AUTOWELT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Schall und Rauch

Eierlegende Wollmilchsau? Wie schnell sich mit 510 PS 1.510 Liter Gepäck im Mercedes-AMG C 63 S T-Modell transportieren lassen, klärt dieser Test.

Bernhard Reichel

"AMG C 63 S T", was für Unkundige wie ein mittelsicheres Passwort klingt, lässt beim Kenner sofort den Puls höher schlagen. AMG mit S ist scharf mit allem.

Nochmals 34 zusätzliche Vollblüter bringen es hier auf aberwitzige 510 PS. Als T-Modell fährt der C 63 im Kombilook vor, es gibt ihn aber auch als klassische Limousine, echtes Coupé oder endlich wieder als Cabrio.

Mit Familienkutschenverkleidung hat man auf jeden Fall das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Gute 1.510 Liter Gepäck lassen sich maximal transportieren, bei aufrechter Rückbank sind es immer noch 490 Liter.

AMG hat reichlich Anabolika, allerdings nicht in den großzügigen Laderaum, sondern unter die Haube gepackt. Den V8-Biturbo-Motor hat man direkt aus dem Supersportler GT transplantiert, was im Vergleich zum Vorgänger moderate vier Liter Hubraum statt 6,2 Liter heißt - den Abgaswerten geschuldet.

Dass zwangsbeamtet nun exorbitante 700 Nm Drehmoment nur auf die Hinterachse losgelassen werden, ist ein attraktiver Trost. Geschaltet wird die Kraft per 7-Gang-Sportautomatik. Im S-Modell ist das Sperrdifferenzial elektronisch geregelt noch souveräner.

Den Wolf im Schafspelz reißt man per Knopfdruck aus dem Schlaf. Im Comfort-Modus spielt der AMG den braven Alltagsmeister ziemlich überzeugend. Sofern man nicht mit den 265er-Gummis auf rutschigen Untergrund kommt, verbirgt er so seine wahre Identität.

Die brave Show demaskiert ein Tritt aufs rechte Pedal. Ungeheuerlich, wie eilig es das Triebwerk hat, die Drehzahlgrenze zu erreichen. Der Vortrieb ist gewaltig aber nicht überwältigend, was wohl auch am Ballast von unzähligen Stellmotoren, Dämmungen und Luxus-Extras liegt.

Das Getriebe ist von der schnellen und elastischen Sorte. Manuelles Schalten per Wippen erhöht den Lustfaktor weiter. Das ESP kommt kaum zur Ruhe. Deaktiviert lässt man die Bestie endgültig von der Leine.

Die Kontrollierbarkeit ist jedoch verblüffend, gerne darfs ein Bisserl quer sein, dafür genügt in Kurven schon ein Hauch von Druck aufs Pedal. Beginnt die Hinterachse wieder Grip zu finden, lässt sich rechzeitig nachdosieren. Das Feedback ist für einen solchen Dinosaurier sehr fein. Der lange Radstand von 2,8 Metern ist ebenso hilfreich.

Die Bremsen packen bei Bedarf ordentlich zu. Das sportliche Fahrwerk lässt sich nochmals straffer einstellen. Die Sportsitze halten die vorderen Gäste stets sicher, die Passagiere im Fond haben es hier schon schwerer, wohl auch deshalb greift der Gurtstraffer hier deutlich massiver und früher ein.

Der Sound leidet unter den Turbos kaum, sofern man sich für die Klappenauspuffanlage entscheidet. Hat man am falschen Eck gespart oder ist diese deaktiviert, ist der AMG von Natur aus akustisch auffallend zurückhaltend, dafür aber wesentlich sozial verträglicher.

Je höher man sich in den verschiedenen Fahrmodi hocharbeitet, desto aggressiver wird der Sound. Herrliches Blubbern, Brabbeln und Bratzeln gibt es aktiviert immer. Im Sport+ gesellt sich schließlich aufmüpfiges Fauchen und Rotzen hinzu.

Im Race-Modus angelangt, knallt, schießt und ballert es, dagegen ist die Silvesternacht eine sanfte Yoga-Sitzung. Obendrein verteilt die Anlage die elektronischen Fehlzündungen nicht obligatorisch, diesen Wohlklang muss man sich erst verdienen.

Und dann dieser Bass, der so wunderbar aus der Tiefe kommt, das hätte selbst Pavarotti nach einem Fass Bohnen nicht besser hinbekommen.

Was verjubelt der edle Krawallmacher am Ende des Tages? 8,4 Liter sollen es laut Norm sein. Mit zehn Litern kann man im richtigen Leben schon auskommen, wer es aber richtig krachen lässt, darf auch mit der doppelten Menge Zaubertrank rechnen.

Besonders positiv fiel noch das wirklich saubere und gut ausleuchtende Licht der LED-Scheinwerfer auf, sowie das richtig scharfe und hochauflösende Bild der Rückfahrkamera.

Gediegene 101.990 Euro wandern für den C 63 AMG S T über den Tisch. Neben der normalen Serienausstattung wie elektrisch verstellbare Sitze, Klimaautomatik, Fahrlichtassistent und Multimediasystem mit Bluetooth-Freisprecheinrichtung gibt es natürlich einiges von AMG oben drauf gepackt.

Etwa Lederausstattung, Sportlenkrad, Sportabgasanlage, Sportfahrwerk, 7-Gang Sportgetriebe mit Race Start-Funktion, Sportsitze und LED Scheinwerfer.

Wer nicht bei 250 km/h elektronisch eingebremst werden möchte, legt im Rahmen des "AMG Driver‘s Package"noch mal 780 Euro drauf, um dann bei 280 km/h erst recht wieder eingebremst zu werden.

Die AMG Performance Sitze gibt es für 2.869 Euro, die sehr empfehlenswerte AMG Performance-Klappenabgasanlage kostet überschaubare 1.473 Euro, die AMG Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage fällt mit 6.175 Euro schon eher auf.

Plus
+ beeindruckende Kraftentfaltung
+ rasante Gangwechsel
+ gewaltiger Sound
+ bissige Bremsen
+ solide Kombi-Qualitäten

Minus
- Wenig Traktion bei Schlechtwetter
- enorme Unterhaltskosten
- Warnblinker nicht in Griffweite

Resümee
Die Verführungskunst des AMG liegt in der Kombination von hoher Alltagstauglichkeit und schierer Leistung. Die Fahrleistungen sind eine Welt für sich, Karosserieform und Luxusballast nehmen die Illusion vom reinrassigen Sportwagen. Aber wen stört das hier schon?

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Pro und Contra – Diskussion auf Puls 4

Auf der Straße festkleben: Protest oder Zerstörungswut?

Vertreter aus der Politik, der Autofahrer-Lobby und von der Letzten Generation versuchen – vergeblich – auf einen grünen Zweig zu kommen: Wie kann man gemäßigt aber zielführend auf ein Thema aufmerksam machen, ohne zu (zu) drastischen Mitteln zu greifen?

Afra Porsche von der Letzten Generation und Gerhard Lustig vom Volksbegehren "Kosten Runter!" diskutieren bei Wolfgang Schiefer darüber, ob Autofahren günstiger werden muss, wie man alle Menschen mobil machen kann und wer das Ganze zahlen soll.

Gut organisiert ist halb geschraubt

Ordnung in der Werkstatt

Ein Handwerksbetrieb kann nur dann funktionieren, wenn alle Geräte nebst Zubehör geordnet und sicher verstaut sind, damit sie bei Bedarf erreichbar sind.

Ein Schritt zurück ist zwei voraus

Das ist der neue VW Golf

Pünktlich zum fünfzigjährigen Jubiläum überarbeitet Volkswagen die achte Generation des Golf. Nicht zu viel wurde verändert, dafür aber zahlreiche wichtige Details.

So wurde der Lamborghini Diablo zum Pop-Hit

Eine Dekade alt: "Maschin" von Bilderbuch

Autos in Musikvideos sind nicht neu. Doch wie die österreichische Band Bilderbuch den gelben Sportwagen in ihrem Musikvideo zu "Maschin" einsetzte, definierte die Grenzen zur Kunst neu. Wir feiern das Video, die Band und den Diablo bis heute – mit euch!

Lexus LBX – schon gefahren

Luxuriöser Einsteiger für Aufsteiger

Ein gewöhnlicher B-Crossover passt nicht mehr zur dienstlichen Position? Dann bietet Lexus mit dem LBX künftig das Passende. Das kleinste Modell der Japaner liefert gewohntes Premium-Flair.