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Helden auf Rädern: Puma GT

Nehme, was komme

Der Puma ist streng genommen kein Auto, sondern drei. Aber nie auf einmal, aber doch teilweise gleichzeitig. Und ähnlich verwirrend wie die Konstruktionen sollte die gesamte Firmengeschichte verlaufen.

Roland Scharf

Die Fahrzeugproduktion in Brasilien war in den 1960er-Jahren kräftig im Aufwind. Damals wähnte man sich auf dem aufsteigenden Ast, Industrien entwickelten sich schnell, der Anschluss an die führenden Industrienationen lag durchaus im vorstellbaren Bereich. No na, dass hier die Autos eine Schlüsselrolle einnehmen sollten. Das zeigt sich nicht nur daran, dass sich viele europäische Firmen wie etwa VW oder DKW in Brasilien niederließen, um den hohen Importzöllen zu entgehen. Auch heimische Tüftler fühlten sich dazu berufen, etwas eigenes auf die Beine zu stellen. Die Europäer brachten nämlich nur etwas veraltete Großserienkonfektionsware mit. Nichts sportliches aber.

Auftritt Genaro Malzoni. Der Rechtsanwalt aus Sao Paulo hatte eine Vision in Form eines sportlichen Zweisitzers, der anfänglich aber nur als Homologationsmodell für diverse Rennserien herhalten sollte. Die Konstruktion sollte also nicht zu aufwändig und teuer sein, also sah man sich um, welche Technik brauchbar und vor allem günstig zu erwerben war. Fündig wurde man bei DKW. Die verbauten zwar nur Zweitakt-Motoren, sportliche Gene waren da aber durchaus zu finden, weswegen man auch den Frontantrieb sehr gerne in Kauf nahm. Wie damals bei Kleinstserienherstellern weit verbreitet, verwendete auch Malzoni eine Rohrrahmenkonstruktion mit aufgesetzter GFK-Karosserie, und da man sich aufgrund dieser Bauweise jede Menge Gewicht einsparte, konnten mit der öden Großserientechnik erstaunliche Ergebnisse erzielt werden. Der Name Puma schien also durchaus gerechtfertigt.

Um es kurz zu fassen: Die autobegeisterte Fraktion rund um Sao Paulo war begeistert, zudem natürlich ein gewisser Nationalstolz mitschwang, und Malzoni sah sich schon im ersten Jahr gezwungen, über eine kleine Serienproduktion nachzudenken. Das spülte zwar einige Kohle in die Kassen. Brachte aber auch ganz neue Herausforderungen mit sich. In den Sechzigern gingen nämlich auch die großen Firmenübernahmen in der alten Welt los, und DKW – damals schon finanziell nicht mehr wirklich gesund – überlebte anfangs noch unter der schützenden Hand von Mercedes einige Zeit lang. Als VW den Laden 1964 nämlich übernahm, hatte man keine große Lust, einen alten Mitbewerber ihres Käfers unnötig lang am Leben zu halten, zumal man in Brasilien sogar extra eine Dependance hochzog. Und genau VW do Brasil sollte für Puma eine wichtige Rolle spielen.

So kam es, dass nach dem Auslaufen der DKW-Modelle Malzoni bei Volkswagen vorstellig wurde. Zwar musste die brasilianische Regierung den Wolfsburger Autobauer sanft dazu zwingen, die Technik herauszurücken. Aber mit zahlreichen steuerlichen Zuckerln beim Bau der Fabrik hatte man durchaus starke Argumente in der Hand. Und ein brasilianisches Eigenprodukt musste man schließlich am Leben halten. Dieser Technik-Switch hatte zudem einen kleinen Vorteil. Endlich war man den Frontantrieb los, denn nun kam der übliche VW-Rahmen mit Boxermotor im Heck zu Einsatz, und zwar in der Version des Karmann Ghia, die man nur noch etwas kürzen musste, um unter die fast unverändert übernommene Karosserie zu passen.

Derart bestückt, trat Puma in ihr glorreiches Zeitalter ein. Die Auftragslage war mehr als stabil, gab es neue und größere Motoren für den Käfer, wanderten diese auch immer gleich in den Puma. Auch als in Europa der Golf schon an der Macht war, profitierte der Puma in Brasilien davon, dass man bei VW vor Ort mit dem Brasilia lieber weiterhin auf die klassische Antriebsform vertraute – und dennoch: Dabei wollte Malzoni nicht ewig bleiben, weswegen er das gewagte Unterfangen startete, ein zweites Modell zu lancieren. Dieser XXXX genannte Wagen sah nicht nur völlig anders aus. Er vertraute auch auf einen ganz anderen Technikbaukasten, der zudem von einem völlig anderen Hersteller kam: General Motors! Das bedeutete also: Eine Marke verwendete zumindest kurzzeitig die Motoren von zwei echten Erzfeinden – das aber durchaus mit großem Erfolg. Der GTO, und später der GTB zielte nämlich auf eine ganz andere Zielgruppe, war mit Ledersitzen und sogar Klima für die Siebziger-Jahre üppig bestückt, und zudem konnte dank der Technik des Chevy Opala (grob verwandt mit Opel Rekord) mit 4,1 Litern Hubraum und Heckantrieb geordert werden.

Es war eine wilde Zeit, und die Puma-Modelle spiegelten den Zeitgeist einer Epoche sehr schön wieder, wo man in diesem Land tatsächlich an den großen Aufbruch und daran glaubte, dass es immer nur mehr aufwärts ging. Bis nichts mehr ging. 1980 folgte der große Krach. Brasiliens Industrie war extrem überhitzt und überbewertet, jahrelange Fehlplanung und fehlende Investitionen kamen schlagartig ans Tageslicht, und schlagartig wurde jedem klar, dass man schon länger nicht mehr im Begriff war, den Anschluss an die führenden Industrienationen zu schaffen. Man bewegte sich unbemerkt im Taumel des Fortschrittglaubens seit geraumer Zeit schon rückwärts. Das trübte natürlich die Kaufkraft, und Puma litt darunter natürlich besonders. Nicht nur wegen der trüben finanziellen Lage. In einer wirren Phase beschloss die Regierung auch noch, die Importauflagen für ausländische Fahrzeuge wurden dermaßen gelockert, dass aufgrund der technisch ausgefeilten Konkurrenz aus Japan und Europa die GTs und GTBs schlagartig veraltet dastanden. 1984 kamen nur mehr 100 Stück in neue Hände, was im Vergleich zu den vierstelligen Produktionszahlen der 1970er eigentlich schon deutlich machte, dass hier bald die Lichter ausgehen würden.

Und so war es dann auch. Unter neuer Führung versuchte man zwar mit immer neuen Facelifts die Fahnen weiterhin hochzuhalten, es wollte aber einfach nicht mehr gelingen. Und so dürfte der größte Coup des neuen Eigentümers Niveo de Lima nach Beendigung der Produktion 1993 wohl gewesen sein, die Namensrechte an Ford zu verkaufen, die damit bis heute in Europa Modelle anbieten. Aber auch nur dort, wohl gemerkt, denn für den amerikanischen Kontinent gilt diese Abmachung nicht, wobei man sich nur deswegen keine all zu großen Hoffnungen machen sollte, dass doch noch einmal ein neuer Puma lanciert werden sollte.

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