MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

„Die Frage ist: Wie viele Racer hast du? Und wie viele Vorstandsmitglieder?“

Letzter Teil des Gesprächs mit Ex-ORF-Interviewjäger und Neo-Tele5-Kommentator Andi Gröbl: Warum nach Saisonschluss die Fetzen fliegen. Warum 2003 so spannend war. Welchen Vorteil Slicks haben. Und warum ein sensibler Hintern nicht zählt.

Michael Noir Trawniczek (MNT)
& Stefan Schmudermaier (STS)
Fotos: Andi Gröbl, Jacqueline Zibarth
& motorline.cc

MNT: Das Absurde ist ja auch: Du hast vorhin gesagt, dass die heutigen Rennfahrer viel mehr mit ihrem Job, dem Rennfahren, beschäftigt sind. Zugleich aber bedeutet Rennfahren heute viel weniger Arbeit.

Der braucht kein Zwischengas geben, der muss nicht mit einer Hand lenken und mit der anderen schalten, der hat eine Servolenkung und wenn er zu viel aufs Gas steigt, rettet ihn die Traktionskontrolle.


Andi Gröbl: Er braucht auch viel weniger Kraft. Ein Vittorio Brambilla, der ein Bär von einem Mann ist, den könnte ich heute gerade noch als Truckfahrer in der Formel 1 einsetzen. Heute müssen die nur eines: Sie müssen leicht sein, sie müssen die Fliehkräfte aushalten können, sie müssen starke Nackenmuskeln haben und sie müssen es halt im Kopf packen. Und so züchtest du dir halt diese Typen. Es ist ja auch im Tennissport nicht anders: Früher hattest du die Techniker und die Primadonnen, heute hast du die Aufschlagkanonen.

MNT: Es leiden auch andere Sportarten. Einerseits wird Sport immer mehr zur Show, zugleich wird die Show immer schlechter.

Andi Gröbl: Weil es zu viel wird. Jeden Tag Schnitzel essen ist auch nur die halbe Freude. Fußball: Da haben wir früher jedes Match im TV gesehen, weil das gab es eben nur einmal im Monat.

MNT: Der Bernie Ecclestone wünscht sich die ganze Zeit über immer wieder Typen in der Formel 1. Doch scheinbar hat er keine Chance. Seine Macht scheint sich auf das Geschäftliche zu beschränken. Jacques Villeneuve konnte er nicht retten. Andererseits gibt es dann originelle Typen wie den Minardi-Teamchef Paul Stoddart, zu denen sagt er dann wiederum, sie sollen sich verpissen. Dabei hat Stoddart einige interessante Pressekonferenzen geliefert, zum Beispiel in Montreal.

Eine Lösung wäre vielleicht eine Art Konfrontationen-Stadl in der Formel 1. Wo im Fahrerlager extra Journalisten engagiert werden könnten, die bewusst harte und unangenehme Fragen stellen, um Fahrer und Formel 1-Akteure aus der Reserve zu locken. Und wo diese dazu verpflichtet werden, sich diesen Fragen zu stellen. Wenn sich der Bernie Ecclestone das wünschen würde, könnte er doch beispielsweise solche Dinge durchsetzen?


STS: Ich glaube, die Fahrer haben halt immer im Hinterkopf, dass sie gar nichts sagen dürfen. Da geht es ja um die Teamführung und die Folgen, die ihre Aussagen haben.

Andi Gröbl: Der Impuls kommt sicher von den Herstellern und das sind ja viele Konzerne. Das ist ja nicht nur so, dass wenn ich jetzt etwas falsches sage, dass dann nur Ferrari böse ist auf mich. Da ist Bridgestone böse auf mich. Da ist Shell böse auf mich. Alle die da dran hängen sind böse auf mich, deshalb sage ich dann lieber nichts.

STS: Die Fahrer müssen ihre Statements immer abwägen wie auf einer Apothekerwaage: Was darf ich jetzt sagen? Und welche Folgen könnte es haben, wenn ich das jetzt sage. Das ist furchtbar.

Andi Gröbl: Das Lustige ist: Was die Fahrer nach dem letzten Rennen manchmal sagen – vor allem wenn sie das Team verlassen.

STS: Da können sie dann auf einmal reden.

Andi Gröbl: Ich bin mir sicher: Sie würden gerne viel mehr sagen, aber selbst wenn du nachhakst, und mit Augenzwinkern und so – es kommt nichts aus dem heraus. Ich habe einmal Pedro de la Rosa und Ralf Schumacher erlebt, nach dem letzten Grand Prix, ich glaube es war Suzuka 2002. Da sind die Fetzen geflogen, in aller Öffentlichkeit. Einer hat dem anderen erklärt, dass er ein Trottel ist – vor allen Leuten. Das wäre in der laufenden Saison unmöglich, das würde einen Riesen-Skandal abgeben.

Man kann den Piloten aber auch nur bedingt einen Vorwurf machen. Weil du vorhin Montreal 2003, Paul Stoddart und die scharfen Fragen angesprochen hast. In Montreal sind ja wirklich scharfe Fragen gestellt worden, das waren die „Questions From The Floor“. Und auch die Fragen von dem Interviewer, der dort immer die Fragen stellt, waren hart.

Das erste war, dass der Eddie Jordan den Interviewer vor der versammelten Weltpresse zur Sau gemacht hat. Der Jordan hat gesagt: „Das ist absolut unfair, was du hier betreibst. Das ist gegen alle Abmachungen.“ Er hat den Interviewer wirklich im schärfsten Ton niedergeputzt, der aber dafür da ist, um die Fragen zu stellen. Da ging es ja um Werksunterstützung, die Großen sollen den Kleinen helfen.

Dann kam eine Frage aus dem Publikum: „Herr Jordan, wer hat denn in diesem Jahr auf dem Nürburgring ihre Trucks bezahlt?“ Jordan sagte: „I have no idea what you are talking about.“ Weil er nicht sagen wollte, dass es Mercedes war. Da blocken sie total ab.


MNT: Es gibt ja diesen Spruch: „Die Hersteller haben noch jede Rennserie zerstört.“ Was sagst du zu diesem Satz?

Andi Gröbl: Ich glaube, dass es in der Formel 1 die latente Gefahr gibt, das so etwas passiert. Und das Argument, welches der Max Mosley immer bringt, dass die Hersteller nicht auf Dauer dabei sind, ist absolut nachvollziehbar. Weil von den Herstellern, die derzeit in der Formel 1 vertreten sind, war keiner durchgehend dabei. Die Formel 1 ist in Wahrheit eine Marketingmaßnahme. Und jede Marketingmaßnahme muss man dosiert einsetzen.

MNT: Jaguar hat ja auch offen gesagt, dass es für sie nicht in erster Linie darum geht, den Titel zu holen.

Andi Gröbl: Die Frage ist immer: Wie viele Racer hast du dabei und wie viele Vorstandsvorsitzende? Bei allem Respekt: Wenn ein Herr Jürgen Hubbert die Formel 1 übernimmt, ist klar, worauf das hinausläuft. Dann sind wir in ein paar Jahren alle Mercedes-Fahnenschwenker.

MNT: Das heißt, man wird die Formel 1 irgendwann einmal aus dem Bereich Sport ausgliedern und in die Abteilung Marketing stecken?

Andi Gröbl: Zum Beispiel.

MNT: Nach dem zehnten Weltmeistertitel von Michael Schumacher kann man das ja auch getrost tun, weil da schaut dann eh keiner mehr zu. In Amerika sieht man ja doch noch sehr spannende Rennen, da sieht man, dass es auch anders geht. Überspitzt formuliert: Wäre die einzige Chance, um wieder Sport zu sehen, eine Erlösung von den Herstellern?

Andi Gröbl: (Überlegt) Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass die Antwort so einfach ist, dass man sagt: „Weg mit den Herstellern“ und die Rennen sind wieder gut. Dazu gibt es viel zu viele Vernetzungen, dazu ist viel zu viel Geld im Spiel. Weil sonst könnte ich ja sagen, ich mache irgendeine Bastelbudenserie wie von mir aus die Euro-F3000. Da kommt jeder mit einem Budget von einer Million Euro durch und die Rennen sind auch super.

Aber die Formel 1 ist halt „the Pinnacle of Motorsport“, wie sie immer sagen. Ein gewisser technischer Level muss da sein, den ich sonst nirgends habe. Genau das ist der Punkt: In wie weit macht es Sinn, Hochtechnologie zu entwickeln und zu verwenden, wenn sie der Zuseher nicht sehen kann? Das um 2,8 Prozent verbesserte Motor-Mapping bringt mir nichts, dass man durch die verbesserte Elektronik weitere 14 Tausendstelsekunden rausholt. Weil davon sehe ich nichts.

Ich will als Zuschauer sehen, dass der quersteht, dass der arbeitet am Lenkrad und dass der Motor geht wie die Sau. Man hat sich von den Interessen des Zusehers zu weit entfernt. Der sogenannte einfache Mensch auf der Tribüne – das ist der Installateur, der Bäcker, ein Lehrer oder ein Journalist, ein Angestellter in einer Bank – das ist kein Raumfahrtingenieur. Und der will mit freiem Auge erkennen, ob ein Pilot gut ist oder nicht.

MNT: Und auch der Raumfahrtingenieur wird auf der Tribüne nicht erkennen, was da los ist mit dem Motor-Mapping.

Andi Gröbl: Richtig. Da sind mittlerweile viele Dinge einfach zum Selbstzweck geworden. Dinge, die irrsinnig viel Geld kosten, die aber dem Rennsport nichts bringen. Das heißt: Man müsste die Hersteller nicht unbedingt raushauen aus der Formel 1. Aber es müsste in die Köpfe der Hersteller hinein, was eigentlich der Sinn des Ganzen ist. Und dass es eigentlich auch ihre Verantwortung ist, den Rennsport attraktiv zu machen. Denn sie könnten es ja, sie haben ja die Möglichkeiten. Wenn sie sich alle an einen Tisch setzen und sagen würden: Ab morgen machen wir es anders.

MNT: Ich vergleiche immer ganz gern mit meiner ersten Saison, die ich verfolgt habe, 1979. Da gab es verschiedenste Antriebskonzepte, vom 12-Zylinderboxer bis zum Turbo. Da konnte man sich auch technisch präsentieren, vielleicht sogar noch in einem größeren Ausmaß. Den Renault-Turbo hat man damals noch belächelt, doch später war er bahnbrechend.

Man könnte auch heute in einem offenen Reglement Technik präsentieren. Was spricht dagegen, dass jemand von mir aus es mit einer zehnrädrigen Raupe probiert oder was auch immer? Denn die Technik, sprich die Boliden, sehen für den Laien schon seit Jahren gleich aus. Eine wirkliche Werbung und Aufmerksamkeit wäre für einen Hersteller gegeben, wenn er ein Auto baut, welches aussieht wie kein anderes, welches mit einem einzigartigen technischen Konzept arbeitet.

Es gab vor ein paar Jahren diese Flügel auf der Nase, in Monaco kamen die auf – Jordan und Arrows haben das probiert, das war geil. Doch sobald etwas Innovatives auftaucht, wird es gleich wieder verboten.


STS: Dass alle Autos so ähnlich aussehen liegt ja auch an der technischen Inzucht, weil jeder ständig das Team wechselt und das Know How somit gleichmäßig auf alle Teams verteilt wird. Es herrscht ein Kommen und Gehen bei den Ingenieuren und jeder macht das selbe. Und jeder ist nur darauf bedacht, dass er noch ein Tausendstel findet. Und gleichzeitig bietet das Reglement keinen Spielraum.

Andi Gröbl: Sie scheuen sich vor allem vor den großen Schritten. Die Formel 1 ist immer dann interessant gewesen, wenn es Vielfalt gab – wie du vorhin erwähnt hast: Schürzen, Turbomotoren, da war eine unglaubliche Spannung drinnen: Wie lange hält der depperte Turbo vom Jean Pierre Jabouille? Fetzt er ihm wieder in der 16. Runde um die Ohren? Fährt der vielleicht sogar mal bis zur Rennmitte? Das war technisch nachvollziehbar und interessant.

MNT: Das war auch sehr mutig, eigentlich.

Andi Gröbl: Na klar.

MNT: Wenn das nicht geklappt hätte, wäre Renault nicht als der Turbopionier sondern als der Turbokasperl in die Geschichte eingegangen.

Andi Gröbl: Und es gibt da ja viele Dinge, die man auch für die Serie noch perfektionieren kann. Was spricht wirklich dagegen, dass ich wieder mit einem Sechsradboliden durch die Gegend fahre? Oder mit einem Dieselmotor? Oder einem Wankelmotor? Oder auch einem Elektromotor, in Gottes Namen. Oder was auch immer.

MNT: Wasserstoff.

Andi Gröbl: Ja, es gibt so viele Herausforderungen.

MNT: Früher haben die Hersteller auch gesagt: Wir wollen in der Formel 1 für die Zukunft entwickeln. Aber was derzeit gemacht wird – Traktionskontrolle, Motor-Mapping – das ist ja im Grunde schon wieder ein alter Hut. Traktionskontrolle ist Alltag in der Serie.

Das ist in Wahrheit wahrscheinlich nur interessant für die Powerpoint-Präsentationen bei Mercedes oder einem andren Hersteller – halt um beispielsweise Großkunden zeigen zu können: Da, seht her. Da haben wir 14 Tausendstel gefunden. Aber das Publikum hat davon nichts und daher ist es ja auch logisch, dass die Quoten sinken. Das Publikum merkt ja in erster Linie nur den Verlust an Qualität.

Absurd ist aber wieder: Trotzdem war 2003 eines der besten und spannendsten Jahre seit langem. Würdest du das auch so sagen?


Andi Gröbl: Ja, absolut. In jedem Fall.

MNT: Nur: Warum war 2003 so spannend?

Andi Gröbl: Alleine schon aus der Tatsache heraus, dass du vor einem Rennen nie gewusst hast, wer gewinnen wird. Es hat ganz wenige Rennen gegeben, wo man vorher schon gewusst hat: Okay, der Pilot X wird hier gewinnen. Es hat viele Überraschungen gegeben. Wenn man nur den Unterschied betrachtet zwischen Budapest, wo der Michael Schumacher von Fernando Alonso überrundet wurde und Monza, wo er die anderen wieder in Grund und Boden gefahren ist.

Das war eigentlich das, was die Formel 1 in der Vergangenheit spannend gemacht hat. Das man sich nicht sicher sein konnte: Geht’s auf? Geht’s nicht auf? Und dass da auch eine Bandbreite war. Dass nicht die Frage war: Hat er jetzt mit vier oder mit fünf Zehntel Vorsprung Pole-Position? Sondern dass die Frage war: Steht er auf dem ersten oder auf dem sechzehnten Startplatz? Also das hat schon einiges gebracht, finde ich.

Und dann natürlich dass du neue Typen hast wie den Fernando Alonso, den Kimi Raikkonen, die wirklich auch gewinnen können. Das tut der Formel 1 einfach gut. Auch der Sieg von Giancarlo Fisichella, egal wie er zustande gekommen ist. Das ist eine Geschichte, die halt nur die Formel 1 schreibt. Und das Brasilien-Rennen war supersupergeil, das war echt toll.

MNT: Aber Brasilien wäre ohne das neue Reglement auch nicht anders gewesen, denke ich.

Andi Gröbl: Ja. Naja, vielleicht wäre es in Nuancen anders gewesen.

MNT: Ich frage mich halt: Wer weiß, ob dieser neue Qualifying-Modus wirklich so viel ausgemacht hat? Wir werden es 2004 sehen. Ich glaube, dass 2003 auch sehr viel der sogenannte Reifenkrieg für Abwechslung und Spannung gesorgt hat.

Andi Gröbl: Das mit den Reifen ist halt auch so eine Sache. Was ich nicht verstehe ist, dass die Piloten alle einhellig fordern: Gebt uns wieder die Slicks. Egal mit wem du sprichst, das wollen alle. Einfach weil das für das Fahren viel besser ist. Sie sagen: Ihr werdet sehen, die Autos werden wieder rutschen. Da kannst du ein bisschen mehr mit dem Gaspedal machen.

Die FIA hat eine panische Angst vor zu hohen Kurvengeschwindigkeiten, was ich aber überhaupt nicht nachvollziehen kann. Weil die kann ich aerodynamisch gleich wieder kaputtmachen. Das wäre ja egal – da mache ich zwei Stufen in den Unterboden rein und die Kurvengeschwindigkeiten sind wieder geringer.

MNT: Das sage ich ja auch recht oft, du sprichst mir da aus der Seele. Weil wenn ich Slicks raufschraube und die Aerodynamik entsprechend reduziere, dann gibt es keine zu hohen Kurvengeschwindigkeiten. Es gibt die physikalische Grenze, die heißt Rutschgrenze. Wenn einer zu schnell in die Kurve fährt, fliegt er eben raus. Dann muss er eben jene Geschwindigkeit wählen, welche die jeweilige Kurve halt verträgt.

Andi Gröbl: Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist: Der profillose Slick-Reifen hat einen Grenzbereich – der kann rutschen und du bist nicht gleich weg. Wie im Gokart. Da merkst du: Uhps, das rutscht weg – und wenn du gescheit bist, bist du bald wieder auf der Linie.

Mit den Rillenreifen haut es dich raus und du bist weg. Der schaut, dass er genau bis 99,9 Prozent kommt und wenn er das Äutzerl zu viel erwischt – puff, weg ist er. Weil dann kann er auch nicht mehr korrigieren.

MNT: Das ist ja das Traurige: Wenn jemand im Kartsport einen, wie man sagt, sensiblen Hintern hat, dann kann er den in der Formel 1 gar nicht einsetzen. Und ebenso traurig ist auch, dass man die Aussagen der Fahrer, nicht nur in punkto Slicks, nicht ernst nimmt.

Andi Gröbl: Und das ist auch sehr bezeichnend für den Zustand der Formel 1. Dass die Fahrer heutzutage halt einfach Befehlsempfänger sind. Ein Niki Lauda, der einen Fahrerstreik anzettelt und die wie in Kyalami auf einer Matratze übernachten lässt, das wäre heute undenkbar.

Überlege dir nur was los war nach dem 11. September 2001, als dann der Michael Schumacher versucht hat, seine Kollegen an der Startaufstellung zu überreden, zumindest bis zur ersten Kurve nicht zu überholen. Alleine das war schon eine Sensation, dass er auf die Idee gekommen ist. Aber das war, weil der einfach so schockiert war. Erstens von dem Anschlag am 11. September und zweitens von dem fürchterlichen Zanardi-Unfall auf dem Lausitzring.

Da herrschte auch ganz, ganz miese und trübe Stimmung und es war nachvollziehbar, warum der Michael das gemacht hat. Neben jedem Auto ist ein Manager gestanden, mit dem dicken Scheckbuch, und der hat gesagt zu seinem Piloten: „Lass ihn reden, den Herrn Weltmeister. Du greifst an!“ Auf die Fahrer hört keiner mehr.

MNT: Beklagen sich die Fahrer bei dir über die gegenwärtige Situation? Zum Beispiel off-records?

Andi Gröbl: Meistens dann, wenn sie nicht mehr in der Formel 1 sind. So lange sie noch fahren oder so lange sie noch eine Chance haben auf ein Cockpit, halten sie dicht. Weil: Ein paar Millionen Dollar sind halt ein paar Millionen Dollar. Die nimmt man schon gern.

MNT: Das wäre jetzt ein schönes Schlusswort. Aber wir hätten noch ein Stichwort: Das Internet. Von manchen hoch gepriesen, von anderen als Internetblase bezeichnet. Viel Schrott, aber auch viel und vor allem schnelle Information. Wie stehst du zu diesem Medium?

Andi Gröbl: Heute ist es so, dass du ohne dem Internet nicht mehr vernünftig arbeiten kannst. Das ist ganz klar, weil es ist einfach so schnell. Und ich glaube es hat sich auch ein gewisses Bewusstsein entwickelt – für vertrauenswürdige Quellen und für Humbug. Und es gibt sehr wohl ganz seriöse, top professionelle, bestens informierte Journalisten im Internet, die du bei keiner Zeitung und bei keinem Fernseh- oder Radiosender findest, weil es das Medium in der Form einfach nicht erlaubt.

Ich kann minutenschnell alle möglichen Daten abfragen über das Internet, die ich nirgendwo sonst finden kann. Ich kann nur sagen: Ich und auch meine Kollegen lieben das Internet. Weil für uns hat es die Arbeit wahnsinnig erleichtert. Da hast du sozusagen lauter Außendienstmitarbeiter, die dich nichts kosten. Du hast Leute sitzen in England, in Brasilien, die dich gratis mit Informationen füttern. Das Internet ist für einen Journalisten, der tagesaktuell sein will und der nichts versäumen möchte, ein Paradies.

MNT: Man sagt ja, dass die Medien Fernsehen und Internet bald einmal zusammenwachsen werden. Man baut schon TV-Geräte mit Tastaturanschluss. Bereitet ihr euch beim Fernsehen schon auf diese Phase vor, auf die Interaktivität? Dass man dann auch bei euch irgendwo draufklicken kann und nebenbei noch irgendwelche anderen Infos erhält?

Die Vorstellung ist ja noch relativ jung – aber wenn die Bandbreiten mal größer respektive das Internet noch schneller wird, kann ich mir gut vorstellen, dass das dann ein großes interaktives Medium sein wird. Du als Visionär, der beim ORF gleich mal ein Verbesserungskonzept gebracht hat, hast du schon Ideen für diese Zukunft?


Andi Gröbl: Gut, diese Dinge liegen nicht in meinem täglichen Arbeitsbereich. Aber ich habe damals in dem angesprochenen Verbesserungskonzept schon eine Idee einfließen lassen, die in diese Richtung geht. Da wäre geplant gewesen, dass man eine auf den Fahrer bezogene Datenbank einblendet, wenn etwas besonderes passiert. Beispiel: Der Fahrer X hat einen Unfall in der ersten Runde. Jetzt interessiert mich vielleicht als Zuseher: Wie oft ist das diesem Fahrer schon passiert?

Der Herr Andrea de Cesaris zum Beispiel, dem ist das Kunststück gelungen, zwölfmal in der ersten kurve einen Unfall zu haben. Das ist einsamer Rekord. Andere sind gar nicht so viele Grand Prix gefahren, wie der Andrea de Cesaris in der ersten Kurve ausgefallen ist. Dass man so eine Datenbank dem Zuschauer mit anbietet, das ist natürlich sehr visionär. Wir werden sehen.

MNT & STS: Auch ein schönes Schlusswort. Wir danken dir für das Gespräch und alles Gute für deine erste GP-Kommentation auf Tele5!

Sendezeiten Tele 5:

Formel 1 Talk: 16.45 - 18.30 Uhr (Sonntag)
Formel 1 Race: 18.30 - 21.00 Uhr (Sonntag)
Formel 1 Win: 21.00 - 22.00 Uhr (Sonntag)

Montreal, Indianapolis und Sao Paulo:

Formel 1 Talk: 21.15 - 23.00 Uhr (Sonntag)
Formel 1 Race: 16.45 - 19.15 Uhr (Montag)
Formel 1 Win: 19.15 - 20.15 Uhr (Montag)

Am Montag geht unsere Serie „F1-Backstage – Österreichs Reporter in der Königsklasse“ in die Zielgerade. motorline.cc traf Österreichs Mister Formel 1, Krone-Reporter und ORF-Kommentator Heinz Prüller: Über Windschattenschlachten. Über Marketingstrategien. Über sein schwierigstes GP-Wochenende, als sein bester Freund Jochen Rindt verunglückte und er kommentieren musste. Über Christian Klien. Über das Zahlengedächtnis. Über Schumi’s „Hans Rosenthal“-Sprung. Viel Formel 1-Geschichte und viele Anekdoten...

News aus anderen Motorline-Channels:

Formel 1: Backstage

Weitere Artikel:

Nachgefragt beim viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel: Ob er wirklich über ein Comeback nachdenkt und mit wem echte Gespräche stattfinden