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Gentlemen-Racer

Ferrari hat den F12 mit Renntechnik vom Sportwagen zum Gentleman-Racer umgebaut. Der 780 PS starke F12tdf ist auf 799 Stück limitiert.

Text: Jürgen Zöllter/mid
Fotos: Lorenzo Marcinno

Von zahlreichen Narben gezeichnet rollt er vor, der aktuell heißeste Ferrari im Stall der roten Luxus-Marke. Doch was hat man ihm angetan? Der frisch gebackene F12tdF, ein auf 799 Einheiten begrenztes Sondermodell des wunderschön proportionierten 12-Zylinder-Ferrari F12, trägt Wunden.

Beigebracht hat sie die hauseigene F1-Optimierungsmaschinerie, die ihn auf 780 PS hochgerüstet und mit dem tdF-Kürzel gebrandmarkt hat. Die Verletzungen zeugen vom intensiven Krafttraining, von umfangreich implantierter Renntechnik, die die Begehrlichkeit des Zweisitzers steigert.

Doch warum dem straßenzugelassenen Rennsportwagen das Kürzel "tour de France" (tdF) verliehen wird, erschließt sich selbst Ferrari-Kennern erst nach einem Exkurs - und uns nach einigen Runden im Renntempo.

Der Zweitürer stehe in der Tradition des F250 Berlinetta Competizione, sagt Ferrari. Dieser basierte auf dem F250 Europa und trug ebenfalls messerscharfe Renntechnik auf öffentliche Straßen. Das aktuelle Kürzel tdF erinnere an dessen Siege beim französischen Langstrecken-Klassiker der fünfziger und sechziger Jahre.

Er fuhr auf einem verkürzten Radstand für höchste Agilität. Und dieses Thema belebt der neue F12tdF auf moderne Weise: Im Vergleich zum "gewöhnlichen" F12 verfügt der F12tdF über einen "Passo Corte Virtuale", einen virtuell verkürzten Radstand. Doch dazu später.

Zwei Gründe bewegen die italienische Luxus-Sportwagenschmiede Ferrari dazu, diesen polarisierenden F12tdF 799 Mal aufzulegen: Erstens fahren die Roten mit einem Österreich-Stückpreis von mindestens 490.000 Euro (in Deutschland sind es aufgrud der weit geringeren Steuerlast 379.000 Euro) reiche Ernte ein, und zweitens schärfen sie über die implantierte Renntechnik die Marken-Kompetenz. Übrigens: die Kleinserie ist bereits ausverkauft. Lange, bevor ein Kunde den Wagen zu Gesicht bekam.

Wer glaubt, dieser Ferrari passe nicht in unsere Zeit, verkennt dessen Sinnhaftigkeit. Jenseits gewöhnlicher automobilen Bestimmung, dient er ausschließlich als Spielzeug betuchter Männer oder als Geldanlage. Etwa zwei Drittel der Kleinserie werde niemals Benzin verbrennen und in Sammlungen parken, glaubt Ferrari. Wir rücken aus zum Spielen.

Breiter, tiefer, lauter, schneller - und erheblich teurer als der F12 Berlinetta ist das Sondermodell. Sein 6,3 Liter mächtiger und stärkster Saugmotor der Welt in Front-Mittellage befeuert mit beeindruckenden 574 kW/780 PS bei 8.500 Touren. Der durch zahlreiche Kohlefaserteile um 110 Kilo auf 1.520 Kilo erleichterte F12tdF sprintet in 2,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und in 7,9 Sekunden auf 200 km/h. Er soll über 340 km/h schnell sein.

Was sich trocken liest, stimuliert den Speichelfluss des Piloten: Wie ein Schlag ins Kreuz wirkt der Schub, den der Gasfuß initiiert. Der Ferrari springt nach vorn. In 20 Millisekunden schnalzt sein Doppelkupplungsgetriebe die Gänge rein. Derweil verzahnen sich die auf 315/35 ZR 20 gewachsenen Antriebswalzen traktionswirksam mit dem Asphalt. Das Triebwerk posaunt, schreit, jubelt und intoniert das fahrdynamische Spektakel als einzigartiges Event.

Die erste Kurve: Brachial packen die Keramik-Bremsen zu. Sie stammen aus dem Leuchtturm-Projekt LaFerrari. Spitz lenkt der F12tdF ein, für ein Frontmotor-Auto überraschend willig. Am Scheitelpunkt dann aufs Gas, das der Zwölfzylinder im Race-Modus schon beim bloßen Gedanken seines Piloten anzunehmen scheint. In der gleichen Sekunde greifen elektronische Helfer ein. Im Einvernehmen mit der geregelten Quersperre lässt die Traktionskontrolle das Heck spürbar nach außen drängen und erlaubt dem Piloten einen leichten - kontrollierten - Drift.

Wer das Risiko liebt, schaltet die Assistenten aus und pariert die Launen des hecklastigen Sportwagens (46:54 Gewichtsverteilung vorn/hinten) eigenmächtig, wenn er mit Kraftüberschuss am Kurvenausgang blitzartig übersteuert und unter Volllast auf die Gerade hinaus noch im dritten Gang zwei schwarze Streifen in den Asphalt fräst. Jetzt darf auch der Pilot laut jubeln.

Die Faszination schöpft der neue F12tdF aus einer Fülle technischer Teillösungen, die den GT-Sportler zum Rennwagen adeln. Beispielsweise das Aerodynamik-Management: Wie Narben markieren über die Karosserie verteilte Luftein- und -auslässe den erhöhten Luftbedarf von Antriebsstrang und Bremsen.

Finnen am Frontspoiler, Flaps vor der C-Säule, aktive Wings am Heckdiffusor und der hoch gezogene Heckspoiler sorgen für Strömungsverhältnisse, die den F12tdF bei 200 km/h mit 230 Kilo auf den Asphalt pressen. Ferrari-Cheftester Raffaele de Simone spricht von 87 Prozent mehr Abtrieb gegenüber dem F12 Berlinetta. Sein stabiler Geradeauslauf geht auf das Konto dieser Maßnahmen.

Das Entwicklungsziel der Ferrari-Entwicklungsmannschaft lautete: Mit Hilfe von innermotorischen Verfeinerungen, aerodynamischen Optimierungen und Gewichtsreduzierung das Ferrari-Topmodell F12 vom schnellen GT zum "Gentlemen Racer" zu schärfen.

Seine Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits von 340 km/h. Das akustische Versprechen des F12tdF setzt er am sichersten erfahrbar auf der Rennstrecke in betörende Längs- und atemberaubend hohe Querdynamik um. Hier erfahren wir auch die Vorteile des "Passo Corte Virtuale".

Was wie ein Marketing-Gag klingt, ist technisch betrachtet nichts anderes als eine mitlenkende Hinterachse. Sie unterstützt merklich beim Einlenken in Kurven, sorgt für faszinierende Stabilität. Der F12tdF folgt Lenkeinschlägen messerscharf, bleibt absolut spurtreu und erlaubt sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten.

Die neue Achse verleiht dem Frontmotor-Ferrari zwar nicht die Hörigkeit eines Mittelmotor-Renners, neutralisiert jedoch seine Hecklastigkeit. Ein damit verbundener Nebeneffekt: Bei schlafen gelegten elektronischen Helfern verlässt der F12tdF die Haftungsgrenze in Kurven so vehement, dass nur extrem schnelle Reaktionen des Piloten einen Abflug verhindern.

Der neue F12tdF ist kein Sportwagen, den man sich anzieht, um sofort fahrdynamische Grenzen auszuloten. Ihn muss man erst einmal erlernen, sich seinem Potenzial schrittweise nähern. Es gilt, Vertrauen zwischen Mensch und Maschine aufzubauen. Gegenseitig! Denn wenn der Bolide spürt, dass ein Pilot fahrdynamische Entscheidungen in Kenntnis seiner individuellen Fähigkeiten trifft, reagiert er so spontan als könne er dessen Gedanken lesen.

Technische Daten Ferrari F12tdf

Rennwagen mit Straßenzulassung, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,66/1,96/1,27/2,72 mm, Spurweite vorn/hinten: 1673/1648 mm, Leergewicht: 1.520 kg, Tankvolumen: 92 l, Räder vorn: 275/35 ZR20, hinten: 315/35 ZR20, Keramik-Bremsen.

Motor: V12-Triebwerk mit 6.262 ccm Hubraum, Leistung: 574 kW/780 PS bei 8.500/min, max. Drehmoment: 705 Nm bei 6.250/min, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Durchschnittsverbrauch: 15,4 l/100 km, CO2-Emissionen: 350 g/km. Beschleunigung 0-100 km/h: 2,9 s, 0-200 km/h: 7,9 s, Vmax: über 340 km/h, Bremsweg 100-0 km/h: 30,5 m.
Preis in Österreich: ca. 490.000 Euro (Deutschland: 379.000 Euro)

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