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Godzilla

Für Cineasten ist Godzilla ein japanisches Riesenmonster, für Benzinbrüder ist es der Nissan GT-R. Wir testen den 570 PS starken Supersportler.

Godzilla auf zwei Beinen oder mit vier Rädern: brutal sind sie beide. Beim GT-R beginnt das bei der agressiv-bulligen Optik ohne viel Schnickschnak. Die steile Front mit den großen schwarzen Lufteinlässen scheint alles aufzusaugen, was nicht bei drei von der Straße ist.

Das schräg abfallende Dach bietet gerade einmal Platz für die Köpfe der vorderen beiden Passagiere. Hinten dann je vier in etwa gleich große, runde Öffnungen für Beleuchtung und Auspuff. Oben drauf ein Heckflügel, der auch zum Kitesurfen tauglich wäre.

Warum die Abgasöffnungen so groß dimensioniert sind, erkennen wir nach einem Blick unter die Haube. Da kauert ein ordentlicher V6 Bi-Turbo-Benziner mit 3,8 Litern Hubraum aus Aluminium und wartet auf unsere Befehle. Zusammengesetzt wurde der Motor übrigens von Herrn Tsunemi Ooyama. Ein Schild an der Frontseite der Maschine besagt, dass dieser Takumi – so werden in Japan hochspezialisierte Meister ihrer Zunft genannt – diese zusammengesetzt hat. Er ist einer der fünf Auserwählten im gesamten Nissan-Konzern, die in rund sechs Stunden aus 374 Einzelteilen das Triebwerk für den GT-R fertigen dürfen.

Im Cockpit geht es derweil etwas verspielter zu, ohne dass jedoch die Ernsthaftigkeit eines Supersportwagens auf der Strecke bliebe. Groß und mittig der Tourenzähler, der erst bei 7.000 U/min rot wird. Links davon der Tacho, der bis 340 reicht und damit kaum übertreibt: Nissan gibt die Höchstgeschwindigkeit mit 315 km/h an und wir müssen es auf österreichischen Strassen leider einfach glauben.

Rechts vom Tacho sind eine riesige runde Ganganzeige sowie weitere Infos wie zum Beispiel zu Wassertemperatur und Tankfüllung platziert. Der mittige Screen kann verschieden unterteilt und konfiguriert werden. Unterschiedliche Ansichten zeigen Motor-Lebensnotwendigkeiten wie Motoröl-, Getriebeöl- und Kühlmitteltemperatur, Motoröldruck, aber auch G-Kräfte, Lenkeinschlag, Allrad-Kraftverteilung vorne/hinten sowie Gas- und Bremspedalstellung. Das geht dann schon sehr in Richtung Spielkonsole.

Optik, Haptik und Verarbeitung sind sehr gut. Enge Sportsitze und schöne Kontrastnähte, die laut Aufnäher sogar handgenäht sind. Wer unbedingt was zum Jammern sucht, wird die verwendeten Materialien bekritteln. Die sind nicht immer, was sie vorgeben zu sein. Bedeutet: nicht alles ist Metall, was glänzt und nicht alles Karbon, was ein graues Flechtmuster aufgedruckt hat.

Also dann: wecken wir das Tier. Lautes Brabbeln und beim Hochdrehen ein prägnantes Pfeifen vom Biturbo. Den Wahlhebel des 6-Gang Automatikgetriebes sofort auf D stellen geht nicht, weil der Motor noch nicht bereit ist und einen Gedanken Zeit braucht, bis die Elektronik den Befehl freigibt. Das sollte man wissen, wenn man ihn als Fluchtwagen nutzt. Aber jetzt. Der Gang klackt rein. Hör- und spürbar.

Doch bis er sich richtig wohlfühlt, muß er warmgefahren werden. Der Motor und der Fahrer. Gut, dann mal die drei Tasten in der Mittelkonsole checken. Alle in drei Stufen verstellbar. Bei den Dämpfern gibt es einen spürbaren Unterschied. Sport für meistens und Comfort dann halt zum Abholen der Schwiegermutter, sofern sie aus den niederen engen Schalensitzen wieder rauskommt. Die anderen beiden Tasten regeln Voreinstellungen für das Getriebe und die Stabilitätskontrolle.

Unachtsamkeit ist in diesem Auto jedenfalls nicht angebracht. Die Lenkung ist streng und die breiten 255/40 bzw 285/35 Gummis laufen allen Spurrillen und Unebenheiten nach. Am besten beide Hände ans Volant, denn dieses Monster braucht eine strenge Hand. Die einzige Warnung kommt von einer freundlichen Frauenstimme, die vor fixen Radargeräten warnt.

Zum Schalten gibt es Schaltpaddels am Lenkrad, die in der aktuellen GT-R Generation nicht mehr wie im Rennsport fix an der Lenksäule montiert sind, sondern mitdrehen. Das erweist sich im täglichen Leben als angenehmer – und die meisten GT-R Besitzer werden nicht ständig auf der Rennstrecke unterwegs sein.

Obwohl dieser Supersportwagen sehr wohl rennstreckentauglich ist, lässt er sich wegen des großen Motors mit seinen 637 Nm Drehmoment sehr elastisch fahren.

In der Vierten kann man ab 35 km/h dahincruisen oder bei 195 km/h zuerst in die orange und mit 200 km/h bei knapp 7.000 Umdrehungen in die rote Schaltwarnlampe drehen - dabei sollte man sich vorher versichern, dass man sich auf der deutschen Autobahn befindet.

Diese Schaltwarnanzeige ist übrigens im manuellen Schalt-Modus zwischen 3.000 und 6.300 U/min frei einstellbar und beginnt ihre Empfehlung mit einem grünen Blinken.

Die Sicht nach schräg hinten ist wegen der breiten C-Säule eher schlecht und dem direkten Blick nach hinten liegt ein bisschen das Surfboard am Kofferraumdeckel im Weg. Macht aber nichts. Zum einen gibt es serienmäßig eine Heckcam und zum anderen ist von hinten außer Blaulicht wenig zu erwarten.

Weil wir gerade vom Heck sprechen: der Kofferraum ist mit 315 Liter Fassungsvermögen durchaus brauchbar und die hinteren beiden Sitze sind zur Not auch von Erwachsenen für Kurzstrecken verwendbar.

Weitere erwähnenswerte Zahlen sind zum Beispiel die Beschleunigung – affenartige 2,8 Sekunden auf Hundert und 10,9 auf 200. Daß dieses Teil mörderisch anreißt, muss wohl nicht näher erläutert werden, und dass es enormen Kurvenspeed zulässt, wird dem geneigten Leser auch klar sein.

Dass das Gesamtpaket sehr stark in Richtung „leider geil“ tendiert, wird dem Fahrer immer wieder bestätigt. Die Mitmenschen scheinen einem den Spaß mit diesem Auto nicht zu neiden, im Gegenteil. Sogar auf der Autobahn gibt es im Vorbeifahren aus offenen Autofenstern ein Daumen hoch. Überhohlprestige: sowieso. Unbemerkt bleibt man mit diesem Fahrzeug jedenfalls nicht.

Das ganze kommt mit dieser Leistung noch dazu zu einem vergleichsweise Angebotspreis daher. Rund 220 Euro pro PS macht 124.750 Euro in der üppigen Basisausstattung. Wer unbedingt viel mehr Geld nach Japan überweisen will, bestellt sich den noch weiter in Richtung Rennsport zugespitzten Nismo um 233.400 Euro. Dafür bekommt man 30 PS und 15 Nm mehr Leistung, spart jedoch 27 kg Gewicht ein.

Wegen dem Treibstoff wär´s noch. Nissan gibt einen gemischten Verbrauch von 11,8 Litern auf 100 km an. Das ist eventuell mit einem Holzblock unterm Gaspedal zu schaffen. Mit nonnenhafter Zurückhaltung sind 14,2 erreichbar. Aber wir reden hier über 1,8 Tonnen Supersportwagen – und bei spaßbetonter Fahrweise rinnen schon mal 16 Liter (oder mehr) gutes Super rein. Tja, Monster dürfen auch mal durstig sein.

Plus
+ Racer nach klassischem Sportwagenkonzept, aber mit Allrad
+ reduziertes, dennoch agressives Design, das keinen kalt lässt
+ zähl' bis drei und du bist auf hundert
+ abseits der Sportlerqualitäten vergleichsweise komfortabel
+ gemessen an Porsche & Co. preisgünstig

Minus
- die Monster-Beschleunigung macht süchtig und man ist schnell beim Entzug – des Führerscheins

Resümee
Der Nissan GT-R zieht (fast) jeden sofort in seinen Bann und lässt keinen kalt. Die Optik, gekoppelt mit der renntauglichen Technik und einem – in seiner Leistungs-Liga – günstigen Preis sind unschlagbar. Alle, die sich dafür entscheiden, werden sich abseits der Rennstrecke jedoch sehr kasteien müssen, um im Rahmen der gesetzlichen Straßenvorschriften zu bleiben.

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