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Zwischen den Stühlen

Sie kam in einer Zeit des blanken Chaos und fehlender Budgets. Dass es um die Princess aber derart schlimm stehen würde, lag im Endeffekt nur an einer völlig verplanten Strategie der gesamten Management-Riege.

Roland Scharf

Es wäre mehr als nur unfair, zu behaupten, der oder die Princess war einfach ein schlechtes Auto. Um die Tragweite dieser Tragödie zu überreißen, muss man sich das komplette Gefüge des Molochs ansehen, das man damals Konzern nannte: British Leyland. In den Siebzigern beherrschten Streiks und planlose Manager das Geschehen. Autos zu bauen und neue Modelle zu entwerfen, ging meist als lästige Nebenbeschäftigung unter. Auch wenn die schlauen Köpfe in den Entwicklungsabteilungen durchaus kapierten, was der Markt derzeit verlangen würde. So auch 1975, als der Princess auf den Markt kam.

Die Kaste der noblen Mittelklasse fing langsam an, zu wachsen. Man wollte nicht nur fade Konfektionsware, sondern das gewisse Etwas. Aber das mit verträglichen Abmessungen und zu fairen Preisen. Die Briten erkannten diese Dinge immer schon sehr früh. Aber sie umzusetzen, war in dem Vielmarkenunternehmen alles andere als leicht. Das Design war cool und modern, und ja, der Rest ging dann schon nicht mehr so glatt über die Bühne. Natürlich wusste man, dass eine große Heckklappe richtig wäre. Da hatten aber die Jungs von Rover etwas dagegen, die das schon für ihren SD1 planten, der 1977 auf den Markt kommen sollte.

Die Kunden sahen also ein Auto, das die Optik eines Schräghecks hatte. Die winzige Heckklappe gab aber nur eine winzige Öffnung frei, was den Wagen mehr als nur unpraktisch machte.

Dann wären moderne Motoren natürlich toll gewesen. Aber die hätte man erst entwickeln müssen. Also griff man auf die Aggregate des Vorgängers zurück, und als Topversion kam ein 2,2-Liter-Reihensechszylinder zum Einsatz, den man quer unter die Haube quetschte. Das überforderte aber wieder die Antriebswellen maßlos, die wie im Zeitraffer kaputt gingen und für viel Frequenz in den Werkstätten sorgten – fast schon ab dem Tag der Auslieferung. Jetzt gesellten sich noch die üblichen Pfuschereien dazu, die seinerzeit bei British Leyland an der Tagesordnung waren. Miese Lackierungen, schlecht montierte – oder gar fehlende – Teile, unwillige Vergaser, eine Elektrik, die genau so gerne streikte wie ihre Monteure, und zum drüberstreuen natürlich das allseits beliebte Thema Rost.

Das war aber immer noch nicht alles, denn dann war da noch die interne Rivalität. Die Jungs von Austin hassten die Jungs von Morris. Und die von Wolseley? Waren auch nicht beliebter. Es war also jeder gegen jeden, und entsprechend gab es nach wie vor unterschiedliche Vertriebsnetze, was aus finanzieller Sicht natürlich ein unglaublicher Wahnsinn war. Aber die Umstellung dauerte sechs Jahre (ja, sechs!) auf ein einheitliches BL-Händlernetz, weil sich einfach alle Beteiligten immer quer legten, also blieb nichts anderes übrig, als den Princess einfach unter allen drei Marken auf den Markt zu bringen. Das machte die rechnerische Seite des Projekts natürlich noch schwieriger, viele Kunden waren erst recht unzufrieden, weil sie sich von einem Austin, einem Morris oder gar einem Wolseley etwas völlig anderes erwarteten als einen umgelabelten Austin, Morris oder Wolseley, und so kam nach nur wenigen Monaten, was kommen musste: Die Kassen waren endgültig leer, und British Leyland musste verstaatlicht werden, um zu überleben.

Ab jetzt wurde radikal ausgemistet. Und zwar so sehr, dass man gleich alle drei Varianten strich und der Princess zwischen den Stühlen stand. Als man das bemerkte, beließ man es einfach dabei und ließ den armen Kerl fortan so weiterlaufen – ohne Marke, mit den üblichen Mängeln und all den Dingen, die die Käufer schon von Beginn an bekrittelten.

So beließ man es für drei Jahre, bis man sich endlich zu einer Überarbeitung durchringen konnte, zahlreiche Fehlerquellen beseitigte und neue Motoren verbaute. An die Heckklappe dachte aber nach wie vor niemand. Die kam erst 1980, als aus dem Princess der Ambassador wurde: Im Prinzip das gleiche Auto, aber mit anderer Front, anderem Heck und der großen Kofferraumöffnung – doch half das dann auch nichts mehr. Die Konkurrenz war um Jahre voraus, und schnell wurde klar, dass es schön langsam um die Wurst ging. Wolseley und Morris kehrten nicht mehr zurück. Nur Austin, zumindest noch ein paar Jahre, und irgendwie redet man hier ewig über alles mögliche, aber nie über das Auto an sich. Schade, oder? Jep, und genau so erging es dem Princess schon zu Lebzeiten.

Sein Design nämlich war wegweisend, und sein Komfort (so die Technik funktionierte) herausragend. Hydragas verband über Leitungen die Federn (keine Schraubenfeder, sondern mit Flüssigkeit gefüllte Gummipackln) von Vorder- und Hinterrad. In ihnen floss eine spezielle Hydraulikflüssigkeit, benötigte aber keine aufwändige Zentralhydraulik wie Citroens Hydropneumatik, weil es sich um ein geschlossenes System handelte. Diese ausgleichende Federung wog einen über Unebenheiten, hielt das Auto dennoch stets stabil und aufrecht. Eben wie man es sich von einer echten Princess erwarten würde. Nur bekam das leider irgendwie niemand mit.

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