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„Ich bin überzeugt: Der Gerhard kommt wieder!“

Gerald Pototschnig berichtet seit 20 Jahren für die Kleine Zeitung aus dem Formel 1-Zirkus. motorline.cc besuchte ihn in der Grazer Redaktion.

Michael Noir Trawniczek

Ende November 2003. Fahrt mit dem motorline.cc-Testwagen nach Graz. In die Redaktion der Kleinen Zeitung. Dort sitzt Gerald Pototschnig. Er betreut unter anderem den Ressort Motorsport. Vor rund zwanzig Jahren wurde er von Gerhard Kuntschik in die Formel 1 eingeführt, seither berichtet er aus der Königsklasse. Er hat die Berger-Ära miterlebt Gemeinsam mit Alex Wurz hat er das Buch „Alexander Who?“ verfasst. Von der Redaktion zum A1-Ring ist es kein weiter Weg. Der Verlust des Formel 1-Grand Prix schmerzt. Die Politik habe bewusst einen vorzeitigen Vertragsausstieg Bernie Ecclestones in Kauf genommen, sagt Pototschnig. Detail am Rande: Nicht etwa ein Rennfahrzeug oder ein Königsklassenpilot fungiert bei Pototschnig als Bildschirmschoner. Es ist der Papst, dem man auf seinem Monitor über die Schulter blickt.

Im ersten Teil des zweiteiligen Gesprächs spricht Gerald Pototschnig über seine Anfangsjahre. Grotesk: Der erste Formel 1-Wagen, den er in natura sieht, verunglückt auf der Stelle, der Pilot Mark Donahue ließ bei dem Unfall sein Leben. Der erste Österreich-Grand Prix, von dem Pototschnig berichtete, war auch gleich wieder der letzte. Das war 1987 die folgeträchtige Massenkarambolage. Das erste Buch, welches er für respektive gemeinsam mit Alex Wurz geschrieben hat, war auch gleich wieder das letzte Formel 1-Buch zum Thema Wurz...

Am 1. April 2003 habe ich bei Ihnen angerufen, weil Sie geschrieben hatten, dass Alex Wurz mit SARS-Verdacht in Quarantäne gewesen sei. Da es sich dabei um einen blinden Alarm gehandelt hatte, war der Artikel recht lustig geschrieben.

An diesem Tag wimmelte es vor Aprilmeldungen und ich wollte mich vergewissern, dass es sich nicht um einen Aprilscherz handelt. Sie sagten dann recht empört, dass Sie seit zwanzig Jahren seriöse Formel 1-Berichterstattung betreiben. Wie hat das damals angefangen?


Gerald Pototschnig (lacht): Ah, ja, da kann ich mich erinnern. Wir haben ja im Jahr 2003 ein Jubiläum gefeiert: 50 Jahre Formel 1-Berichterstattung. Der Gerhard Kuntschik, quasi mein Ziehvater in der Formel 1, berichtet seit 30 Jahren und ich seit 20 Jahren.

Er schreibt für die Salzburger Nachrichten, aber wir sind gute Freunde und kommen uns vom Konkurrenzdenken her nicht in die Quere. Ich habe mit dem Journalismus im Frühsommer 1981 begonnen, als Freier Mitarbeiter der Südost Tagespost. Für die Tagespost bin ich 1983 zum ersten Mal als Journalist zu einem Grand Prix gekommen.

Damals war aber die Sportredaktion schon ausgelastet und ich habe für den Lokalteil ausgeholfen. Da bin ich dann halt eine der ersten Runden mit dem ÖAMTC-Rettungshubschrauber über den Österreichring geflogen und habe eben über solche Dinge am Rande berichtet. Aber ich war halt bei der Formel 1 dabei und da ist man als junger Bursche ja mächtig stolz.

War da Ihr Ziel, Sportreporter zu werden oder haben Sie dann bereits die Formel 1 fokussiert?

Gerald Pototschnig: Weder noch. Der Sportreporter war eigentlich mehr ein Hobby und diente mir dazu, ein Taschengeld zu verdienen. Ich war ja Student, wollte damals eigentlich Medizin studieren. Die Formel 1 war schon wichtig, ich war als 14jähriger mit meiner Mutter das erste Mal am Ring – kurioserweise mit einer Leserreise der Kleinen Zeitung.

Der erste Formel 1-Pilot, welchen ich in Aktion gesehen habe, war der Mark Donahue. Allerdings nicht sehr lange. Weil der ist hinaufgeröhrt über die Steigung zur Hella-Licht Schikane, dann hat es Bumm gemacht und das Auto war weg. Das war der tödliche Unfall des Mark Donahue. Da war ich ja noch außerhalb der Zäune als Zuschauer. 1983 aber war ich dann innerhalb der Zäune und es ist dann mit dem Journalismus recht rasant losgegangen.

Ich habe dann ein Angebot von der Kleinen Zeitung für die Sportredaktion bekommen und ich habe nicht lange überlegt. So richtig habe ich dann erstmals 1987 vom Österreich-Grand Prix berichtet - das war jenes Rennen, welches dann nach der Massenkarambolage lange Zeit das letzte gewesen ist. 1988 wechselte der damalige Ressortleiter und ich habe mir den Motorsport unter den Nagel gerissen. Ab 1989 bin ich dann zu den Formel 1-Grand Prix gefahren.

Sie haben vorhin den Kollegen Gerhard Kuntschik erwähnt, der Sie als „Ziehvater“ in die Formel 1 eingeführt hat. Wie darf man sich das vorstellen?

Gerald Pototschnig: Ich verdanke dem Gerhard Kuntschik irrsinnig viel, weil er damals schon so viele Leute in der Formel 1 kannte und er mich vorgestellt, zum Abendessen, zum Presselunch mitgenommen hat. Zugleich habe ich einen starken Ehrgeiz entwickelt und ich selber viel Initiative an den Tag gelegt.

All die langjährigen Kollegen wie beispielsweise Helmut Zwickl oder eben Gerhard Kuntschik singen ein Klagelied. Die Formel 1 verwandelte sich von einer Art freundschaftlichen Familie zu einer Presseaussendungs-Wüste mit Maulkorberlass und vertrockneten Pilotenworthülsen.

Gerald Pototschnig: Gut, ich stamme ja nicht wie Zwickl oder Kuntschik aus der Urzeit. Diese Zeit, als sich die Piloten noch im Fahrerlager die Rennoveralls runtergekrempelt haben und mit nacktem Oberkörper auf der Boxenmauer in der Sonne gelegen sind – diese Zeiten habe ich ja nicht mehr miterlebt.

Aber bei meinem ersten Grand Prix für die Tagespost hatten wir Wohnwägen hinter der Haupttribüne, das waren quasi unsere privaten Pressezentren. Der Kurier hatte einen, wir hatten einen – so etwas wäre heute undenkbar. Heute würdest du mit einem Wohnwagen nicht mal in die Nähe eines offiziellen Parkplatzes an der Rennstrecke gelangen.

Du konntest damals schon noch direkt mit den Piloten und den Teammitgliedern reden, du hast noch nicht für jedes Wort einen eigenen Pressesprecher gebraucht. Ich hatte auch das Glück, dass ich im Prinzip gemeinsam mit dem Gerhard Berger groß geworden bin. Ich habe die Berger-Ära miterlebt und der Gerhard hat glücklicherweise nichts von Pressesprechern gehalten und hat selber geredet und noch dazu einfach gesagt, was er gedacht hat.

Wie war oder wie ist euer Verhältnis?

Gerald Pototschnig: Ich würde mir nicht anmaßen zu sagen, ein Freund vom Gerhard Berger zu sein. Aber nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten – bis man sich näher kennen lernt bzw. bis er halt auch weiß, ob er dir vertrauen kann – glaube ich doch, dass es mehr war als ein stinknormales Arbeitsverhältnis. Wir telefonieren regelmäßig.

Ich glaube, wir werden den Gerhard 2004 sehr vermissen. Ich glaube nicht, dass ich übertreibe, wenn ich sage: Er war einer der sympathischsten Typen im Fahrerlager der Formel 1. Ich bin überzeugt: Er kommt wieder. Und ich hoffe möglichst bald, weil er für uns Journalisten Gold wert ist.

Ich glaube auch, dass es ihn bald wieder unter den Fingernägeln jucken könnte. Die Frage ist nur: Bei welchem Projekt?

Gerald Pototschnig: Naja, es geistert die ganze Zeit diese VW-Geschichte durch die Medien, aber ich weiß nicht, ob da wirklich was dran ist. Die Formel 1 ist allgemein im Umbau, da wird sich sehr viel tun in den nächsten Jahren. Da muss man einfach warten und ich glaube, dass auch der Gerhard abwartet, um sehen zu können, in welche Richtung die einzelnen Entwicklungen gehen.

Lesen Sie morgen Mittwoch den zweiten Teil des Gesprächs mit Gerald Pototschnig auf motorline.cc: Über Styroporheinis, den Kleinkrieg zwischen dem Berger- und dem Wurz-Lager und dem schmerzhaften Ende des Österreich-GP.

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