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Helden auf Rädern: Chrysler CCV

Was wäre wenn

Beinahe hätten es ausgerechnet die Amis geschafft, eine Neuauflage des 2CV auf die Straße zu bringen. Mit durchaus spannenden Ansätzen und niedrigen Preisen. Doch genau da machte ihnen ein neuer Konkurrent am Ende das ganze Projekt madig.

Roland Scharf

Was stellt man sich landläufig unter einem amerikanischen Fahrzeug vor? So ganz klassisch jetzt, allen Klischees passend, hm? Richtig, da kommt einem sofort ein mindestens fünf Meter langes Schiff in den Sinn, mit Heckantrieb, Starrachse, V8 und Automatik. Viel Chrom, wenns noch irgendwie geht, bitteschön. Aber ausgerechnet die Big Player des Business aus Detroit, wobei diese Bezeichnung in diesem Fall wirklich wörtlich zu nehmen ist, glänzten zwischendurch dann auch mit dem krassen Gegenteil. So winzig wie möglich, bitte! Und weil der Gewinn immer an oberster Stelle stand, durfte es dabei auch kein herkömmliches Auto sein, weil: Je günstiger ein Auto angeboten wird, desto geringer ist die Marge für den Hersteller. Die Entwicklung eines großen Fahrzeugs kostet schließlich nicht weniger als die eines kleinen, wenn nicht sogar weniger. Schließlich ist es aufwändiger, alle notwendigen Dinge in Winzlinge zu quetschen. Chrysler hatte vor 25 Jahren so Anwandlungen, eine Art Basisauto für die dritte Welt zu kreieren. Das durfte natürlich nicht viel kosten. Also musste man von Grund auf alles einmal komplett überdenken.

Los ging es bei der Karosserie. Um Rohstoffe zu sparen, formte man aus mehr als 2.000 alten Plastikflaschen die komplette Karosserie, die nur mehr aus vier Teilen bestand. Ein komplexer Vorgang, wo das Altplastik unter mehr als 9.000 Tonnen Druck in die neue Form gepresst wird. Das war aber nicht nur gut für die Umwelt. Die Karosse war zudem sehr steif, aus nur einem einzigen Stück und da man schon im Druckverfahren Farbe beimengen konnte, ersparte man sich den anschließenden Lackiervorgang. Der Lohn der Mühen: das Kastl wog nicht einmal 100 Kilogramm. Fertig ausgeschnitten, klebte man die Karosse dann an ein einfaches Chassis und hängte die ebenfalls aus Trinkflaschen hergestellten Türen ein. Klimaanlage? Ein großes Faltdach musste reichen.

Als Antrieb nahm man von Zulieferer Briggs & Stratton einen luftgekühlten V2-Zylinder-Benziner mit 800 Kubik und flockigen 25 PS, die ihre Power an ein Vierganggetriebe und schlussendlich an die Vorderräder weiterleiteten, und zwar bis zu einem Topspeed von 100 km/h. Wer jetzt alles zusammenrechnet, kommt auf keine 600 Kilogramm Leergewicht, was nicht minder beeindruckend ist wie die Fertigungsdauer von gerade einmal sechs Stunden. Zum Vergleich: ein damaliger Chrysler Neon benötigte 17 Stunden, bis er aus eigener Kraft von den Produktionsbändern rollen konnte. Alle Vorzeichen für einen niedrigen Einstandpreis waren also durchaus gegeben.

Als Name kam CCV dabei heraus. Eine gewisse Ähnlichkeit zum 2 CV ließ sich spätestens jetzt nicht mehr absprechen, und manch Entwickler gab unter der Hand auch zu, dass man hier versuche, eine Art moderne Neuauflage der Ente zu bauen. Wobei sich dann vermutlich die Anwälte eingeschaltet haben – denn die Namensgebung wies natürlich nur rein zufällig Ähnlichkeiten auf. So stand die Abkürzung CCV ja für China Concept Vehicle, was einmal mehr zeigt, was man sich damals noch als adäquates Vehikel für den mittlerweile größten Luxusautomarkt der Welt vorstellte. Dennoch änderte man die Interpretation rasch auf Composite Concept Vehicle um, um ja niemandem auf den Schlips zu treten, schon gar nicht den anderen vielversprechenden Schwellenländern. Doch all das änderte nichts am fantastischen Preis. Rund 5.000 Euro waren angesetzt worden, und so wirklich dachte niemand, dass dieses Auto kein Erfolg werden konnte. Bis die Realität zuschlug.

Egal wie groß oder schwer – jedes Auto muss die aktuellen Sicherheitsvorschriften erfüllen. Und das ist bei einem Auto aus Pressplastik, ganz frei von Airbags und Fahrhilfen, natürlich nicht so easy. Vermutlich schreckte Chrysler einfach davor zurück, weil sie wussten, dass all diese Features das Auto viel schwerer und teurer – und damit unattraktiv machen würden. Zudem stellte sich in einer Zeit als die PS-Eskalation gerade so richtig los ging natürlich auch die Frage, ob jemand wirklich eine Neuauflage des 2CV haben wollen würde, zumal die echte Ente seinerzeit noch recht preiswert zu haben war. War sich der Vorstand bis dahin noch nicht sicher, dürfte im Endeffekt der Zusammenschluss mit Daimler mit all den Rationalisierungsmaßnahmen und dann auch noch das Auftrumpfen von Tata der Todesstoß für dieses innovative Konzept gewesen sein.

Die Inder bauten nämlich mit dem Nano ein echtes Low budget-Auto, das allerdings alle Insignien eines echten Autos trug. Also eine Stahlkarosserie inklusive Lackierung hatte, und auch mehr als nur zwei Zylinder sowie eine echte Wasserkühlung. Kurz gesagt: Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde es um Chryslers vielleicht ambitioniertestes Projekt ganz schnell ganz ruhig – und die Plastikflaschen landeten alle wieder auf dem Müll, wobei: Zwar gab es mit dem Pressverfahren durchaus seine Probleme. Man lernte aber eine Menge dabei und konnte so zumindest im Anschluss die Hard tops des Jeep Wrangler damit produzieren.

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