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ORM: Wechselland-Rallye

WRC-Festspiele & Weltpremiere im Wechselland

Sensationelle fünf World Rally Cars starten im Wechselland: Raimund Baumschlager zündet das VW Polo R WRC, Andi Aigner will im Fiesta WRC die ORM-Führung verteidigen. Wie die Spitzenpiloten die neuen Verhältnisse einschätzen.

Fotos: Harald Illmer, Daniel Fessl/ Grafik: AA24 Rallye Team

Zuletzt jagte eine Sensationsmeldung die andere: Plötzlich schreibt die Wechselland-Rallye mit satten fünf World Rally Cars Geschichte! Dermaßen viele WRCs gab es zuletzt im Jahr 2000 in der Staatsmeisterschaft zu bewundern.

Raimund Baumschlager zündet mit dem VW Polo R WRC das erfolgreichste Rallyeauto der Neuzeit – bei der Wechselland-Rallye wird dieser Kult-Bolide zum ersten Mal in Österreich in Action zu sehen sein. Es ist weltweit der erste private Einsatz dieses „rasenden Meisterwerks“ nach dem Rückzug als Werksteam.

Doch auch Überraschungs-ORM-Leader Andi Aigner wechselt in ein World Rally Car und will so seinen ehemaligen Lehrmeister herausfordern und die Meisterschaftsführung verteidigen.

Wechseland-Rallye schreibt Geschichte

Wenn am Freitag um punkt 16 Uhr das erste Fahrzeug das Service in Pinggau in Richtung Start am Friedberger Hauptplatz verlässt, wird die Wechselland-Rallye Geschichte schreiben: Denn dermaßen viele World Rally Cars, quasi die Formel 1 der Rallyeautos, waren zuletzt im Jahr 2000 in der Österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft (ORM) zu bewundern. Damals bereits mit einem WRC am Start: Raimund Baumschlager…

17 Jahre später bringt der Rekord-Staatsmeister das erfolgreichste Rallyeauto der Neuzeit ins Wechselland! Baumschlager konnte nach langen Verhandlungen den Sensationsdeal verkünden: Der Rosenauer wird schon im Wechselland jenen VW Polo R WRC pilotieren, mit dem Sebastien Ogier in den letzten Jahren die Weltmeisterschaft beherrschte.

Volkswagen Motorsport musste zwar Ende 2016 den WM-Ausstieg verkünden, doch das Team vermietet den Kult-Boliden an ausgesuchte Kunden. Raimund Baumschlager und sein Team Baumschlager Rallye Racing (BRR) zählen zu diesem erlauchten Kreis, schließlich gehört auch Skoda zur Volkswagen-Gruppe, schließlich hat Baumschlager in Österreich wie kein anderer Erfolge feiern können.

Somit wird Raimund Baumschlager die große Ehre zuteil, weltweit als erster Privatier einen VW Polo R WRC bei einer Rallye pilotieren zu dürfen. Volkswagen Motorsport schickt sogar den ehemaligen Leibingenieur von Serienweltmeister Ogier nach Pinggau, Gerard Jan de Jongh wird Baumschlager und seinen jungen Copiloten Pirmin Winklhofer bei der Abstimmung beraten. Baumschlager sagt: „Gerard wird alle Einstellungen durchführen, da ich noch keine Ahnung habe, was bei dem Auto alles gemacht werden muss.“

Baumschlager bringt das erfolgreichste Rallyeauto der Neuzeit

Der 58-Jährige fühlt sich wohl wie ein Kind vor Weihnachten, zwar werde er noch Testfahrten abhalten, doch wie viele Kilometer sich ausgehen, könne er nicht abschätzen. Wer jedoch die Professionalität des BRR-Teams kennt, wird wissen, dass irgendwo in Rosenau zurzeit ein bildschönes Rallyeauto seine Runden drehen wird. Baumschlager betont, dass er sich noch an die Lenkradwippenschaltung gewöhnen müsse: „Das wird in der kurzen Zeit keine einfache Übung. Dazu kommen rund 40 PS mehr Leistung und größere Federwege, es wird sicherlich eine Weile dauern, bis ich das volle Potential des Autos ausschöpfen kann.“

Der Einsatz des VW Polo R WRC ist eine Weltpremiere – mit ihm wird das erfolgreichste Rallyeauto der Neuzeit zum ersten Mal auf heimischem Boden zu sehen sein. Mit dem VW Polo R WRC konnte nicht nur Sebastien Ogier von einem Titel zum nächsten stürmen, im Optimalfall standen sogar alle drei VW-Teams auf dem Podium der Weltmeisterschaft. Für Raimund Baumschlager ist es „eine große Ehre, den WRC Polo fahren zu dürfen, die Vorfreude darauf ist kaum in Worte zu fassen.“

Auch Andi Aigner im World Rally Car

Einen Tag vor der Sensationsmeldung von Raimund Baumschlager machte sein ehemaliger „Schüler“ Andi Aigner Schlagzeilen, denn auch er wird nun im Wechselland überraschend ein World Rally Car zünden. Aigner, der damals, ab dem Jahr 2004 als blutjunger 19-Jähriger unter den Fittichen von Raimund Baumschlager nach einer groß angelegten Driver Search schließlich vier Jahre später wie gewünscht PWRC-Weltmeister wurde, wird bei der Wechselland-Rallye nun zum großen Herausforderer seines ehemaligen Lehrmeisters. Beide sitzen nun in World Rally Cars – sehr viel spannender könnte das Starterfeld einer ORM-Rallye eigentlich nicht mehr sein…

Aigner, der bei beiden bisher gefahrenen Saisonrallyes mit guten Platzierungen punkten konnte, führt nun einen Zähler vor den punktgleichen Hermann Neubauer und Raimund Baumschlager. Der Steirer wollte als Meisterschaftsführender unbedingt im Wechselland starten, doch da eigentlich eine Woche zuvor eine Rallye in Slowenien vorgesehen war, stand plötzlich kein Auto zur Verfügung, da das Eurosol Racing Team den Aigner-Fabia bereits für einen ERC-Einsatz vorgesehen hatte und erst im Mai einen zweiten Skoda Fabia R5 erhalten wird. Italienische Freunde machten Aigner schließlich auf ein verhältnismäßig günstiges World Rally Car aufmerksam – so wurde ein WRC zu einer Art „Edel-Notlösung“.

Auch für Andi Aigner wird der Einsatz im Ford Fiesta RS WRC der erste Kontakt mit einem WRC dieser Generation sein. Ein echter Test sei aus Zeit- und Budgetmangel nicht möglich, lediglich ein kurzer Rollout muss genügen, um sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Doch Aigner bleibt gelassen: „Ich habe in meiner Zeit als Schüler von Raimund Baumschlager gerade von ihm gelernt, mich schnell auf neue Bedingungen anzupassen.“ Dass er wie Baumschlager schon Erfahrung mit den Vorgänger-World Rally Cars machen durfte, sei jedoch zu vernachlässigen: „Das sind doch ganz andere Fahrzeuge, das kann man nicht vergleichen.“

„Können stolz sein auf die ORM!“

Mit Raimund Baumschlager (VW Polo R WRC), Andi Aigner, Hermann Neubauer, Gerwald Grössing und Gerhard Aigner (allesamt Ford Fiesta RS WRC) sind somit satte fünf World Rally Cars bei der Wechselland-Rallye am Start. Erstmals seit 17 Jahren also erlebt die ORM eine derartige Ansammlung von World Rally Cars…

Gerwald Grössing, einer der großen Befürworter der 2016 vollzogenen Einführung der World Rally Cars in der ORM fühlt sich bestätigt: „Das war der richtige Weg! Wir sind wohl die einzige Meisterschaft nach der WM, die ein solches Aufgebot stellen kann. Wir können mit Recht stolz auf unsere ORM sein!“

Neubauer: „Ich muss nicht gewinnen!“

Zwei sensationelle Fahrzeugwechsel innerhalb von zwei Tagen, nunmehr fünf World Rally Cars im Wechselland am Start– wie sehen die Top-Piloten der ORM nun für die bevorstehende Wechselland-Rallye die Kräfteverhältnisse? Schließlich wurden die Karten an der Spitze der ORM so gut wie neu gemischt…

Der regierende Staatsmeister Hermann Neubauer sieht sich angesichts der neuen Verhältnisse nicht mehr in der Favoritenrolle: „Raimund ist mit diesem Auto der Topfavorit – wir haben mit der 100er-Sepzifikation das älteste Auto dieser WRC-Generation und werden damit vom Gejagten wieder zum Jäger. Raimund muss mit dem Polo gewinnen – das ist ein 2016er-Spec und ich bin mir auch sicher, dass er sich ausgiebig auf diesen Umstieg vorbereiten wird. Und auch Andi Aigner ist ein Spitzenmann – jeder weiß, dass er einer der schnellsten Piloten ist, die wir in unserem Land haben. Ich muss im Wechselland nicht gewinnen – wir können ohne jeden Druck an den Start gehen.“

Auf dem Papier müsste sich Neubauer theoretisch mit Platz drei zufrieden geben, doch der Seriensieger des Vorjahres weiß: „Jeder will seine Haut bestmöglich verkaufen – ich kenne mein Paket sehr gut und natürlich wollen wir wieder vorne mitmischen. Raimund hat zudem einen heftigen Abflug zu verdauen und ich habe selbst aus eigener Erfahrung bemerkt, dass so etwas nicht immer leicht ist.“

Grössing zieht den Hut

Gerwald Grössing zieht seinen Jagdhut vor Raimund Baumschlager: „Da kann man nur gratulieren! Raimund hat sich das Ogier-WRC geholt und sogar dessen Ingenieur – ich erwarte daher einen Durchmarsch. Raimund muss im Wechselland gewinnen, denn er hat das erfolgreichste Auto der Welt zur Verfügung. Ich kann nur sagen: Hut ab, Raimund hatte alle nötigen Kontakte, um diese Sensation perfekt zu machen. Freilich: Patzer darf er sich keinen leisten – ansonsten erwarte ich mindestens eine Minute Vorsprung auf Andi Aigner, er ist für mich als Ex-Weltmeister und Profirennfahrer die logische Nummer 2, dahinter würde ich Hermann Neubauer reihen.“

Doch weil der Rallyesport bekanntlich zahlreiche Unbekannte beinhaltet und beispielsweise schnell einmal die falsche Reifenwahl getroffen werden kann oder gerade der erste Tag der Wechselland-Rallye mit ihrer spektakulären Hochwechsel-Prüfung auch Herausforderungen wie Schnee oder sogar Eis stellen könnte, bleibt Gerwald Grössing im Angriffsmodus.

Schließlich wäre ein Podiumsplatz bei einer dermaßen geschichtsträchtigen Rallye etwas ganz Besonderes: „Das stimmt – und die Chance, aufgrund der Fehler anderer einen Spitzenplatz abzustauben ist ja immer vorhanden, das haben wir eben erst im Lavanttal gesehen. Ich habe jedoch keine große Freude am Erben von Plätzen und finde es cooler, wenn man aus eigener Kraft heraus vorne mitfahren kann. Aufstecken tun wir freilich nicht – wenn ich die Chance riechen sollte, ganz nach vorne zu greifen, dann werde ich das tun.“

Aigner will im WRC die ORM-Führung verteidigen

Andi Aigner, der zugleich aufgerüstet hat und im direkten Fahrzeugvergleich mit jenem von Baumschlager dennoch wieder die „kleineren Brötchen“ im Ofen hat, sieht die Lage entspannt: „In punkto Fahrzeug brauchen wir nicht herumdiskutieren, da ist der Polo ganz klar die Benchmark – der Druck liegt also nicht bei mir.“

Natürlich freut sich Aigner sehr auf die bevorstehende Wechselland-Rallye und wie man es von einem Ex-Weltmeister erwarten kann, hat er sich noch lange nicht mit einem zweiten Platz abgefunden: „Ich freue mich auf einen coolen Fight und von den rein technischen Rahmenbedingungen kämpfen wir nun zumindest unter annährend gleichen Bedingungen.“ So hat Aigner, der wieder mit Österreichs WM-Copilotin Ilka Minor an den Start gehen wird, ein klares Ziel: „Wir wollen mit dem World Rally Car die Meisterschaftsführung aktiv verteidigen und ausbauen.“

Fünftes WRC & Mayr-Melnhof im R5

Gerhard Aigner konnte zuletzt im Lavanttal den sensationellen dritten Platz feiern – der ORM-Privatier profitierte freilich von den Ausfällen, kam aber immer besser mit dem für ihn völlig ungewohnten Ford Fiesta RS WRC zurecht. Zur Wechselland-Rallye würde er als großartiger ORM-Vierter anreisen. Doch völlig in trockenen Tüchern ist der Einsatz noch nicht, wie Aigner verrät: „Wir haben zwar für die Rallye genannt, kämpfen augenblicklich jedoch noch am Budget für diesen Einsatz.“ Bleibt zu hoffen, dass er den fehlenden Teil noch organisieren kann.

Nicht vergessen darf man im Spitzenfeld Niki Mayr-Melnhof, der in letzter Zeit in der ORM-„Gerüchteküche“ ebenfalls mit einem WRC-Einsatz in Verbindung gebracht wurde. Doch der frühere Rundstreckenpilot setzt bei der Wechselland-Rallye erneut auf den Ford Fiesta R5 und bleibt zuversichtlich gestimmt, auch im WRC-Feld aufzeigen zu können: „Ich fühle mich immer wohler im R5 und konnte im Lavanttal sogar schon einmal den Raimund schlagen.“

Dass dies unter den neuen Voraussetzungen aus eigener Kraft heraus so gut wie unmöglich sein wird, ist Niki klar: „Wir haben jetzt keine Vergleichsmöglichkeiten mehr, aber ich freue mich wahnsinnig darauf, weiter an meinem Speed zu arbeiten und werde wie alle anderen auch kräftig Gas geben.“ Mayr-Melnhof spricht wohl sehr vielen aus der Seele, wenn er sagt: „Diese Rallye wird großartig und ich kann den Start nicht mehr erwarten.“

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