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Abgeschobener Namensvetter

Ja, der 914 war ein VW. Und ja, er war auch ein Porsche. Oder weder noch. Darüber ließ sich länger streiten als die Karosserie des Zweisitzers benötigte um durchzurosten.

Im Prinzip war auch an diesem Dilemma der Käfer schuld. Ende der 1960er-Jahre sah sich der VW-Konzern nämlich in der misslichen Lage, zwar immer noch Millionen von Käfern jährlich abzusetzen. Seine Zeit war aber schon lange überfällig, und der hohe Handarbeitsanteil bei der Fertigung machten das Geschäft zusehends unattraktiver. Der damalige Boss Heinrich Nordhoff ließ die Entwicklungsabteilung zwar einen Prototypen nach dem anderen entwickeln, aber keinem davon traute man auch nur annähernd das Zeug zu, den Krabbler zu beerben. Schlauerweise macht man in diesen Situationen der blanken Ratlosigkeit aber dann stets das Richtige: Man widmet sich einer ziemlich unbedeutenden Nebenbaustelle.

Tatsächlich war die Entscheidung zum Golf hin noch Jahre entfernt. Und dennoch kam Herr Nordhoff zum Schluss, dass der Karmann Ghia – VWs schickes Coupé auf Käfer-Basis – ja auch noch einen Nachfolger benötigt. Eine neue Basis gibt es aber noch nicht, also fragt man in der Familie um Rat. Rein zufälligerweise war Nordhoffs Tochter mit Ernst Piech verheiratet, der wiederum der Neffe von Porsche-Chef Ferry Porsche war. Und diese Verbandelung trug natürlich schnell Früchte. Per Handschlag unter Männern wurde ein gemeinsames Projekt vereinbart. VW kümmert sich um die Werkzeuge und die hohen Absatzzahlen, Porsche um die Konstruktion. Produziert sollte das Produkt, das unter beiden Markennamen auf den Markt hätte kommen sollen, natürlich bei Karmann in Osnabrück werden, weil die ja dann nach dem Ghia eh genug Kapazitäten frei hatten – ja und im Endeffekt hatte VW somit einen Nachfolger für ihr kleines Coupé und Porsche endlich einen günstigen Einsteiger-Flitzer.

Aber wie das bei Familienangelegenheiten so ist – das Blatt kann sich schnell wenden. Heinrich Nordhoff wurde 1968 sehr krank und starb nur kurze Zeit später. Der neue Chef in Wolfsburg namens Kurt Lotz erkannte schon kurz nach der Machtübernahme welch riesige Baustelle da noch in der Schublade schlummerte und befand somit recht schnell, dass das letzte, was Volkswagen jetzt benötigte, ein zweisitziger Roadster war. Mündliche Vereinbarung mit Porsche? Damit wollte Lotz nichts zu tun haben. Und mehr noch: Für ihn war klar, dass es sich hier um einen VW handelt, an dem Porsche als Entwicklungspartner natürlich keine Rechte hatte. Aber na ja, nachdem der Wagen jetzt schon einmal fertig entwickelt war, konnte man ihn ja doch auf die Straße bringen.

Man tat dies mit einem interessanten Kompromiss, der der 914 an sich schon ist: Offiziell war der Wagen nicht wahlweise ein VW oder ein Porsche, sondern tatsächlich ein VW-Porsche, was auch stolz auf dem Heck oben prangte. Und wer sich das Auto etwas näher ansah, erkannte auch sofort den offensichtlichen Teilemix. Aus dem Typ-3-Regal stammten Dinge wie Räder, Bremsen und Motor. Die Bezugsstoffe, ein paar Instrumente und ähnliche Spielereien waren dann aber immerhin eigens konstruiert. In der Bevölkerung nistete sich dennoch der Name Volksporsche schnell ein, was den Marketingabteilungen natürlich ein Dorn im Auge war. Der damalige Pressesprecher bittete sogar die Schreiberlinge, das Kürzel “Vo-Po” zu vermeiden, weil das ja die offizielle Bezeichnung für die Volkspolizei der DDR war. Aber wie das nun einmal so ist, wenn man jemanden darum bittet, etwas nicht zu tun – derjenige tut es dann erst Recht.

Es grammelte in dieser Beziehungskiste also von Anfang an, was man bei den ersten Exemplaren im Sinne der Fertigungsqualität sogar wörtlich nehmen konnte. Vom Band liefen von 1969 bis 1976 übrigens fast alle 914er bei Karmann. Nachdem Porsche mit diesem Kompromiss nie wirklich glücklich wurde, konstruierte man einfach weiter, pflanzte den Sechszylinder und die Bremsen aus dem 911 T ein, nannte den Wagen 914/6 und produzierte diese Variante dann auch daheim in Stuttgart. Diese Autos übrigens gelten nebenbei auch als die besten 914, die es zu kaufen gibt. Produkte aus Karmanns Hallen verfielen nämlich nicht selten schnell dem Rost, und bei diesem offenen Mittelmotor war es besonders schlimm, da es Stellen der Karosserie gab, an die nicht einmal ein Tropfen Grundierung gelangte. Durchrostungen ließen also nicht lange auf sich warten.

Vom Fahrverhalten her war der 914 übrigens ein echter Porsche – oder sagen wir, vielleicht sogar ein Fünkchen besser, da die Gewichtsverteilung wesentlich besser war als im hecklastigen Elfer. Aber sein Ende war von Lotz dennoch spätestens dann besiegelt, als der Golf endlich das Laufen lernte, und der Scirocco auf dessen Basis ein würdiger und leistbarer Nachfolger des Ghia wurde. Wobei: Es gab da noch einen Fall, wo VW Porsche damit beauftragte, einen günstigen Sportwagen zu konstruieren. Sogar offiziell mit Vertrag und Unterschriften und so, der dann jedoch ebenfalls von den Wolfsburgern verschmäht wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

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