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„Weil wir nicht gegen Bäume fahren wollten“

Wir sprachen im Rahmen der Ennstal-Classic mit dem ehemaligen Formel-1-Piloten über die vieldiskutierten Track Limits, die kommerzielle Seite des Sports, sowie wer heuer Weltmeister wird.

Das Interview führten Fabian Bonora und Michael Hintermayer
Fotos: Ennstal-Classic/Peter Meierhofer, GEPA Harald Steiner

Herr Bell, Sie haben im Gruppe-C-Auto drei Mal die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Sie fahren bei der Racecar-Trophy ein Auto aus dem Jahre 1929. Sie wissen also, was Gefahr ausmacht. Waren die Piloten damals nicht wahre Helden?
„Natürlich waren die Fahrer damals nicht so schnell unterwegs. Wir fuhren mit knapp 400 km/h, sie nur mit 200 km/h. Das ist natürlich ein erheblicher Unterschied, aber nichtsdestotrotz sind die alten Autos physisch sehr beanspruchend und sehr schwierig zu fahren. Bremsen haben sie auch keine und sie fühlen sich in der Kurven träge an. Es ist sehr anstrengend für die Schultern. Das 24 Stunden lang zu machen, muss einfach unglaublich gewesen sein.“

Sie haben viele Rennen mit “Strietzel” bestritten. Können Sie uns erklären, was so speziell an ihm war?
„Um gute Ergebnisse in Tourenwagen- oder Langstrecken-Rennen zu erzielen, muss man ein guter Teamkollege sein. Und Strietzel und ich waren sehr kompatibel. Wir haben einen ähnlichen Humor, ähnliche Gedanken über das Leben, wir reden gerne mit hübschen Mädchen. Ich habe ihn als Fahrer immens bewundert und ich denke, er hat auch mich als Fahrer respektiert. Wir haben viele Rennen gewonnen und hätten sogar noch mehr gewinnen können. Aber wir haben damals einige Getriebe-Neuerungen getestet, die Probleme gemacht haben. Weil Porsches Philosophie war ‘jedes Rennen muss eine Entwicklung für die Zukunft sein.’“

Sie meinen das PDK?
„Ganz genau, aber da waren noch mehr Dinge. Doch das PDK hat uns vier große Rennen gekostet. Als wir in Führung waren und das Ding kaputt ging, haben wir immer fünf Minuten verloren.“

Gibt es irgendetwas, das Sie an ihm gehasst haben? Es kann doch nicht immer nur rosig zwischen Ihnen gewesen sein…
„Nein, niemals. Ich konnte ihn nicht nicht mögen. Ich habe nie einen meiner Teamkollegen nicht gemocht, wir waren ja ein Team. Du musst zusammen leben, zwar nicht im selben Bett schlafen, aber du musst gemeinsam arbeiten, die ganze Zeit über.“

Gibt es da irgendeine lustige Geschichte, die Sie erzählen könnten?
„Keine die ich euch sagen dürfte (lacht)!“

Finden Sie, dass die Persönlichkeit der Fahrer aktuell zu kurz kommt – vor allem in der Formel 1?
„Ja, aber daran sind nicht die Fahrer schuld! Das ist die kommerzielle Seite des Motorsports. Ich glaube, die Fahrer genießen noch ihre Zeit. Wenn die wüssten, welchen Spaß wir erst hatten. Ich kenne Mark Webber inzwischen ziemlich gut. Seit er mit der Formel 1 aufgehört hat, hat er sich als Mensch nicht verändert. Er musste sich aber für die Formel 1 verändern, weil jeder andere das getan hat. Aber jetzt genießt er sein Leben und den Prototypen-Sport.“

Verändert diese kommerzielle Seite die Fahrer also?
„Ja natürlich! Aber du musst bedenken, die machen das von Kindesalter an. Lewis Hamilton hatte seit er acht war kein Leben mehr. Er war die ganze Zeit nur noch am Kartfahren, jedes Wochenende an einer anderen Strecke. Er konnte es nie genießen, aber er hat sich nun gedacht ‘Zur Hölle, ich kann doch Spaß haben!’. Jetzt bereist er die ganze Welt in seinem Flugzeug, hat Freundinnen überall und hat ein tolles Leben.“

Werden die Fahrer nicht etwas zu jung?
„Nein, das glaube ich nicht. Ich bin erst mit 23 das erste Mal auf der Rennstrecke gefahren. Das war auch der Start meiner Karriere damals. „

In welchem Auto?
Lotus 7. Mein erstes Rennen habe ich gewonnen, in Goodwood, bei Regen - am 13. März 1964. Ich hatte eine wundervolle Zeit, doch es wäre nicht möglich gewesen früher in den Sport einzusteigen.“

Bereuen Sie irgendetwas in Ihrem Leben?
„Einmal habe ich gedacht, dass ich nicht zu Ferrari wechseln hätte sollen. Einige Leute aus Top-Teams haben gesagt, ich solle das nicht machen, denn das würde meine Karriere ruinieren. Also ich dann dort ankam, realisierte ich erst welche Ehre das war Enzo Ferrari kennenzulernen. Nur mit ihm Essen zu gehen. Manchmal hat er mich sogar persönlich vom Hotel abgeholt. Ich kann mich glücklich schätzen, wie viele Leute haben das schon erlebt?“

„Der arme Michael Schumacher hat Herrn Ferrari niemals getroffen. Er hat zwar vielleicht eine Milliarde verdient, aber hat nie Enzo kennengelernt. Für eine Milliarde hätte ich nicht darauf verzichtet, ihn kennenzulernen, mehr Geld wäre zwar schön gewesen, doch ich hatte sehr viel Glück all diesen Leute begegnet zu sein. Dazu zähle ich natürlich auch Ferdinand Porsche!“

Gibt es eigentlich irgendetwas was Sie noch erleben wollen? Sie müssen doch fast schon alles gemacht haben?
„Man hat doch niemals alles erlebt, aber ich habe auch nichts Spezielles, das ich noch machen möchte. Ich will noch viel reisen und viel Zeit mit meiner Familie verbringen, wir stehen uns alle sehr nah. Ich weiß, wie glücklich ich mich schätzen kann, oder Quester, oder Stuck, weil wir noch am Leben sind. So viele meiner befreundeten Fahrer sind schon verstorben. Ich habe in einem Jahr zwei Teamkollegen verloren. Das kann man nur schwer verstehen, doch so war das damals.“

Wer wird heuer eigentlich Formel-1-Weltmeister?
Lewis Hamilton.

Und weshalb?
Weil er einfach im Moment der beste Fahrer da draußen ist. Er hat eine Superstar-Qualität und einen Charakter, den andere einfach nicht haben. Das sind alles brilliante Fahrer, doch das erinnert mich irgendwie an Mark Webber, der gegen Vettel Zweiter wurde. Es war nur eine Hundertstel-Sekunde zwischen WM-Titel oder Niederlage, aber er hatte einfach nicht diese besagte Qualität. Einige Male hatte er auch einfach nicht das richtige Auto, doch es war das gleiche wie Vettels, die meiste Zeit. Und das gleiche kannst du über die sagen, die mit Schumacher gefahren sind. Schumacher wurde eben Weltmeister, weil er diese Star-Qualitäten hatte, die nur wenige Fahrer hatten - Jochen Rindt, Ayrton Senna, diese Jungs waren einfach besonders.

Und diese Qualität ist schwer zu erklären.
Kann man nicht. Das ist wie wenn man einen besonderen Künstler beschreiben will. Es gibt unzählige Maler da draußen, doch Picasso war einzigartig.

Sie sind in Ihrem Leben so viele verschiedene Rennstrecken gefahren, inklusive des alten Österreich-Rings. Jetzt sind Sie den neuen Ring auch mal gefahren, können Sie uns den Unterschied erklären?
„Der alte Ring war schon etwas anspruchsvoller, weil er einfach sehr schnell war. Als ich das 1000-Kilometer-Rennen hier gewonnen habe, stand ich auf Pole-Position vor dem Ferrari-Werksteam. Ich hatte Jungs wie Mario Andretti und Ronnie Petersen im Rückspiegel, aber ich bin vorher für Ferrari gefahren, also war es in Ordnung. Es war einfach fantastisch hier wieder herzukommen und die Herausforderung zu genießen, mit einem schnellen Auto hier zu fahren, ich habe es geliebt!“


Beim heurigen Grand Prix von Österreich haben sich einige Fahrer beim Überfahren der neuen, gelben Curbs die Aufhängung beschädigt und sich dann naturgemäß darüber beschwert.
„Dann sollten Sie auch nicht über die Curbs fahren. Im Rennen sind sie dann ja nicht mehr über die Curbs gefahren, das haben sie nur im Qualifying. Wenn du in unserer Zeit über den Curb gefahren bist und dadurch nur einen Meter weit gegangen bist, dann bist du in den Büschen oder in einem Baum gelandet. Wir wurden damals eingeschränkt, weil wir eben nicht gegen Bäume fahren wollten. Und irgendwie muss man die jetzigen Piloten auch einschränken.“

„Ich sage nicht, dass das einfach ist. Denn die aktuellen Autos haben so hohe Kurvengeschwindigkeiten, viel schneller als in meiner Formel-1-Zeit und bedingt schneller als in der Prototypen-Ära - der Ground-Effect bei den Porsches spielte dabei eine große Rolle. Rennstrecken waren aber immer schon gefährlich. Wenn ich Bilder aus meiner frühen Zeit sehe, war da sehr wenig, das uns schützen hätte können. Deswegen bist du einfach weniger Risiko eingangen, dass man nicht abfliegt. Ansonsten hättest du dich verletzen können. Zudem sind wir mitten zwischen den Benzin-Tanks gesessen. Du warst umzingelt von Sprit, bei den Füßen und hinter dir. Heute entzündet sich ein Auto Gott sei Dank nur noch selten.“

Aber im Vergleich - Was wäre passiert, wenn ein Fahrer sich in Ihrer Zeit über Curbs beschwert hätte?
„Das haben wir Grand-Prix-Piloten regelmäßig getan! Die Grand Prix Drivers Association (GPDA), welche sehr wichtig war in meiner Zeit, hätte, wenn ein Fahrer gesagt hätte ‘Das sind gefährliche Curbs, da zerstöre ich mein Auto’, etwas getan und vielleicht die Randsteine verändert. Doch es sollte eine Strafe sein, wenn man über die Curbs fährt. Das muss so sein, ansonsten tust du das, was Hamilton im letzten Rennen getan hat. Wenn du so weit gehen musst, dass du die Strecke verlässt, solltest du normalerweise in einer Mauer hängen. Wäre das ein Rennen in meiner Zeit gewesen, wärst du vom Gas gegangen und auf der Strecke geblieben. Rosberg wäre ihm dann auch nicht ins Auto gefahren, weil er sich hätte verletzen können. Das alles spielt aktuell keine Rolle mehr. Aber bitte glaub mir, ich denke, die Fahrer sind alle fantastisch. Wenn du Lewis Hamilton in den Bentley oder einen Porsche 962 setzen würdest, wäre er sehr schnell - Kein Unterschied, ein guter Fahrer bleibt ein guter Fahrer.“

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