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Second Life bei Batterien im Faktencheck
Renault Group

Wie entsteht ein Batteriespeicher

Batteriespeicher sind eine der entscheidenden Variablen für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende. Ausrangierte E-Auto-Batterien sind in dieser Transformation ein Schlüsselelement. Doch wie wird ein Speicher gebaut, wie lang dauert sein Second-Life, wie sicher sind sie und wieso ist nichts mit „raus aus dem Auto und rein ins Einfamilienhaus“?

Pascal Sperger

Die Rechnung ist einfach: ohne Wind- und Sonnenstrom keine Energiewende. Blöd nur, dass der Wind nicht dauernd weht und die Sonne in der Nacht selten scheint. Oder es übers Land stürmt oder vom Himmel brennt, aber grad wenig Strom gebraucht wird. Ist das Potenzial der regenerativen Energien also nur am Papier groß? Nein, denn die Schwachstellen lassen sich leicht kaschieren, indem der Strom zwischengespeichert wird.

Wer Energiewende sagt, muss auch Batteriespeicher sagen. Und wer sich über die Speicher informiert, der landet schnell beim „Second-Life“ von E-Auto-Batterien, die nur deshalb alt sind, weil sie den hohen Ansprüchen der Automobilhersteller – und der Fahrer – nicht mehr genügen, wenn ihre Kapazität auf unter 80 Prozent fällt.

Komplexe Angelegenheit
Des einen Pech, des anderen Freund. Denn die alten Akkus eignen sich noch lang zum Einsatz in Haus- und Industriespeichern. Aber – und da hört im Volksmund das Know-how auf – kaum einer weiß, wie solche Speicher gebaut werden. Weil: Raus aus dem Auto, rein in den Hauskeller geht nicht, – die Sache ist komplex, aber Manuela Pfaffinger weiß Bescheid.

Sie arbeitet als Ingenieurin für die Firma Smart Power. Das bayerische Unternehmen deckt die gesamte Kette von der Projektierung bis zum Betrieb komplexer Speicherlösungen und der Vermarktung der Anlagenkapazitäten ab. Von der Finanzierung bis zur schlüsselfertigen Erstellung, Anmeldung beim Netzbetreiber, Präqualifikation für die Vermarktung bis hin zum kompletten Betriebsführungskonzept wird dort alles aus einer Hand geliefert. Und Smart Power baut keine Mini-Speicher für die durchschnittliche PV-Anlage, sondern Batteriespeicher im Megawatt-Bereich. Also die richtig potenten Teile, die an das Mittelspannungs- und Hochspannungsnetz angebunden sind, folglich Lastspitzen kappen und Energiekosten senken, vulgo die Energiewende erst möglich machen. In Österreich hat die Firma kürzlich mit anderen Partnern ein Projekt bei der Firma Saubermacher abgeschlossen. Das Besondere daran: Der Batteriespeicher wurde ausschließlich mit ausrangierten E-Auto-Batterien gebaut. Aktuell eine Seltenheit.

Viele Hände, wenig Maschinen
Aber, wie baut man einen solchen Speicher überhaupt? Mit vielen Händen wie Pfaffinger betont, weil vollautomatisiert ist in diesem Prozess noch quasi nix. Nach dem Ausbau der Zellen steht zunächst eine Vorsorgeuntersuchung an: Vor dem Bau eines Second-Life-Zellen-Speichers muss nämlich der „Gesundheitszustand“ (SoH) einer jeden Zelle bestimmt werden. Dann wird entschieden, ob und wie die Batterie weiterverwendet werden kann. Pfaffinger: „Vom Ausbau der Batteriemodule aus dem Auto über das Prüfen des State-of-Health bis zum Wiedereinbau in ein neues Gehäuse und der Integration in ein neues Batteriemanagementsystem, das die Zellparameter überwacht und reguliert. Die Prozesse sind kaum automatisiert, weshalb die Transformation des Akkus noch sehr kostenintensiv ist und sich derzeit erst in Industrieprojekten über einem Megawatt wirklich rechnet.“

Batterien sind sensible Wesen
Nicht jede Zelle eignet sich im gleichen Maße für den Einsatz in einem Speicher, wie Pfaffinger erklärt: „Verklebte Zellen und kleine Rundzellen eignen sich aktuell – es gibt noch keinen automatisierten Wiederaufbereitungsprozess – nicht für den Einsatz in Batteriespeichern. Besonders gut sind hingegen prismatische Zellen. Diese sind meist um einiges größer und haben einen höheren Energiegehalt. Dadurch braucht es weniger Zellen für eine bestimmte Speichergröße.“ Ein angenehmer Nebeneffekt: Da weniger Zellen aufbereitet werden müssen, sinken die Kosten pro kWh.

Dabei unterscheiden sich die nötigen Adaptierungen am Speicher logischerweise nach dem Einsatzzweck, wie Pfaffinger aufzeigt: „Einige Normen haben alle Speicher zu erfüllen. Andere hingegen werden durch den spezifischen Anwendungsfall, beispielsweise als Hausspeicher oder Industriespeicher, bestimmt, die spezifische Anforderungen an die Konzeption des Batteriespeichers stellen.“ Die Krux ist nämlich, Batterien sind sensible Wesen und reagieren empfindlich auf Umwelteinflüsse. Die Hersteller schreiben unter anderem einen bestimmten Temperaturbereich fest, in dem die Zellen betrieben werden dürfen. Der muss mit einer Klimatisierung sichergestellt werden: „Auch eine erhöhte Luftfeuchtigkeit wirkt sich negativ auf die Zellen aus, wobei in unseren Breitengraden prinzipiell keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind“, so Pfaffinger. Während Heimspeicher im Niederspannungsnetz als fast wartungsfrei verkauft werden, müssen Industriespeicher hingegen regelmäßig gewartet werden. „Das betrifft vor allem die Schutztechnik, Klima- oder Brandmeldeanlage“, wie Pfaffinger ausführt.

Das Zünglein an der Waage
Sicher ist sicher. Auch wenn Brände selten sind, denn Lithium-Ionen-Akkus sind schwer zu löschen, auch wenn sich die Zelltechnologien in den letzten Jahren stark verbessert haben. Akku ist auch nicht gleich Akku: „Gerade das Kathodenmaterial ist das Zünglein an der Waage. Bei Lithium-Cobalt-Oxid (LCO) oder Lithium-Nickel-Mangan-Oxid (NMC) kann ein thermisches Durchgehen bei Überladung, Überhitzung oder mechanischen Beschädigungen entstehen, wohingegen Lithium-Eisen-Phosphat (LiFePO4 bzw. LFP) eine sehr stabile chemische Verbindung darstellt, die keine Brandgefahr birgt.“ Zum Schutz müssen viele Normen erfüllt werden, die dafür sorgen, dass kein Brand entstehen kann. Beispielsweise muss jedes Batteriesystem mit einem Managementsystem ausgestattet werden, das eine Schutzschaltung gegen Übertemperatur, Überstrom, Überspannung und Kurzschlüssen beinhaltet. Das sind nämlich die ausschlaggebenden Einflüsse für ein Feuer.

Daten- oder Umweltschutz?
Die durchschnittliche Lebensdauer eines Speichers liegt aktuell bei circa 15 bis 20 Jahren. Wobei das Nutzungsverhalten ausschlaggebend ist – eine Parallele zum First Life im Auto. Ein Speicher, der meist zwischen 20 und 80 Prozent Ladezustand gehalten und kaum in Volllast betrieben wird, ist viel langlebiger als ein Speicher, der auf Herz und Nieren ausgelastet wird. Pfaffinger: „Bei Second-Life-Speichern aus Fahrzeugbatterien ist es eine große Herausforderung, eine Aussage über die restliche Lebensdauer zu treffen, da die Informationen zum bisherigen Nutzungsverhalten aus dem Batteriemanagementsystem des Automobilherstellers nicht einsehbar sind.“ Ein gewaltiger Stein auf dem Weg zur Energiewende, denn es stellen sich die Fragen: Gemeinwohl vor Geschäftsinteresse und Daten- vor Umweltschutz? Gleiches gilt für die noch nicht definierten Richtlinien und Rahmenbedingungen auf EU-Ebene. In Brüssel wird nämlich gerade über die knifflige Frage debattiert, ob Batteriespeicher mit ausrangierten E-Auto-Zellen, die als Second-Life-Batterien erneut in Verkehr gebracht werden, als „Neuware“ – und mit allen daraus entstehenden Konsequenzen – deklariert werden sollen. Beides keine leichten Entscheidungen.

Wusstet ihr, dass ...
… Second-Life-Zellen noch 15 bis 20 Jahre als Stromspeicher eingesetzt werden können?

… auf EU-Ebene gerade darüber debattiert wird, ob ausrangierte E-Auto-Zellen, die als Second-Life-Batterien erneut in den Verkehr gebracht werden, als „Neuware“ gelten sollen?

… Heimspeicher wartungsfrei sind, Industriespeicher jedoch wegen der vorgeschriebenen Schutztechnik, Klima- und Brandmeldeanlage regelmäßig gewartet werden müssen?

… das Kathodenmaterial bei der Brandgefahr das Zünglein an der Waage ist?

… sich aktuell Batteriespeicher-Projekte erst im Mega-Watt-Bereich finanziell rechnen?

… verklebte Batteriezellen sich derzeit nicht für den Einsatz in Batteriespeichern eignen?

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