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Der große Traum

Er ist einer der tragischen Helden der Autogeschichte, obwohl er wirklich das Beste war, was Zastava seinerzeit bauen konnte. Die fehlenden Sicherheitsauflagen im Werk waren da noch das geringste Problem des Yugo.

Roland Scharf

Die Geschichte des Autos mit dem Namen Yugo ist so riesig und komplex, dass man hier eigentlich gar nicht einfach von einem Helden auf Rädern sprechen kann. Was hier alles passiert und wer hier aller mitgespielt hat, daraus hätte Hollywood in den frühen 1980er-Jahren schon eine Hauptabendprogrammserie gemacht. Film und Fernsehen sollten aber auch so auf den kleinen Wagen von hinter dem Eisernen Vorhang aufmerksam werden, wobei daran eigentlich Subaru Mitschuld hat.

Los ging alles im serbischen Kragujevac, wo eine Firma namens Zastava Automobili AD eifrig Fahrzeuge auf Fiat-Basis zusammenschraubte. Der Ostblock verlangte nach solider und robuster Konfektionsware, weswegen man auch das Wort Flagge als Name der Fabrik erdachte (von Crvena Zastava, was „Rote Flagge“ bedeutet, kam man dann doch wieder ab) und dennoch wollte man nicht einfach nur bestehende Modelle umbenennen. Eigene Karosserievarianten zeugten schon davon, dass hier Ingenieure saßen, die das Beste aus der Mangel- und Planwirtschaft herausholen wollten. Und 1980 sah man sich dazu bereit, ein komplettes Auto zu entwickeln.

Heraus kam der Yugo, das Auto mit dem wohl patriotischsten Namen aller Zeiten. Technisch orientierte sich der rund 3,5 Meter lange Kleinwagen stark am ausgereiften Fiat 127. Die Karosserie hingegen war eine komplette Eigenentwicklung, mit der man vor allem eines erreichen wollte: Devisen. Tatsächlich wählte man den einprägsamen Namen auch deswegen, um ihn auf internationalen Märkten leichter vermarkten zu können. Europa ist groß, der Bedarf nach neuen Autos war seinerzeit ungebrochen, und selbst wenn die Technik nicht mehr ganz taufrisch war – in einem Punkt konnte dem Yugo 45 (die Zahl gab die anwesenden PS wider) keiner etwas vormachen: beim Preis.

So günstig war sonst keiner in dieser Klasse, doch genau hier sollte sich ausgerechnet am größten Automarkt der Welt etwas ganz Großes auftun – wenn auch mit zweifelhaften Folgen: 1985 kam der Unternehmer Malcolm Bricklin auf die Idee, mit einem erschreckend günstigen Auto in den USA Chancen zu haben. Bricklin, das war genau jener Mann, der Jahre zuvor mit seiner Eigenkreation, dem SV-1, gnadenlos den Bach runterging. Und es war auch der Mann, der mehr als zehn Jahre früher die ersten Subarus importierte. Aufgrund des sehr geringen Gewichts der ganz frühen Modelle konnte er die meisten Auflagen für Importautos umgehen, sodass aus seinen Bemühungen tatsächlich die US-Tochter von Subaru hervor ging. Nachdem beides aber Geschichte war und es auch mit der Vermarktung italienischer Zweisitzer, die Bricklin so als Zwischenlösung importierte, nicht mehr so recht klappen wollte, machte er sich in Europa auf die Suche nach passenden Fahrzeugen. Und landete bei Zastava.

Die waren natürlich völlig fertig von der Idee, ihr Auto in den Vereinigten Staaten, in der Neuen Welt, dem Epizentrum der begrenzen Unmöglichkeiten anbieten zu können. Ganz so einfach sollte die Sache aber nicht werden. Erstens wollte Bricklin alle Extras serienmäßig haben. Viel davon gab es eh nicht, und dem nicht genug, musste auch ein stärkerer Motor eingebaut werden, mit immerhin 1,1 Litern Hubraum und 55 PS. Wirklich bizarr wurde es erst, als der Amerikaner während eines Werksbesuchs draufkam, unter welchen Umständen die Yugos zusammengebaut wurden. Schweißer zum Beispiel arbeiteten ohne Schutzbrille und meist auch ohne Handschuhe. Um Zeit zu sparen, übernachteten sie in den fertigen Autos, um am nächsten Morgen gleich weiterbuckln zu können. Und die Qualität – na ja, es war nicht ganz auf dem Niveau, wie man sich das vorstellte. Also eröffnete man ein eigenes Fließband nur für die US-Varianten, was aber den Nachteil hatte, dass man schnell neues Personal benötigte, das vom Autobauen allerdings keine Ahnung hatte. Die fertigen Autos waren also meist noch schleißiger zusammengeschustert als die Europa-Varianten.

Wirklich fragwürdig wurde es dann bei Bricklins Kalkulationen. 3.900 Dollar war das anvisierte Ziel, für mehr hätte der arme Yugo keine Chance gehabt. Irgendwie vergaß man aber auf die heftigen Einfuhrzölle, die das ehemalige Jugoslawien seinerzeit hätte abdrücken müssen, sodass man bei Zastava lange Gesichter machte, als ihnen eröffnet würde, sie würden an diesem Deal im Endeffekt gar nichts verdienen.

Aber egal, so könne man wenigstens mehr Leute beschäftigen und in weiterer Folge, wenn das Geschäft in den Staaten erst einmal angelaufen ist, würde schon einmal der ein oder andere Dollar übrig bleiben. Als die Markteting-Maschinerie anlief und man bewusst mit dem, sagen wir, einfachen Charakter des Yugo kokettierte – aber dafür sei er ja konkurrenzlos billig – sah es tatsächlich relativ gut aus. Sogar eine Sportversion gab es zum Schluss, mit wilder Verkleidung und noch ein paar PS mehr, aber das änderte gar nichts an der Tatsache, dass man den Amis die miserable Qualität auch nicht über einen winzigen Preis einreden konnte. Kaum ein Kunde war je mit seinem neuen Zastava zufrieden, das Image rasselte im Eiltempo Richtung Null, und als Konsumentenschutzvereine und recht bald auch die Medien das Thema aufgriffen, war es eigentlich schon vorbei.

Das heißt aber nicht, dass man in Kragujevac aufgeben würde. Gut, war halt nix mit den Staaten, konzentriert man sich halt auf Europa. Einen 1,3-Liter-Motor von Fiat ließ man sogar extra bei Porsche überarbeiten und rüstete ihn mit einer modernen Einspritzung aus, um in Deutschland punkten zu können. Anfang der 1990er allerdings war der Yugo an sich schon zehn Jahre alt, die technische Basis, der Fiat 127, bereits 20, ws aber immer noch nicht das größte Problem gewesen wäre. Schlimmer war da der startende Krieg in Ex-Jugoslawien und die daraus hervorgehenden Handels-Embargos, wobei alles 1999 in einem völlig zerstörten Werk endete.

Man muss der Mannschaft aber wirklich Hochachtung aussprechen, denn so schnell gab man sich nicht geschlagen. Tatsächlich bastelte man in den zerstörten Werkshallen noch in den Nuller-Jahren Autos zusammen, sogar eine Cabrio-Version, aber der Turnaround war da nicht mehr zu schaffen. Der Yugo war nach 20 Jahren Geschichte, wobei die eigentliche Ironie an der Geschichte ist, dass Fiat, die ursprünglichen Technik-Lieferanten für Zastava, das Werk übernahm und modernisierte. Und zwar aus dem Grund, weil es dann ein Freihandelsabkommen zwischen Serbien und den USA gab.

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