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ORM 2015

„Die falsche Richtung“

Mario Saibel tobt, Neubauer und Mayer drohen mit Abwanderung – die Streichung der Streichresultate sorgt für Unmut bei den Piloten der ORM…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl, Harald Illmer

Noch nie zuvor hat man den sonst so freundlichen, besonnenen Mario Saibel dermaßen wütend erlebt – gegenüber motorline.cc lässt er seinem Unmut freien Lauf und belegt die Oberste Nationale Sportkommission (OSK) mit der Höchststrafe, einem Vergleich mit der aktuellen heimischen Politik: „Was die OSK beschlossen hat, erinnert mich an die Politik in Österreich, wie sie zurzeit praktiziert wird: Hier wurde wieder einmal die exakt falsche Richtung eingeschlagen, das geht komplett vorbei an der Realität. Ich habe es zufällig beim Race Of Austrian Champions erfahren und habe zunächst gedacht, das ist doch völliger Blödsinn, das kann doch nicht wahr sein - da weiß man wirklich nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll!“

Der Vizestaatsmeister 2014 bezieht sich auf jenen Beschluss der OSK-Rallyekommission, wonach die Österreichische Rallye Staatsmeisterschaft (ORM) 2015 erneut acht Läufe beinhalten, es aber keine Streichresultate mehr geben wird. Saibel schüttelt den Kopf: „Das ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein völlig ungeeignetes Mittel, mit dem die Veranstalter die Fahrer zum Start bei sämtlichen ORM-Rallyes zwingen wollen.“

Saibel schäumt: „Dabei ist noch nicht einmal klar, welche Veranstalter ein ORF-Paket [eine Vereinbarung für einen längeren Bericht auf ORF Sport Plus, d. Red.] haben. Wenn eine Rallye kein ORF-Paket hat, fahre ich dort nicht.“

Der Wiener fügt hinzu: „Die Veranstalter sollten einmal ihre Perspektive verlassen und der Realität ins Auge blicken. Es konnte schon im Vorjahr kaum einer das Budget für alle Rallyes aufbringen.“

Neubauer und Mayer: Abgang möglich

Hermann Neubauer nickt – und droht mit Abwanderung: „Es ist jetzt noch schwieriger, ein Budget für die komplette Saison aufzustellen. Wenn du um den Titel fahren willst, kannst du es dir nicht leisten, eine Rallye auszulassen. Und ich möchte 2015 definitiv um den Titel fahren. Die Jännerrallye wollte ich ohnehin fahren, da ich es toll finde, dass wir einen ERC-Lauf haben. Nur: Sollte ich dort und bei der Rebenland-Rallye Probleme haben, überlege ich ernsthaft, mit dem restlichen Budget in der Europameisterschaft zu fahren, denn die ORM wäre für mich dann bereits gelaufen. Da wäre marketingtechnisch die internationale Bühne wahrscheinlich aussichtsreicher.“

Ganz ähnlich denkt Walter Mayer, der die ORM heuer auf Platz drei abschließen konnte: „Ich stehe diesem Beschluss negativ gegenüber, der Sport wird einmal mehr zu Tode reglementiert. Er ist jetzt schon teuer genug – künftig musst du alle Rallyes fahren, wenn du in der Meisterschaft konkrete Ziele hast. Für mich macht es keinen Sinn, wenn ich nicht in die Top 3 gelangen kann. Da fahre ich lieber im Ausland – die Lappland-Rallye beispielsweise feiert ihr 50-jähriges Jubiläum, dort bin ich bereits gefahren, dort sind die Leute freundlich, dort freut man sich über österreichische Piloten.“ Die Jännerrallye werde er auch ohne Streichresultate nicht fahren, sagt Mayer: „Jetzt müsste man also jene Rallye bestreiten, bei der die Europastars hochgehalten werden und die Österreicher nur eine Nebenrolle erhalten – ich fahre ganz sicher nicht in Freistadt.“

Fix eingeplant hat die Jännerrallye Gerwald Grössing – sein Copilot Sigi Schwarz sagt aber auch: „Schöner wäre es natürlich mit Streichresultaten, denn wir alle kämpfen mit dem Budget. Es ist schwer, ein solches zu erstellen, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen.“ Schwarz bezieht sich auf einen nicht unwichtigen Faktor beim Erstellen eines Budgets: „Es geht um die SP-Kilometer. Diese sollten limitiert werden – eine Rallye mit 200 SP-Kilometern kostet wesentlich mehr als eine mit 130. Daher sollte man ein Limit setzen zwischen 130 und 150 Kilometern.“

Chris Brugger meint zur Streichung der Streichresultate: „Da ich bislang noch keine ganze Meisterschaft gefahren bin, ist es mir egal, ob es Streichresultate gibt. Das bedeutet halt nur, dass derjenige, der die Meisterschaft gewinnen möchte, alle Rallyes fahren muss. Für die Zuschauer ist das perfekt, da alle fahren – für die Piloten bedeutet es halt Mehrkosten.“

Dass nun tatsächlich „alle fahren“ werden, wie es Brugger formuliert, glaubt Gerwald Grössing nicht, er sagt: „Ich glaube nicht, dass sich sportlich damit etwas ändern wird – sollten Teilnehmer am Saisonbeginn Probleme haben, kann es auch jetzt sein, dass im Herbst einige Piloten nicht mehr am Start sein werden. Denn die Kombination von 25 Punkten für den Sieg plus der Weglassung der Streichresultate ist eine unglückliche Lösung. Es ändert sich also nichts, außer dass eine Saison jetzt noch teurer geworden ist - denn wenn du die Meisterschaft gewinnen willst, musst du alle Rallyes bestreiten.“

Staatsmeister Raimund Baumschlager sagt dazu: „Sportlich ist diese Lösung fairer, wirtschaftlich ist es schwerer. Wie immer gibt es Für und Wieder – doch ich habe 2015 nicht den Druck, die Meisterschaft gewinnen zu müssen, daher halte ich mich aus der Diskussion raus.“

„Acht Rallyes sind zu viel“

Christian Mrlik, der große Überraschungssieger der Waldviertel-Rallye, sagt, was wohl für einige Teams, vor allem des Mittelfelds gilt: „Acht Rallyes sind zu viel – ich kann mir das nicht leisten. Ich wäre bei acht Rallyes für zwei Streichresultate.“ Mrlik kann sich aber auch eine andere Lösung vorstellen: „Man reduziert auf sechs Rallyes pro Jahr und lässt per Rotation immer zwei Veranstalter aussetzen. Und zwar jene Rallyes, die per Fragebogen von den Teilnehmern die schlechteste Bewertung erhielten.“

Georg Gschwandner hat im Meeting Point, dem Forum von motorline.cc zu diesem Thema die Perspektive aus der Sicht eines kleinen, am unteren Ende der Nennliste agierenden Teams gepostet: „Ich denke hier für viele im österreichischen Rallyesport involvierte Menschen zu sprechen – nämlich dass das Umdenken der Verantwortlichen der Anfang vom Ende einer adäquat vermarktbaren österreichischen Rallyemeisterschaft sein kann bzw. sein wird!“ Nun seien „all jene, die 2015 auf irgendein Prädikat in der ORM abzielen, gezwungen, das Budget schon im Jänner überzustrapazieren, denn bei einem Nichtantritt bei der Jännerrallye kann man schon ins Hintertreffen geraten.“

So stellt Gschwandner die Frage in den Raum: „Warum ist man sich der schwierigen wirtschaftlichen Lage und einhergehend der schwierigen Vermarktung des österreichischen Rallyesports offenkundig bewusst und trifft dann solche Entscheidungen?“

OSK, Veranstalter und auch Fahrervertreter Willi Stengg junior stehen zu ihrer Entscheidung, die Streichresultate für 2015 eliminiert zu haben – gespart soll dafür künftig in anderen Bereichen werden – lesen Sie dazu den Artikel: „So wollen die ORM-Köpfe Kosten sparen“, zu finden auch über das Menü rechts oben.

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