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“Sie fragten mich: Was habt ihr da für einen Österreicher?”

Teil 3 des Tanja Bauer-Interviews: Über Christian Klien. Über Gerhard Berger, Alex Wurz und die Dankbarkeit der Piloten, nicht immer das gleiche gefragt zu werden...

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer

Du hast vorher das Wort „clean“ verwendet. Wir haben ja jetzt den Christian Klien, den spricht man zwar anders aus, in der Formel 1. Der ist ja alles andere als clean, der hat gleich mal gesagt, ihm persönlich sei Michael Schumacher zu arrogant. Man hat ihn dann auch sofort ermahnt. Zugleich hat Bernie Ecclestone gesagt: „Das ist genau der Typ, den wir brauchen, der sagt was er denkt.“ Was hältst du von Chistian Klien?


Tanja Bauer: Ich hab den Christian Klien bislang zweimal getroffen. Vom Typ her – da hat der Bernie Ecclestone schon recht – ist er wirklich einer, der nicht sehr viel nachdenkt bei dem was er sagt und der aus dem Herzen heraus redet. Wir werden aber sehen, in wie weit er das beibehält. Weil irgendwann kommt der Punkt, wie wir es bei Villeneuve gesehen haben: Es geht alles gut, solange du erfolgreich bist. Ich war jetzt in Madonna Schifahren bei den Ferrari-Days. Und da sind dann schon die deutschen Journalisten zu mir gekommen und haben gesagt: „Hallo, was habt ihr da für einen Österreicher? Der wird sich anschauen...“ Ich sag nur: Das ist alles super, sie werden auch schreiben darüber und das wird halt dann auch groß aufgezogen, dass „der Ösi den Schumi da irgendwie beleidigt“. Ich persönlich glaube, dass Klien viel Potential hat, wie man das ja im letzten Jahr auch gesehen hat. Ich glaube, dass er große Chancen hat, allein schon weil er mit Mark Webber einen sehr guten Teamkollegen hat. Nicht nur, dass Webber gut ist, er ist auch keiner, der dem Christian irgendwelche Steine in den Weg werfen wird. Und der ihn auch unterstützen wird...


So lange er dabei nicht schneller als er ist...


Tanja Bauer: Richtig. Aber der Webber ist einer der freundlichen, offenen und zugänglichen Menschen im Fahrerlager, wie auch zum Beispiel der David Coulthard. Insofern hat Christian Klien da ein gutes Los gezogen. In wie weit er bei Jaguar weiterkommen kann, das weiß ich nicht.


Bleiben wir bei den Österreichern. Alex Wurz hatte grade angefangen, als du beim ORF die Interviews gemacht hast. Was sagst du zum Thema Alex Wurz?


Tanja Bauer: Ich glaube, dass der Alex auf jeden Fall unter seinem Wert geschlagen wird. Es gibt viele solcher Fahrer, die einfach das Pech haben, zum falschen Zeitpunkt im falschen Auto zu sitzen. Ich kenne den Flavio Briatore mittlerweile so gut, dass ich sagen kann: Wenn der etwas will, dann erreicht er es. Und wenn der den Alex bei Benetton dann nicht mehr drin haben hat wollen, dann hat er den dort nicht unbedingt unterstützt. Alex hat es dort sicher nicht leicht gehabt.


Was glaubst du, warum hat sich der Alex den Zorn des Briatore zugezogen?


Tanja Bauer: Da sind ein paar Dinge falsch gelaufen. Undiplomatische Aktionen, das hatte auch etwas mit finanziellen Dingen zu tun. Bei uns im Fernsehen, auch im deutschen TV, war der Alex immer beliebt wegen seiner Analysen. Wurz kann sehr gut reden und kommt immer auf den Punkt. Er verkauft sich im Fernsehen sehr sympathisch. Nur vielleicht sagt er manchmal genau zum richtigen Zeitpunkt das falsche.


Du hast auf deiner Homepage dem Gerhard Berger einen besonderen Platz zugewiesen. Da gibt es ein Bild, das wirkt sehr vertraut...


Tanja Bauer: Der Gerhard Berger ist einer der Menschen, zu denen ich von Anfang an den richtigen Zugang hatte. Er hat auch das Vorwort zu meinem Buch „Formel 1 Privat“ geschrieben. Der Gerhard ist der Typ, der nie erwachsen wird, der immer zugänglich ist für jeden Blödsinn. Je älter er wird, desto schlimmer wird es, meistens. Mir wird er richtig fehlen. Als er den Job als Motorsportdirektor bei BMW begonnen hat, dachte ich zunächst: „Da bin ich aber gespannt, wie er das macht...“ Aber ich bin jetzt voller Hochachtung und Gerhard hat sehr viel beigetragen, dass BMW eine unglaublich sympathische Positionierung in der Formel 1 gefunden hat. Er hat auch seinen Kollegen Mario Theissen sehr weit gebracht, im Umgang mit den Medien und so weiter. Der Gerhard war für BMW ein Glücksgriff. Mal schauen, was er machen wird, ich glaube ja trotzdem, dass er irgendwann wieder zurückkommen wird.

Du hast 2002 die Sendung „Warm Up“ im DSF gemacht. Kam das deinem Wesen, in der Formel 1 die Menschen oder das Menschliche zu suchen, entgegen? Warum wurde nicht weiter gemacht?


Tanja Bauer: Dass nicht weiter gemacht wurde, liegt am Geld. Die Sendung war eine richtige Herausforderung für mich. Diese längeren Gespräche mit Fahrern oder Teammitgliedern - also zehn Minuten oder auch fünfzehn Minuten, wenn du Glück hast – bringen dir einen besseren Zugang zu den Piloten. Weil die auch sehr dankbar sind, wenn sie einmal nicht das Alltägliche erzählen müssen. Wenn sie merken, dass sich da wirklich jemand ehrlich für sie interessiert. Der Villeneuve war zum Beispiel völlig platt, als ich ihn über seine Freundin gefragt habe, die ist Ballett-Tänzerin, Jacques hat rote Ohren gekriegt, als er erzählt hat, wie toll das ist, wenn er ihr beim Trainieren zuschaut. Er hat auch seine weibliche Seite gezeigt. Am Anfang waren sie noch skeptisch beim Sender, aber dann hat es ihnen wirklich gefallen. Mein schönstes Gespräch war jenes mit Alex Zanardi nach seinem Unfall. Die Sendung hat 70 Minuten gedauert, aber wir sind drei Stunden bei ihm gesessen, die Kameraleute haben sich dann dazu gesetzt. Weil du da halt auch eine gewisse Tiefe erreichst. Da kriegst du ungeahnte Sachen aus den Leuten raus, die mir dann auch danach, im Alltag, geholfen haben. Ich habe letztes Jahr zweimal längere Interviews mit dem Kimi Raikkonen und dem Juan Pablo Montoya gemacht, wo ich vorher immer gewusst hab, der Raikkonen bringt seinen Mund nicht auf. Da hatte ich dann 15 Minuten mit dem Raikkonen und war selber erstaunt. Wir haben in dieser Zeit kein einziges Mal über etwas geredet, was nur irgendetwas mit seinem Auto zu tun gehabt hätte. Der war völlig anders als sonst. Vielleicht stelle ich auch einfach die richtigen Fragen, aber die Piloten sind schon auch dankbar. Dann tauen sie auf, sie sind dann nicht so glatt, kriegen ein bissl mehr Ecken und Kanten, weil sie ihre eigene Meinung auch wirklich sagen dürfen.


Diese Dankbarkeit kann ich gut nachvollziehen. Wenn man als Musiker ein Interview gibt und die erste Frage ist: „Wie lange machst du schon Musik?“, beginnt man auch zu gähnen. Bei Pressekonferenzen habe ich den Eindruck, dass manche Reporter, vor allem weniger Formel 1-spezifische, hier einfach nur ihren Job erledigen, die Fahrer quasi abmelken, ein paar gute Sager und die Sache ist im Kasten...


Tanja Bauer: Viele Interviewer hinterlassen bei den Fahrern auch das Gefühl, dass sie sich gar nicht wirklich für den Piloten und seine Tätigkeit interessieren. Die wollen dann nur wissen: Ist der gut oder ist er schlecht? Und wenn er schlecht ist, wird ein bissl draufgehauen, das wars. Wenn ich aber hingehe und zu dem Fahrer sage: „Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Erzähl mir ein bisschen was, warum es dir nicht gut geht“, erhalte ich einen anderen Zugang.


Banale Frage: Gibt’s einen Unterschied zwischen österreichischen und deutschen Medien?


Tanja Bauer (lacht): Da muss ich aufpassen, was ich sage. Nein, natürlich nicht. Sagen wir mal so: Der Österreicher an sich ist vielleicht etwas humorvoller. Warum ich damals von Österreich nach Deutschland gewechselt habe, war einfach weil das Format für die Formel 1 in Deutschland hundertmal größer ist. Da kann aber der ORF nichts dafür, weil die halt die Rechte nicht in diesem Umfang haben, einen derartigen Aufwand wie Premiere zu betreiben.


Neun Stunden Formel 1 im ORF würden die Leute wahrscheinlich auch nicht haben wollen, nehme ich mal an. War der Wechsel vom öffentlich-rechtlichen ORF zum privaten Premiere World schwierig für dich?


Tanja Bauer: Wir haben oft Sprachschwierigkeiten, wo mich dann die Leute fragen: „Was bitte ist ein Unterbruch?“. Aber ansonsten würde ich keinen Unterschied in den Redaktionen erkennen, die Mehrheit der österreichischen Redakteure könnte auch in Deutschland arbeiten, weil sie genauso gut sind. Aber ich würde die Erfahrung, in Deutschland zu arbeiten, nicht missen wollen, weil dort schon auch mehr Druck herrscht, weil du dort ja auch mehr TV-Sender hast. Einen Unterschied gibt es schon noch: In Österreich waren die Aufgaben zwischen Redaktion und Moderator weniger getrennt als in Deutschland. Das wichtigste in diesem Beruf sind ja die Kontakte. Ich habe halt mehr Kontakte zu jenen Teams, in denen mehr Österreicher dabei sind. Sauber, Williams zum Beispiel. Aber das Interessante ist, dass es trotz des großen Konkurrenzkampfes zwischen den TV-Stationen eine enge Zusammenarbeit gibt. Man tauscht Informationen aus, denn im Endeffekt sind die Teams der Stationen nicht so groß, alles ist doch recht klein und überschaubar. Auch wenn es im Vergleich zu früher sicher um einiges cleaner ist, ist es schon ähnlich einer Familie, und ich möchte meinen Job nicht eintauschen. Wenn man 17 oder 18 Wochenenden auf relativ kleinem Platz aufeinander trifft, entsteht schon auch eine gewisse Familienzugehörigkeit. Man hört dann auch: „Der oder die hatte einen Unfall, wie geht’s dem?“ Da ist es egal, ob das ein Fahrer oder ein Mechaniker oder jemand von den Medien ist.


Die Teile 1, 2, und 4 finden Sie in der Navigation rechts.


>>> www.tanjabauer.com

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