Beispiel Mehrparteienhäuser | 30.09.2022
Wie die WEG-Novelle die Errichtung vereinfacht
Die Mehrheit der Österreicher:innen lebt laut Statistik Austria (Stand 2021) in Gebäuden mit zwei oder mehr Wohneinheiten. Dementsprechend betrifft das Thema „daheim laden“ in vielen Fällen die Bewohner:innen von Mehrparteienhäusern. Bei der Errichtung einer privaten Ladestation im Mehrparteienwohnhaus sind gewisse juristische Voraussetzungen zu beachten, die mit der WEG-Novelle 2022 etwas vereinfacht wurden. Grundsätzlich muss zwischen einer Einzellösung und einer Gesamtlösung unterschieden werden.
Franz Verworner
Einzellösung
Wie der Name verrät, handelt es sich bei der Einzellösung um eine einzelne Ladestation, die ein Bewohner eines Mehrparteienhauses errichtet. Während vor der WEG-Novelle dafür die aktive Zustimmung aller Parteien nötig war, gilt seit 1. Jänner die sogenannte Zustimmungsfiktion. Will man also eine Ladestation errichten, muss man die anderen Parteien detailliert über sein Vorhaben informieren. „Wenn ich binnen einer Frist von zwei Monaten keinen schriftlichen Widerspruch erhalte und gewisse Formalitäten eingehalten wurden, dann kann ich loslegen“, erklärt ÖAMTC Chefjurist Mag. Martin Hoffer. Sollte doch ein Widerspruch erhoben werden, kann die Zustimmung durch einen Richter im „Außerstreitverfahren“ erteilt werden.
Wie wahrscheinlich diese Zustimmung ist, kann Hoffer nicht beantworten, da man so einen Fall noch nicht gehabt habe. Gerne könnten sich Mitglieder dann an den ÖAMTC wenden: „Wir würden das gerne begleiten“, so Hoffer. Das neue Instrument der Zustimmungsfiktion gilt laut Gesetzgeber übrigens für Vorrichtungen für das „Langsamladen“ (bis max. 3,7 kW – 1-phasig bzw. max. 5,5 kW – 3-phasig).
Gesamtlösung
Die andere – und in vielen Fällen vermutlich sinnvollere – Herangehensweise ist eine Gesamtlösung samt intelligentem Lastmanagement. Vor Inkrafttreten der WEG-Novelle wurde hierfür ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft (> 50 Prozent) benötigt. Seit 1. Jänner 2022 reicht dafür alternativ eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen, die zumindest ein Drittel der Eigentumsanteile ausmachen. „Die Gemeinschaftsanlage ist eigentlich immun gegen Querulanten“, so Hoffer. Generell habe die WEG-Novelle die Voraussetzungen vereinfacht: „In der Tendenz haben sich beide Sachverhalte an realere Gegebenheiten angenähert. Der Einzelne hat es jetzt schwieriger, sich dagegen zu stemmen. (…) Ich glaube schon, dass das durchaus im Sinne des Vorantreibens dieser Infrastruktur in den Objekten sein dürfte.“
Weniger ist mehr?
Bei der gewählten Ladeleistung sollte jedenfalls gründlich überdacht werden, wie hoch diese tatsächlich ausfallen muss: „Hinsichtlich der Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern können wir auf Erfahrungen bei einem Feldversuch der Kollegen in Wien und auf einen eigenen in Niederösterreich zurückgreifen“, erklärt Dipl.-Ing. Matthias Komarek von der Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich. Dabei lautet seine Grundbotschaft: „Nicht zu viel Netzleistung einkaufen.“ Schließlich laden nie alle Nutzer gleichzeitig, mit einer intelligenten Lösung wird es noch einfacher. So haben die Erfahrungen aus dem Test in Wien gezeigt, dass nicht einmal 30 Prozent der Nutzer gleichzeitig geladen haben.
Ins selbe Horn stößt auch Dr. Markus Litzlbauer, CTO bei Enio: „Es reicht, wenn man pro Anschluss im Durchschnitt 1,5 kW kalkuliert. Das sind je nach Standzeit zwischen zehn und 20 kWh. Das reicht locker für die durchschnittliche Kilometerleistung pro Tag, die ja nur 35 Kilometer beträgt“, so Litzlbauer. Die Voraussetzung ist dabei ein Lastmanagement, das den vorhandenen Strom auf die Ladestationen intelligent verteilt.