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Europas Automarkt mit trüben Aussichten
Pixabay, Hersteller, Bildmontage: Mag. Severin Karl

Wachsende Anteile für chinesische E-Autos

Eine Studie der Kreditversicherer Acredia und Allianz Trade beschäftigt sich mit der Situation des Automarkts in China und Europa. Dazu gibt es einen Blick in die Zukunft und Ideen für Stellschrauben, die zu ziehen sind.

Mag. Severin Karl

Der weltweit größte Automobilmarkt ist China und bislang war das eine Art "El Dorado" für europäische Autohersteller. Doch Ende 2022 wurde die Marktführerschaft vor Ort schließlich wieder an China übergeben – das kam nicht plötzlich, die Marktanteile sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Ein wichtiger Punkt bei der ganzen Sache: Im Kaptel Elektromobilität ist Europas Autoindustrie von den chinesischen Herstellern rechts überholt worden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Kreditversicherer Acredia und Allianz Trade.

„In China stammen 80 Prozent der neu zugelassenen Elektrofahrzeugen von chinesischen Herstellern“, sagt Michael Kolb, Vorstand bei Acredia, „und so wie es aussieht, werden ihre Marktanteile weiter kräftig wachsen, was zu Lasten europäischer Autobauer und deren chinesischer Tochtergesellschaften und Joint Ventures geht. Das sind trübe Aussichten für die europäischen Autobauer, die 2022 Fahrzeuge im Wert von 24 Milliarden EUR nach China exportiert haben.“

Europäer waren zu lange auf der E-Bremse

Für europäische Hersteller und ihre chinesischen Tochtergesellschaften und Joint Ventures macht der chinesische Markt derzeit rund 85 Prozent ihres Absatzes aus. Doch die Elektromobilität zieht an und da haben es die Europäer schwer: Sie sind einfach zu lange auf der Bremse gestanden, was die Transformation bei den Antrieben betrifft. Eindeutiges Indiz: Von den 20 meistverkauften Elektrofahrzeugen in China im Jahr 2022 wurde nur eines von einem chinesisch-europäischen Joint Venture hergestellt!

Mit diesem Heimvorteil kommen chinesische Hersteller selbstbewusst nach Europa. Von diversen Marken haben wir bereits gehört, nicht als Billiganbieter auftreten zu wollen, das betrifft etwa Nio ebenso wie BYD.

„Bis 2035 wird praktisch jeder in Europa verkaufte Neuwagen batteriebetrieben sein“, meint Kolb. „Das begünstigt die teilweise Substitution von in Europa hergestellten Fahrzeugen durch chinesische Fabrikate – unabhängig davon, ob dahinter ein chinesisches, amerikanisches oder europäisches Unternehmen steht. In Europa sind die Marktanteile chinesischer Hersteller noch klein, aber sie dürften – analog zu koreanischen und japanischen Herstellern in der Vergangenheit – schnell wachsen."

Das Szenario der Studie

In ihrer Studie analysierten Acredia und Allianz Trade ein Szenario: Was wäre, wenn bis 2030 chinesische Marken rund 75 Prozent des China-Marktes und rund 10 Prozent des Europa-Marktes belegen? „Die europäischen Automobilhersteller könnten bis 2030 allein durch den Verlust an Marktanteilen mehr als 7 Milliarden EUR an jährlichen Nettogewinnen verlieren“, so Kolb. „Hinzu kämen vielfältige Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette der Hersteller. Das hätte enorme Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft, für die der Automobilsektor eine große Bedeutung hat.“

Im folgenden Absatz werden die Aussagen der Studie zitiert:
Wenn chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 von aktuell rund 50 auf 75 Prozent erhöhen würden, würde der Gesamtabsatz der europäischen Automobilhersteller in China um 39 Prozent sinken, wobei die lokale Produktion von schätzungsweise 4,4 Millionen Fahrzeugen auf 2,7 Millionen im Jahr 2030 zurückgehen würde. Wenn die europäischen Importe von in China hergestellten Autos im Jahr 2030 1,5 Milionen Fahrzeuge erreichen – das entspricht einem geschätzten Marktanteil von 10 Prozent im Jahr 2030 und 13,5 Prozent der EU-Produktion im Jahr 2022 – würden sich die Auswirkungen auf die Wertschöpfung der europäischen Wirtschaft im Jahr 2030 auf 24,2 Milliarden EUR für den Automobilsektor belaufen, was 0,15 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Region im Jahr 2022 entspricht. Die von der Automobilindustrie abhängigen Volkswirtschaften Deutschlands (0,36 Prozent des BIP in Gefahr, der Slowakei (0,4 Prozent des BIP) und der Tschechischen Republik (0,41 Prozent des BIP) könnten jedoch noch stärker betroffen sein.

Was kann man nun tun?

Warum ist der Wettbewerbsdruck in Europa so hoch? Nun ja, sowohl in China als auch in den USA sind die Montage der Fahrzeuge im Land Voraussetzung für den Erhalt von wichtigen Kaufsubventionen und die Einfuhrzölle auf ausländische Fahrzeuge sind darüber hinaus wesentlich höher. Deshalb gibt es ja so viele Joint Ventures mit chinesischen Marken bzw. so viele Werke europäischer Hersteller in Übersee.

„Eine Anpassung der Wettbewerbsbedingungen an China und an die USA wäre ein wichtiger Schritt, um die Auswirkungen auf die europäische Automobilbranche und die Wirtschaft abzumildern“, zieht Kolb daher sein Fazit. „Aber auch die Stärkung der europäischen Produktion durch chinesische Hersteller könnte zu positiven Effekten führen. Wir haben das in der Vergangenheit umgekehrt in China gesehen: Wenn man sie nicht schlagen kann, ist es vielleicht eine Option, sich zusammenzutun.“

Als weitere Stellschrauben, um die Negativeffekte zu kompensieren, werden Investitionen in neue Batterietechniken, eine Reduzierung bei der Abhängigkeit von Rohstoffen und importierten Komponenten für elektrische Antriebe sowie der Ausbau in die Ladeinfrastruktur genannt. Doch auch das passiert nicht von heute auf morgen, solche Schritte müssen entsprechend rasch und gezielt gesetzt werden.

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