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Das kleine 1x1 des Elektromotors
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Das kleine 1x1 des Elektromotors

Es heißt, der Motor eines Elektroautos sei eine simple Konstruktion und bestehe nur aus wenigen Bauteilen. Die Einfachheit der Konstruktion endet hier aber schon wieder. Und es öffnet sich eine bislang weitgehend unbekannte Welt mit nur wenigen gemeinsamen Nennern.

Roland Scharf

Über die eine – meist rote – Leitung laufen die Ampereschweinchen von der Batterie zum Motor, treiben diesen an und laufen anschließend über die zweite – meist schwarze – Leitung wieder zurück. Ein gewohnter Prozess, den man in der modernen Welt wirklich andauernd um sich hat. Es reicht ja schon ein Blick über die eigene Schulter. Egal ob elektrische Zahnbürste, der Kaffeevollautomat, die Drohne vom Sohnemann oder der Mixer in der Küche, Elektromotoren sind seit Jahrzehnten unter uns und verrichten weitgehend im anonymen Bereich ihren wartungsfreien Dienst. Auch in jedem herkömmlichen Auto – und wenn es nur der Scheibenwischermotor ist. Interessiert hat uns bislang kein einziger davon, da sie ja wirklich nie auf sich aufmerksam machen, doch mit der steigenden Verbreitung der Elektroautos rückt ein Thema immer mehr ins Zentrum, mit dem sich mit Ausnahme der betroffenen Ingenieure so wirklich noch niemand beschäftigt hat: Was steckt da eigentlich unter der Haube?

Grundsätzliches
Was wirklich alle gängigen Versionen des Elektromotors eint, ist die Art der Funktion. Zum Einsatz kommt der Effekt des Magnetfelds, dessen Grundprinzip der Anziehungs- und Abstoßungskräfte zwischen Nord- und Südpol dazu genutzt wird, eine Welle zum Rotieren zu bringen. Man kennt das ja von Magneten, die – je nachdem, wie man sie hält – sich entweder anziehen oder abstoßen. Genau diesen Effekt kann man auch mit Magnetfeldern erzeugen, die entstehen, sobald man an Teile aus bestimmten Metallen Strom anlegt. Ja und das ist die Basis für wirklich alle Elektromotoren. Jetzt geht es nur noch darum, all das richtig in einem kompakten Gehäuse anzuordnen.

Vom prinzipiellen Aufbau muss man sich das vereinfacht so vorstellen: Im Gehäuse, auch bekannt als Stator, stecken ein Nord- und Südpol, bestehend aus den oben erwähnten Metallen. Auf der anzutreibenden Welle, dem sogenannten Rotor, sitzt in Form eines klassischen Magneten ein permanent aktives Magnetfeld. Speist man jetzt Strom in die Pole des Stators, sind die dort verbauten Nord- und Südpole sozusagen aktiv. Es entsteht ein zweites Magnetfeld, das so gepolt werden kann, dass das N des Stators das N des Rotors abstößt: Die Welle fängt an, sich zu drehen. Damit sie aber nicht beim Südpol des Stators stehen bleibt (die Pole des Rotors werden von den gegenüberliegenden Stator-Polen ja gleichzeitig auch angezogen), muss man nach spätestens 180 Grad Drehung der Welle die Polung des eingespeisten Stroms schnell umdrehen, das Magnetfeld also neu ausrichten, was bedeutet: aus dem Südpol einen Nordpol machen und umgekehrt. Und schon wird der Rotor auch auf der anderen Seite des Stators abgestoßen. Die Welle dreht sich weiter und weiter. Dieser permanente Wechsel der bewegten Ladungen ist auch der Grund für die hohe Effizienz des E-Motors, da er eine doppelte Art der Abstoßung und Anziehung bewirkt, schließlich werden N und S des Rotors jeweils weitergedrückt. Und er ist auch der Grund, warum sich Wechselstrommotoren immer mehr durchgesetzt haben und Gleichstrommotoren mit ihrem komplexeren Aufbau (es benötigt einen sogenannten Kommutator, der die Polung immer umdreht) mittlerweile ein Stück Geschichte sind. Die Umpolung des Stator-Magnetfelds nach jeder halben Umdrehung, diese einfachste Form des Elektromotors, lässt sich mit moderner Steuerung natürlich noch deutlich aufrüsten. Man stelle sich zum Beispiel nicht nur zwei Pole im Stator vor, sondern zum Beispiel derer zehn. Die Pole des Rotors werden bei schlauer Programmierung also quasi von einem Magnetfeld zum nächsten gereicht, was gewaltige Kräfte freisetzen kann.

Die Vielfalt der Gleichheit
Im Laufe der Jahrzehnte hat es natürlich endlose Varianten und Formen gegeben, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Alle hier aufzuzählen, würde nicht nur den Umfang, sondern auch das Auffassungsvermögen selbst des geneigtesten Lesers sprengen. Es wäre auch sinnlos, diese hier zu erwähnen, da die meisten ihre Vorzüge nur im stationären Betrieb und/oder mit fixer Stromversorgung per Kabel ausspielen können. In einem Kraftfahrzeug hingegen gibt es ganz andere Herausforderungen zu bewältigen, weswegen sich einige wenige Konzepte durchgesetzt haben, die vom Wirkungsgrad schon sehr nahe an der 100-Prozent-Grenze liegen. Zwar ist es richtig, dass manche Systeme noch effektiver laufen. Vor allem aber bringen die in E-Autos verwendeten Varianten die nötige Flexibilität mit, können bei unterschiedlichsten Drehzahlen betrieben werden, arbeiten im Schubbetrieb als Generator zur Stromgewinnung und sind vor allem einigermaßen kompakt und leistungsstark. Wobei hier die leistungsstärkste Form nicht unbedingt die schlaueste ist.

Eine Frage der Erregung
Grundsätzlich unterscheidet man die verwendeten Antriebsformen in Synchron- und Asynchronmaschinen. Hierbei geht es darum, ob der Rotor synchron mit dem Drehfeld des Stators, also besagtem Umpolen, läuft oder eben nicht. Die Synchronmaschine hat dank des gleichgeschalteten Laufs den Vorteil, in unterschiedlichsten Drehzahlen betrieben werden zu können. Zudem arbeitet sie bei Rekuperation auch als Generator. Sie bietet also alles, was ein E-Auto für die Basisfunktionen benötigt. Damit sie dies allerdings tun kann, braucht sie eine aufwendige Leistungselektronik. Asynchronmaschinen hingegen haben einen Rotor, der dem Drehfeld des Stators immer nachläuft. Dieser Makel ist aber nicht zwingend ein Nachteil. Zwar geht dadurch Wirkungsgrad verloren (die Wellendrehzahl ist immer geringer als die Frequenz des elektrischen Spannungsfelds), doch ist die Technik weit billiger herzustellen, extrem robust und lang haltbar. Seine Eigenheit, keine Bremswirkung zu haben, sobald kein Strom anliegt, prädestiniert ihn gemeinsam mit der schlechten Regelbarkeit der Drehzahl zwar nicht zur bevorzugten primären Antriebsform. Kurzzeitig kann man sie aber stark überlasten, also richtig Dampf von ihnen abrufen. Deswegen werden Asynchronmotoren gerne als zweites Triebwerk in E-Autos eingesetzt, jedoch praktisch nie als Hauptmotor. Im Gegensatz zum Synchronmotor. Er ist im Vergleich zum proletarischen Asynchronkollegen mit Hooligan-Schlägerqualitäten der Bildungsbürger mit weißem Hemdkragen. Ob er aber wirklich sauber ist, hängt von einem weiteren großen Unterschied ab, der manche jetzt sicher zum Glucksen bringen wird: Ist er permanent erregt oder fremderregt?

Wahrheit in der Erde
Ob es sich um einen permanenterregten oder einen fremderregten Synchronmotor handelt, hängt davon ab, wie das Magnetfeld auf dem Rotor zustande kommt. Bei den Permanenterregten steckt also ein spezieller Magnet drinnen, der sich permanent um die Aufrechterhaltung des Magnetfelds kümmert. Es entfallen dadurch zahlreiche notwendige Bauteile, was die Effizienz steigert, den Verbrauch senkt. Zudem gelten sie als praktisch wartungsfrei, weswegen die Fremderregte Motoren haben Mehrheit der Hersteller dieses Motorenden Vorteil, weit weniger seltene prinzip verwendet. Allerdings benötigt man für die verwendeten Magnete seltene Erden, was auch nicht unbedingt toll zu vermarkten ist und in einigen Jahren zum echten Problem werden kann. Im Gegensatz zu den fremderregten Synchronmotoren. Hier kümmert sich ein elektrisch erzeugtes Magnetfeld auf dem Rotor um den Vortrieb, es sind also keine exotischen Rohstoffe notwendig, was natürlich auch die Kosten deutlich reduziert. Daher kommen diese Aggregate gern bei kostengünstigen E-Autos zum Einsatz, wo man aufgrund der kleinen Akkus aber die schlechteren Wirkungsgrade auch eher spürt. Schließlich benötigt man noch ein paar Ampere extra, die zuerst in den Rotor gespeist werden müssen, um diesen entsprechend zu polarisieren. Zudem gelingt diese Stromaufnahme oftmals über spezielle Kontakte, die natürlich verschleißen können und am Wirkungsgrad knabbern. Doch all das könnte sich demnächst grundlegend ändern.

Feinere Regelung
Der Zwang zu preiswerteren Fahrzeugen ließ die Entwicklung immer stärker in Richtung der Hooligans zielen, die man scheinbar endlich zu einem ordentlichen Haarschnitt zwingen konnte. BMW und Zulieferer Mahle präsentierten ihre künftigen Aggregate, die jeweils auf Fremderregung vertrauen, dies aber durch gezielte Einspeisung der benötigten Menge Strom für die Erzeugung des Magnetfelds im Rotor wesentlich effektiver gestalten können. So lässt sich der ganze Motor feiner regeln, sodass sein großer Pluspunkt, nämlich der variable Betriebspunkt, endlich voll ausgenutzt werden kann.

Dem nicht genug gilt er auch als verschleißfrei, da die Stromübertragung nicht mehr über Bürsten, sondern induktiv – also berührungsfrei – erfolgt, was alles in allem wohl einen wichtigen Generationssprung darstellen wird. Neben den deutlich geringeren Kosten gibt es auch eine für die Massenhersteller wichtige Rohstoffsicherheit, da wie gesagt keine seltenen Metalle mehr nötig sind, was auch die Umweltverträglichkeit drastisch verbessert. Und abgesehen von all dem kann durch die neue Stromsteuerung ein Wirkungsgrad von 95 Prozent erzielt werden. Das liegt nicht nur auf Formel E-Niveau, sondern auch leicht höher als bei den derzeit angesagten permanenterregten Kollegen.

Blick voraus
Und wie geht es sonst weiter? Nun, unter optimalen Bedingungen sind laut Mahle sogar noch 96 Prozent Wirkungsgrad möglich, dann ist aber systembedingt einfach Schluss. Und die restlichen vier Prozent? Nun ein wenig Verlustleistung wird es immer geben und wenn es nur die Lager sind, in denen sich die Welle dreht. Die Techniker verlagerten sich also auf andere Gebiete, um noch etwas mehr Saft aus der schon recht flach gepressten Frucht zu drücken. Derzeit ist es der Trend, Motor, Akku und Leistungselektronik in einem gemeinsamen Gehäuse unterzubringen. Das spart nicht nur Platz und Gewicht. Auch spart man eine Menge Kabel ein und kann dadurch die Verlustleistung weiter minimieren.

Was sind seltene Metalle?
Zugegeben, der Begriff ist nicht ganz eindeutig und selbsterklärend. Es gibt auch keine exakte Definition dafür, nur so viel steht fest: Abgeleitet wurde er vom Begriff der seltenen Erden, jene Stoffe im Periodensystem, die als schwer abbaubar gelten. Im Falle der seltenen Metalle aber liegt es auch an deren Verfügbarkeit. Platin zum Beispiel. Dieses kommt im Erdreich in einer Durchschnittskonzentration von 0,005 Milligramm pro Kilogramm Erde vor. Fast wie Gold, das mit 0,004 mg/kg nur einen Hauch seltener ist. Silizium ist im Vergleich dazu mit 282 Milligramm fast schon inflationär. Aber die Häufigkeit ist nur ein Teil der ganzen Wahrheit.

Cerium zum Beispiel hat einen Wert von 66 mg/ kg und ist als selten eingestuft. Kupfer mit 60 mg/ kg hingegen gilt als nicht selten. Der Grund dafür: Letzteres findet man nämlich auch in hochkonzentrierter Form vor, zum Beispiel in Minen, wo sie dank einer Einstufung von 4.900 mg/kg als leicht abbaubar gelten. Das ist aber immer noch nicht alles, was ein seltenes Metall ausmacht.

Seltene Stoffe sind nämlich immer mit anderen Metallen vermischt, man kann sie also nie einfach so abbauen. Sie müssen in weiterer Folge erst durch die sogenannte Reingewinnung isoliert werden und das macht sie nicht nur teuer, sondern vor allem auch extrem umweltschädlich. Das heißt also, dass ein Metall auch dann als selten eingestuft sein kann, wenn es einfach nur sehr selten produziert wird. Palladium zum Beispiel: 220 Tonnen wurden davon im Jahre 2018 reingewonnen, was im Vergleich zu den 1.470 Millionen Tonnen Eisen nur wie eine Randnotiz wirkt. Aber gerade hier ziehen dunkle Gewitterwolken auf.

Der Bedarf an diesen kostbaren Materialien steigt nämlich gewaltig. Für Windkraft- und Fotovoltaikanlagen, aber auch für E-Autos. Die Cobalt-Produktion legte von 2013 bis 2018 etwa um mehr als 55 Prozent zu. Und von all den 17 seltenen Erden kletterte die Produktion von zehn Kilotonnen im Jahre 1965 auf 90 im Jahr 2000. Zehn Jahre später waren es schon 158, 2019 bereits 210, Tendenz weiterhin steigend. Was einen weiteren Effekt zum Begriff der seltenen Metalle hinzufügt: die wirtschaftliche Notwendigkeit. Ist diese nicht gegeben, ist es mit der Seltenheit ruckzuck wieder vorbei. Die Idee, von permanent- und fremderregten Motoren umzusteigen, hat also nicht nur positive Einflüsse auf die Preisentwicklung, sondern auch auf den Umweltschutz.

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