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Leistung rauf, Verbrauch runter: variable Verdichtung Infiniti VC-T 2016

Lohnende Variabilität

Der Konflikt zwischen hoher (sparsam, wenig Leistung) und niedriger Verdichtung (umgekehrt) wird durch variable Verdichtung bald gelöst.

Text: Georg Koman
Fotos: Infiniti (2), AVL List (1)

Fast jeder Fahrer eines Normal-Autos hat sich in bestimmten Fahrsituationen – etwa beim Überholen – wohl schon einmal mehr Leistung gewünscht. Umgekehrt bringt einen selbst ein 500-PS-Motor nicht schneller durch den Stau, er verbraucht bloß mehr. Vernunft oder Freude? Bis jetzt hieß es grundsätzlich: „entweder – oder“.

Aber nicht mehr lang, denn auf dem Pariser Autosalon zeigte Nissan-Tochter Infiniti erstmals einen turbo-geladenen Zweiliter-Benzinmotor mit variabler Verdichtung, genannt „VC-T“ (Variable Compression Turbo). Bei einem Grundhubraum von zwei Litern beträgt die Leistung des Vierzylinders 272 PS, das maximale Drehmoment 390 Nm.

Die Neuheit dabei: Die Pleuel-Länge ist verstellbar, sodass die Kolben je nach Anforderung weiter oder weniger weit in den Brennraum vordringen können. Die Verdichtung ist somit nicht mehr fixiert, sondern zwischen einem Verhältnis von 8:1 und 14:1 voll variabel.

Sensoren überprüfen dabei permanent die Fahrsituationen und justieren die Verdichtung blitzschnell und stufenlos. Vollgas, hohe Lastanforderung (etwa Bergauffahrt) und hohe Drehzahlen bewirken eine niedrige Verdichtung. Dann kann ohne Klopfgefahr viel Benzin eingespritzt werden, was jede Menge Leistung und Drehmoment bringt – bei kurzzeitig natürlich erhöhtem Verbrauch. Braves Dahingleiten, Bergabfahren oder klassische Start-Stopp-Situationen führen hingegen zur extrem verbrauchsgünstigen hohen Verdichtung. Da diese Fahrsituationen üblicherweise in der Mehrzahl sind, kommt es insgesamt zu einer signifikanten Verbrauchssenkung.

 Infiniti VC-T 2016

Technisch funktioniert das so: Ein Aktuator mit dem klingenden Namen „Harmonic Drive“ verstellt über ein Hebelsystem ein parallelogram-artiges Konstrukt an der Kurbelwelle, an dem der Pleuel samt Kolben ansetzt (siehe Bild oben). Durch den veränderten Ansatzpunkt wird der Pleuel gleichsam länger oder kürzer. Dies geschieht immer nur zum Zündzeitpunkt, wenn sich der Kolben am oberen Totpunkt befindet. Was eine höhere oder niedrigere Verdichtung und gleichzeitig sogar eine kurzzeitige Hubraum-Veränderung bewirkt. Die auf den Kolben wirkenden Seitenkräfte sind systembedingt so gering, dass man gewichts-einsparend auf die bei Vierzylindern üblichen Ausgleichswellen verzichten kann.

Zukunftsmusik? Techniker-Spielwiese? Mitnichten. Das System ist serienreif und soll im neuen Infiniti-SUV QX50 schon Ende 2017 Premiere feiern. Infiniti verweist übrigens darauf, 20 Jahre lang an dem Verdichtungs-Konzept gearbeitet zu haben und rund 300 Patente an dessen Entwicklung zu halten.

Die österreichische Technik-Denkfabrik AVL List arbeitet ebenfalls an der variablen Verdichtung und hat ihr Konzept im Rahmen des jüngsten Wiener Motorensymposiums präsentiert. Im Vergleich zum Infiniti-Konzept ist die AVL-Idee wesentlich simpler: Die Pleuelstange ist als Teleskop ausgeführt und wird über den motor-eigenen Öldruck verstellt (siehe Bild links). Die Ausführung ist nicht stufenlos, sondern lediglich zweistufig.

Das bringt vielleicht nicht ganz so hohe Effizienz, ist aber wesentlich kostengünstiger und kann in bestehende Drei- bis Sechszylindermotoren integriert werden. Mit einem rein auf Leistung ausgelegten Motor hat AVL List bereits 270 PS pro Liter Hubraum (!) erreicht. Das scheint hier ebenfalls möglich, bei allerdings viel geringerem Verbrauch. Zunächst konzentriert man sich auf Benzinmotoren, möglich ist die Technik beim Diesel allerdings genauso.

Obwohl das zweistufige AVL-System deutlich weniger komplex ist als jenes von Infiniti, stellt man geringere Effizienz in Graz selbstbewusst in Abrede. Laut AVL komme es weniger auf stufenlose Variabilität, als vielmehr auf die richtige Auslegung der Verdichtungsspreizung an. Diese müsse je nach Motor-Getriebe-Konfiguration im Vorfeld so ausgelegt werden, dass es zu einer minimaler Anzahl von (verlustbehafteten) Umschaltvorgängen und bestmöglicher Ausnutzung des Optimal-Bereiches komme.

Gerüchten zufolge sollen die Autohersteller deshalb bei der AVL bereits Schlange stehen. Im Gegensatz zur Nobelmarke Infiniti, deren Fahrzeuge in kleinen Stückzahlen zu hohen Preisen verkauft werden, schielen Massenhersteller viel mehr auf die Entwicklungskosten, zumal derzeit eine generelle Unsicherheit herrscht, wieviel Entwicklungsgeld man überhaupt noch in das Verbrennungsmotor-Konzept stecken soll. Da scheinen die österreichischen Ingenieure punktgenau einen Nerv getroffen zu haben.

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