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Besser spät als nie

Ein neues Auto und schon in die Jahre gekommen? „Danke Corona“ und so. Der Tatsache, dass sich der Nissan Ariya dennoch zu behaupten weiß, tut‘s keinen Abbruch.

Johannes Posch

Es ist schon ein Weilchen her, dass Nissan nach Yokohama lud, um mit viel Tamm Tamm das Tuch von der Serienversion des Nissan Ariya zu ziehen: Am 15. Juli 2020 war das. Die Welt war damals noch eine andere. Nicht nur, weil diverse Krisen, die dann auch zu seiner wiederholten Verschiebung führten, erst vor uns lagen, sondern auch, weil der Markt vergleichbarer E-SUV noch deutlich kleiner war. Tesla Model Y, Hyundai Ioniq 5, VW ID.4 …, sie alle waren noch nicht zu haben, hatten noch keine Chance, unsere Erwartungen hochzuschrauben. Und doch kann sich Nissans erster Ausritt auf der CMF-EV-Plattform, die schon in Form des Renault Megane E-Tech einen verdammt guten Eindruck hinterlassen konnte, immer noch gut behaupten.

Nobel, nobel …


Das Cockpit etwa gehört zu den feinsten, die wir kennen. Nicht nur ist die Materialauswahl und Verarbeitung makellos – wo man hinschaut und hingreift, wartet zumindest Softtouch, wenn nicht gleich Leder oder schickes Holzimitat – auch das Platzangebot für die Insassen ist üppig. Einzig in Sachen Kofferraum bieten Konkurrenten mehr; sowohl in Sachen Volumen im Gepäckabteil selbst, aber auch in Puncto Frunk. Einen solchen bringt der Ariya nämlich leider nicht mit.

Dafür gehen Optik und Bedienung Hand in Hand. Klar: Um manche durch das besagte Holzimitat scheinenden Tasten zu finden – etwa für Fahrmodi oder eine elektrisch ausfahrbare Ablage unter der Klima-Kontrolle –, muss man runterschauen. Alles regelmäßig Verwendete ist allerdings entweder im Blickfeld angeordnet oder mittels echter Tasten am Lenkrad regelbar. Auch das Infotainment ist modern und gut nutzbar. Zwar wirkt die Navi-Optik etwas angestaubt, dafür bietet sie (sobald mittels Handy-App-Aktivierung freigeschaltet) schlaue Routen- samt Ladeplanung und so manch anderes Technologie-Schmankerl auf Höhe der Zeit.

Fährt gut, kommt weit


Auch in Bewegung macht der Ariya eine gute Figur. Der Gesamtcharakter ist, passend zum japanisch-noblen Ambiente (die Beleuchtung im Fußraum ist Design-technisch übrigens an eine traditionelle, japanische Laterne angelehnt) komfortorientiert, ohne langweilig zu sein. Das Geräuschniveau ist ausgezeichnet, der Abrollkomfort des Fahrwerks gut. Obgleich wir uns durchaus gewünscht hätten, wenn man die Dämpfer ein klein wenig weicher abgestimmt hätte. Bei kurzen Stößen verliert der Ariya dann doch etwas die sonst so tadellose Contenance. Doch weiter im Text: Die Lenkung gibt sich ebenfalls zum Gesamtbild passend, ist also eher auf der leichtgängigen Seite und nicht unbedingt ein Musterbeispiel für Genauigkeit oder Feingefühl, aber im Rahmen. Im Kapitel Verzögerung wartet eine quasi in vier Stufen verstellbare Rekuperation: D und B als Fahrmodi, zusätzlich kann e-Pedal, also stärkere Rekuperation, aktiviert werden. Entgegen früherer Nissan-Modelle bietet allerdings auch das aktivierte e-Pedal kein echtes One-Pedal-Driving. Bei Schrittgeschwindigkeit endet die Rekuperationsverzögerung. Will man stehen bleiben, muss man die Bremse drücken. Das ist per se weder gut noch schlecht, erfordert aber Gewöhnung bzw. Anpassung, da die Verzögerung im stärksten Modus tatsächlich sehr stark ist. Für uns wahr, trotz persönlicher Affinität zu One-Pedal-Driving, so am Ende das Nutzen der beiden niedrigsten Rekuperationsstufen am angenehmsten, da so schlicht am sanftesten verzögert und stehen geblieben werden konnte.

Last but not least: Effizienz und Laden. In Hinblick auf die Reichweite verlangt die Physik bei Autobahn-Tempo zwar ihren Tribut (so ein hoch bauendes SUV schneidet eben doch nicht so leicht durch den Wind), auch dort sind aber durchaus über 300 Kilometer drin. Der Verbrauch auf unserer Testrunde (jeweils ca. 30 Prozent Autobahn, Landstraße und Stadt) war mit 17,8 kWh/100 km trotzdem wirklich gut und lässt im Alltag auch über 500 Kilometer Reichweite erhoffen. Innerstädtisch hingegen überraschte der Ariya mit Fabelwerten (für seine Größe) von 12 bis 15 kWh/100 km. Die Plattform selbst erweist sich also ein weiteres Mal als sehr effizient. Weniger gut: Theoretisch soll Laden mit maximal 130 kW möglich sein, praktisch war es in unserem Test deutlich weniger. 110 kW waren das höchste der Gefühle. Da haben uns Hyundai/Kia und Tesla dann doch schon ein bisserl verwöhnt. Doch dafür wird immerhin ab Werk ein 22 kW Onboard-Lader verbaut. An einer entsprechend potenten AC-Ladesäule ist der immerhin 87 kWh fassende Akku also nach nur vier Stunden voll.

Technische Daten:


Nissan Ariya 87 kWh
Leistung | Drehmoment
242 PS (178 kW) | 300 Nm
0–100 km/h | Vmax 7,6 s. | 160 km/h
Getriebe | Antrieb 1-Gang aut. | Vorderrad
Reichweite (max.) | Batterie 533 km (WLTP) | 87 kWh
Ø-Verbrauch 18,4 kWh/100 km (WLTP)
Ladedauer AC | DC ca. 4 h (22 kW 3-phasig) | ca. 35 min (130 kW von 10 auf 80??%)
Kofferraum | Zuladung 468–1.775 l | 414 kg
Garantie Fahrzeug | Batterie 3 J./100.000 km | 8 J./160.000 km
Basispreis | NoVA 67.500 (inkl.) | 0 %

Das gefällt uns: Innenraum, Effizienz, Ausstattung
Das vermissen wir: Mitleid mit unserem Bankkonto
Die Alternativen: Audi Q4 etron, Hyundai IONIQ 5, etc.

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