach dem Unglück von St. Agatha statt, da kam gerade die Forderung vom Kuratorium für Verkehrssicherheit, dass man auf Bundes- und Gemeindestraßen keinen Motorsport mehr durchführen soll.

Diese Verhandlungen wurden fair geführt – natürlich haben wir von uns aus einige neue Sicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen, man hat gemeinsam Wege gesucht, wie man die Sicherheit verbessern kann. Doch diese Maßnahmen blieben stets realistisch und für den Veranstalter auch umsetzbar.“

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