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„Irvine hat sich umgedreht und ist gegangen – auf Sendung!“

Teil 2 des Gesprächs mit Tele5-Kommentator Andi Gröbl: Über verbotene Früchte im Fahrerlager und die Schwierigkeit, mit Ralf Schumacher mehr Zeit zu verbringen als mit der eigenen Frau.

Michael Noir Trawniczek (MNT)
& Stefan Schmudermaier (STS)
Fotos: Andi Gröbl, Jacqueline Zibarth
& motorline.cc

MNT: Bei dem ORF-Test haben sie von 30 Kandidaten dann 4 ausgewählt und du warst dabei. Aber: Wo warst du dabei?

Andi Gröbl: Naja, da haben sie mich noch ein bisschen schmoren lassen. Sie haben gesagt, sie schicken mir was zu und das hat dann ungefähr eine Woche gedauert. Da habe ich dann einen Brief bekommen, wer von diesen Juroren, die bei den Tests in der Jury gesessen sind, Interesse an mir hat. Das wäre gewesen Ö3, die Zeit im Bild und der Sport.

MNT: Und da stand dann drinnen, dass die Sportredaktion dich für die Formel 1 einsetzen möchte?

Andi Gröbl: Nein, das nicht. Ich habe von Beginn an gesagt, dass ich gern zum Sport möchte. Mein Antrieb war eigentlich ähnlich jenem, warum Fußballer gerne Schiedsrichter werden. Dass man pausenlos viele schlechte Schiedsrichter sieht und denkt: „Was der zusammenpfeift - das kann ich auch.“

Und ich habe mir gedacht: „So wie die Formel 1 machen - das kann ich auch. Oder: Da könnte man noch viel, viel mehr machen.“ Und dann bin ich mich halt überall vorstellen gegangen und die Fernseh-Sportabteilung war die einzige, die gesagt hat, dass ich es wohl probieren kann, dass sie mir aber keine Garantie dafür geben könnten, dass sie mich dann auch nehmen.

In den anderen Abteilungen hätte ich sofort arbeiten können. Wenn ich ins Landesstudio Wien gegangen wäre, hätten sie gesagt: „Okay, da hast du dein Aufnahmegerät, geh’ raus auf die Straße, mach deine erste Geschichte und du kriegst dein erstes Honorar.“

Nur beim Sport wollten sie es langsam angehen. Ja und dann gehst du halt dort rein und siehst all diese Legenden wie Peter Elstner, Gerhard Zimmer, Sigi Bergmann – da kriegst du eine trockene Kehle und denkst: „Wie mache ich das jetzt bloß?“

Dann kamen so kurze Einsätze. Beim Fußball. Oder der Peter Klein hat mich einmal mitgenommen zur ÖMV-Rallye. Und mein erster Eindruck war eigentlich: Wie gibt es das, dass die jeden Tag eine Sendung zusammenbringen? Die sind so chaotisch, die sind so unorganisiert, das kann doch gar nicht funktionieren. Das war mein erster und eigentlich auch mein bleibender Eindruck.

Das hat sich dann noch verstärkt. Zum Beispiel bei Großereignissen. Nach einem halben Jahr war dann Nagano, Ski-WM. Da haben sie mich zum ersten Mal durchgehend eingesetzt, danach war die Fußball-WM in Frankreich.

Und da kommst du schnell dazu, Dinge zu machen, die du sonst halt nicht machen kannst. Da kommentierst du halt schnell mal so eine Fußball-Zusammenfassung. Dass das alles so auf Zufall basiert, war eine Riesenüberraschung für mich. Aber auch darin habe ich relativ schnell eine Chance gesehen.

Ich bin hin und habe gesagt: „Formel 1? Super. Prüller? Super. Aber: Da könnte man noch so viel mehr machen.“ Das war eigentlich dann der Beginn, das muss gewesen sein Ende 97, da habe ich halt mal, wie ich es aus meiner Lehrerzeit gewohnt war, alle wichtigen Punkte zusammen geschrieben, habe das kopiert und an ein paar Leute verteilt.

MNT: Ein Verbesserungs-Konzept.

Andi Gröbl: Ja genau, richtig. Da sind zum Beispiel Sachen drinnen gestanden wie dass es geschickt wäre, einen permanenten Boxen-Interviewer zu haben.

MNT: Das hat ja dann die Tanja Bauer gemacht.

Andi Gröbl: Und vor der Tanja hat es beim ORF eigentlich niemand getan oder es wurde nur sporadisch gemacht. Und auch dieses Vorlaufkonzept. Mit einer Gewichtung an historischen Beiträgen, an Personality-Geschichten, Technik-Specials – mit einem dramaturgischen Ablauf...

MNT: Das Vorlaufkonzept hast also du erfunden?

Andi Gröbl: Das behaupte ich mal, ja. Weil vorher hat es das nicht gegeben. Und die sind dann natürlich wie die Hyänen über mich hergefallen.

MNT: Nach dem Motto: Was erlaubt sich der?

Andi Gröbl: Ja, sie dachten wohl: Wir sind da seit 30 Jahren. Und plötzlich kommt da so ein Hosenscheißer daher und sagt uns, wie Formel 1 geht. Wobei, das muss ich ganz ausdrücklich sagen, der Heinz Prüller hat nicht so reagiert.

Der Heinz hat mich zwar immer sehr - in der Fußballersprache würde man sagen abgeklopft, hat geschaut: Wie gut ist er wirklich? Was kann er? Was hält er aus? Aber alles in einem sehr fairen Rahmen. Dem Heinz kann ich da wirklich nichts Böses nachsagen.

MNT: Er scheint auch offen zu sein für Neues.

Andi Gröbl: Ja, solange er der Mister Formel 1 ist. Und der ist er halt. Der Heinz hat dann auch über die Jahre erkannt, wie bequem sein Leben sein kann, wenn er die Leute, die das können, ihre Arbeit machen lässt. Er hat früher immer relativ viel an sich gerissen. Einfach aus der Angst heraus, dass die Leute das schlecht machen könnten.

Das war ja oft auch gar nicht so unberechtigt. Klar, er hat da etwas aufgebaut über die Jahre und Jahrzehnte und plötzlich kommt da irgendeiner, der ein Nasenbohrer ist und keine Ahnung hat.

Und mit ein paar dummen Interviews bist du die Reputation bald wieder los. Und der Heinz hat sowohl bei der Tanja als auch bei mir gesehen, dass das gut funktioniert. Dass da vernünftige Sachen dabei heraus kommen. Und er hätte das auch alles nicht mehr alleine geschafft. Die vielen Beiträge, die dort auch geschnitten werden, das schafft ein Mensch alleine nicht.

MNT: Also du hast dieses Konzept geschrieben. Da waren sie dann ein wenig aufgebracht. Aber sie haben es akzeptiert. Was ist dann passiert?

Andi Gröbl: Der unmittelbare Effekt war, dass sie dann die Tanja Bauer ins Fahrerlager geschickt haben.(lacht)

MNT: Hat dich das getroffen, dass sie nicht dich hingeschickt haben. Dachtest du, das war ein Schuss ins Knie?

Andi Gröbl: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich habe gedacht: „Das muss ein Zufall sein. Das kann nicht sein, dass - weil ich das jetzt alles vorgeschlagen habe - die sich plötzlich wirklich daran halten.“ Und wahrscheinlich war es bis zu einem gewissen Grad auch ein Zufall, weil halt einfach auch die Zeit für diese Verbesserungen reif war.

Vielleicht waren gewisse Überlegungen ja auch schon da, aber es ist halt zeitlich so zusammengefallen, dass gerade als ich das Konzept abgegeben hatte, damit begonnen wurde, diese Ideen umzusetzen.

Die Tanja haben sie dann zum ersten Mal zum Grand Prix von Österreich 1997 ausgeschickt. Das war, als wir den Grand Prix wieder zurück erhielten. Da weiß ich noch, dass wir alle da gesessen sind und um die Tanja gezittert haben, als sie mit dem Norbert Haug ihre erste Live-Außenstelle machen musste.

Der Norbert Haug hat ihr den McLaren-Mercedes von Mika Hakkinen und David Coulthard erklärt. Und wir sind da gesessen und sagten: „Oh bitte, lass sie leben.“ Und der Norbert hat das wirklich auf eine ganz charmante Art und Weise absolviert und es war alles in Ordnung. Und es verbindet ihn heute noch ein sehr inniges Verhältnis zur Tanja.

Und ich habe dann halt einfach im Hintergrund arbeiten dürfen. Es ist ja nicht so, dass man alles machen kann, was man sich wünscht. Es hat halt begonnen mit einzelnen Beiträgen. Dann ist es aber relativ schnell sehr viel mehr geworden, weil ich auch viele historische Dinge gewusst habe. Und weil ich auch wusste, wie man diese Dinge dann auch ausarbeitet. Das ist dann Hand in Hand gegangen mit den längeren Vorläufen, denn bis 1996 hat es diese Stunde vor dem Rennen nicht wirklich gegeben.

Mein erster Grand Prix als Journalist war dann Österreich 1998. Da bin ich ins Fahrerlager hinein gegangen und der erste, der mir über den Weg gelaufen ist, war der Helmut Zwickl. Und ich habe mich damals nicht getraut, ihn anzusprechen. Ich war noch so ehrfürchtig. Das war unfassbar.

STS: Schön. Du hattest ja auch noch die Mappe, in die du seine Beiträge eingeklebt hast.

Andi Gröbl: Klar. Ich habe mich das ganze Wochenende über nicht getraut, ihn anzusprechen. Denn der Helmut Zwickl war für mich so etwas wie ein Formel 1-Halbgott.

MNT: Dabei hätte er sich wohl gefreut, wenn du ihn angesprochen hättest...

Andi Gröbl: Ja eh. Ich habe ihn später dann auch angesprochen, als ich ein bisschen firmer war in der ganzen Materie. Das ist halt am Anfang alles neu für dich. Du gehst da rein in dieses Fahrerlager. Und du hast ja keine Ahnung.

Das beginnt bei ganz einfachen Dingen wie: Wo kann ich aufs Klo gehen? Oder: Da liegt jetzt ein Teller mit Früchten – darf ich mir da jetzt eine Weintraube stehlen oder erschießen die mich? Wie komme ich jetzt zu einem Interview? Gehe ich jetzt zu dem Fahrer einfach hin, gebe ihm die Hand und sage Servas?

MNT: Hat man dir das nicht vorher erklärt?

Andi Gröbl: Nein, überhaupt nicht.

STS: Ins kalte Wasser geworfen.

Andi Gröbl: Alles learning by doing. Und das Highlight dieses ersten Rennwochenendes war ein Interview – wo sie mich alle sehr verehrt haben dafür: Ferrari-Pilot Michael Schumacher war Vierter, Eddie Irvine - damals auch auf Ferrari - war Dritter. Und drei Runden vor Rennschluss hat der Irvine ganz mysteriöse Bremsprobleme bekommen und der Schumi durfte von 4 auf 3 vorrücken. Und kaum war er vorbei, waren die Bremsprobleme bei Irvine wieder weg.

Und ich bin nach dem Rennen sofort zum Irvine hin - der war ja dann eben Vierter und musste deshalb nicht zur Pressekonferenz der Top3 - und ich habe ihn wirklich ganz blöd - und wie es jeder normale Zuseher auch machen würde - nicht gefragt, was los war, sondern ich sagte: „Du hast den Michael Schumacher überholen lassen müssen, gell?“ Das alles natürlich auf Englisch.

Und der Irvine war auf eine solche Frage nicht vorbereitet und hat irgendwas von Brakes daher gemurmelt. Und ich fragte ihn: „Also war das nicht freiwillig?“ Und der hat sich dann wirklich auf Sendung einfach umgedreht, ohne ein Wort zu sagen, und ist gegangen. Das haben wir alles gespielt, das war ja live. (Gelächter)

MNT: Cool.

Andi Gröbl: Ich war auch nicht vorbereitet. Ich war so blauäugig. Ich habe gedacht, dass man mit denen einfach ganz normal reden kann. Und ich hab mir vorgestellt, dass der Irvine dann sagt: „Ja, weißt eh, ich habe den Schumi halt vorbeilassen müssen.“ (Gelächter)

Das war ein relativer Kulturschock für mich. Ich habe mir zunächst gedacht, dass das daran liegen könnte, dass halt dieser Eddie Irvine so eigenartig ist. "Die anderen sind sicher alle ganz nett", habe ich damals gedacht...

Ab Magny Cours 1999 haben sie mich dann zu jedem Rennen mitgenommen, mit Ausnahme von ein paar Überseerennen.

MNT: Sind die Fahrer eigentlich dazu verpflichtet, dir zu antworten? Gibt es irgendwelche Regelungen zwischen Sendeanstalten und beispielsweise der SLEC oder der FOA? Dass man dem Piloten sagt: Der ORF zahlt für das TV-Paket. Und wenn der Andi Gröbl mit seinem Mikro kommt, hast du ihm zu antworten?

Andi Gröbl: Nein, das ist freiwillig. Die einzige Verpflichtung der Fahrer ist, dass - wenn sie unter die ersten Drei des Rennens oder des Qualifyings gelangen - sie sich hinsetzen müssen zu dieser Wand, zur FIA-Pressekonferenz. Der Erste in der Mitte und die anderen beiden neben ihm. Dort müssen sie die Fragen des ausgesuchten Interviewers beantworten. Das ist die einzige Verpflichtung, die sie haben. Natürlich gibt es im Hintergrund gewisse Sponsorinteressen. Je kleiner das Team, desto bereitwilliger die Fahrer.

MNT: Du hast als TV-Mensch überall im Fahrerlager freien Zutritt, kannst in die Zelte und Motorhomes reingehen?

Andi Gröbl: Nein. Wenn du nicht über besondere Connections zu den Teams verfügst, dann ist der einzige Platz, an dem du dich aufhalten kannst, das Pressezentrum. Und selbst da brauche ich einen eigenen Sticker. Und halt das Fahrerlager an sich. Und das ist im Prinzip nur diese schmale Straße, dieser schmale Schlauch zwischen den Motorhomes.

MNT: Gibt es Piloten, die umdrehen, wenn sie dich sehen?

Andi Gröbl: Mich persönlich? (lacht)

MNT: Andersrum gefragt: Gibt es Piloten, die sich freuen, wenn Sie dich sehen? Du kriegst ja sicher auch ein Feedback von den Fahrern, ein Feedback auf deine Person?

Andi Gröbl: Absolut.

MNT: Der eine redet gerne mit dir, der andere vielleicht weniger gerne...

Andi Gröbl: Das ist ganz logisch, dass es Sympathie und Antipathie gibt. Wie in jedem Beruf. Und ich sage manchmal etwas überspitzt: Die Fahrer sind meine Arbeitskollegen. Und das sind sie de facto ja auch. Weil ich verbringe mit dem Herrn Ralf Schumacher mehr Zeit als mit meiner Frau. In Summe. Leider Gottes. (Gelächter)

Aber so professionell sind die Piloten, dass sie es zumindest nicht heraushängen lassen, wenn sie gerade überhaupt nicht wollen. Sie wissen, sie haben jetzt ihre Interview-Slots, das sind eh nur 5 bis 10 Minuten am Tag und da müssen sie halt hin. Es äußert sich dann eher so, dass sie zu spät kommen. Oder dass sie dann sagen: „Ich habe jetzt aber nur mehr zwei Minuten, weil ich muss schon wieder in ein Briefing.“

Aber um die Frage zu beantworten: Es gibt sicher Fahrer, wo du einfach merkst: Da stimmt die Chemie. Der kommt zu dir, auch wenn du nicht mit dem Mikrofon in der Hand daher kommst. Oder wo man einfach mal an einer Ecke steht und plaudert. Mark Webber zum Beispiel, das ist ein ganz ein toller Kerl. Und es hilft dir natürlich, wenn du die Fahrer nicht erst sozusagen beim Formel 1-Eintritt abholst bei der Tür, sondern wenn du sie vorher schon ab und zu begleitet hast, durch die Formel 3000, die Formel 3 und so weiter.

Ich hatte halt nicht das große Plus, so gut auszusehen wie die Tanja Bauer. Mein großes Plus war aber, dass ich für den ORF immer die Nachwuchsserien betreut habe. Die Piloten kannten mich aus einer Zeit, in der ihnen noch nicht hundert, sondern nur zwei Journalisten nachgerannt sind. Das vergessen die nicht so schnell.

Es wird natürlich auch für die Fahrer immer schwieriger. Juan Pablo Montoya ist ein Weltstar, der sich nicht mehr ohne Bodyguards bewegen kann. Aber selbst bei ihm merkst du, dass er sich schon noch daran erinnern kann, als du in seiner Formel 3000-Zeit beim Marko-Team vorbeigekommen bist und mit ihm geplaudert hast.

Morgen Mittwoch finden Sie auf motorline.cc den dritten Teil des Gesprächs mit Tele5-Kommentator Andi Gröbl: Über die oftmals absurde Situation, im Grand Prix ausgefallene Piloten zu befragen, ohne den Rennverlauf zu kennen. Über die strengen Interview-Regeln des Michael Schumacher und das Corporate Behaviour der modernen Formel 1-Piloten.

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