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„Mir wir am liebsten, Wurz und Klien würden beide GP fahren...“

Teil 2 des Gesprächs mit Gerald Pototschnig: Über Styroporheinis, den Kleinkrieg zwischen dem Berger- & dem Wurz-Lager und das Ende des Österreich-GP.

Michael Noir Trawniczek

Sie haben das Buch „Alexander Who?“ geschrieben. Sie haben also gute Beziehungen zu zwei Menschen, die zueinander nicht unbedingt die beste Freundschaft pflegen.

Gerald Pototschnig: Damit hatte ich eigentlich kein Problem, obwohl es immer diese beiden politischen Lager in der Formel 1 gegeben hat, wenn man das so sagen darf. Das Berger-Lager und das Wurz-Lager. Sie haben natürlich versucht, für das jeweilige Lager Stimmung zu machen, aber das gehört zur Formel 1 dazu, das sind die üblichen Spielchen. Aber ich pflegte und pflege zu beiden ein sehr gutes Verhältnis.

Nochmals zu dem Buch „Alexander Who?“...

Gerald Pototschnig: Das habe ich 1998 mit dem Alexander Wurz geschrieben. Und dieses Jahr war ja sein erstes volles in der Formel 1 und auch sein bestes. Das Buch blieb das erste und einzige Wurz-Buch, leider Gottes. Weil wenn ihm etwas mehr gelungen wäre in der Formel 1, würde es bereits mehr Bücher über ihn geben. Wir haben die CD mit dem kompletten Buch noch immer in der Schreibtischlade.

Weil wir damals gesagt haben: Wir speichern das ab und wenn er dann Weltmeister ist, sind wir die ersten, die sofort die aktuelle Weltmeister-Ausgabe des Buchs auf dem Markt haben (lacht). Das hat es bis heute leider nicht gespielt. Beim Alex traue ich mich schon zu sagen, dass es fast ein freundschaftliches Verhältnis ist. Ich habe ja seine ganze Entwicklung von den Nachwuchsklassen an mitverfolgt.

Manche sagen ja, dass sein Manager zu den Benetton-Zeiten nicht unbedingt vorteilhaft für ihn agiert hat.

Gerald Pototschnig: Ich muss gestehen, dass ich immer noch glaube, dass auch wir Journalisten nur die ganz kleine Spitze des Eisbergs kennen. Ich möchte nicht beurteilen, welche Rolle der Peter Kramer in der Entwicklung des Alexander Wurz gespielt hat. Er hat Wurz auf jeden Fall dabei geholfen, dass er überhaupt in die Formel 1 gekommen ist. Er hat in der Vermarktung des Alex Wurz eine große Rolle gespielt, man denke nur an D2.

Inwiefern man dann auf die falsche Strategie gesetzt hat, kann man schwer sagen. Kramer und Wurz sagten immer: „Wir warten bis Renault Benetton übernimmt.“ Doch vorher ist dann der Flavio Briatore gekommen und es hat keinen Wurz mehr gegeben.

Dabei hat ihn doch der Briatore ins Team geholt.

Gerald Pototschnig: Der Briatore hat ihn mehr oder weniger geholt. Aber da wird es etwas hinter den Kulissen gegeben haben. Ich deute es so, dass Briatore gerne bei seinen Piloten das Management übernimmt. Das haben Kramer und Wurz aber abgelehnt. Somit war Briatore dann quasi gegen sie.

Und sogleich war dann auch die Performance im Keller.

Gerald Pototschnig: Ich habe das miterlebt. Du bist völlig machtlos, wenn sich ein Team gegen dich verschwört. Und wenn dann auch noch der Teamchef anordnet, sich voll auf den einen Teamkollegen zu konzentrieren und nichts für den anderen zu tun, dann hast du keine Chance.

Zugleich wurde immenser medialer Druck aufgebaut.

Gerald Pototschnig: Klar. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass der Kollege Heinz Prüller nie ein Freund von Alex Wurz war und dass er immer ein extremer Berger-Verfechter war. Er wollte es nicht wahr haben, als der Wurz den Berger bei Benetton abgelöst hat.

Da gab es ja das erste Rennen von Wurz, bei dem der Prüller noch vom Berger gesprochen hat, obwohl der gar nicht mehr gefahren ist. Aber das darf man alles nicht überbewerten, das gehört dazu. Wir Journalisten haben da ja keinen Einfluss auf solche Entscheidungen.

Das nicht. Aber wir können beobachten, wie sich die Leute verhalten und was sie in den Medien äußern. Da gab es im letzten Jahr immer wieder diese Wurz-Jaguar-Transfergeschichte.

Da war es ein paar Mal so, dass der Alex eigentlich nichts sagen wollte, und dann aber doch immer wieder ziemlich viel gesagt hat, was dann erst Recht die Spekulationen angefeuert hat. Das hat einerseits irgendwie naiv gewirkt – oder es war ein bewusstes Zündeln.


Gerald Pototschnig: Naiv würde ich nicht sagen, dazu ist der Alex schon zu lange dabei.

Überschwenglich passt vielleicht besser.

Gerald Pototschnig: Die Jaguar-Geschichte im Mai ist ja nicht von ihm gekommen. Das sind dann eben die Intrigenspielchen der Formel 1, und die Sache ist ja dann von Jaguar-Seite durchgesickert. Und da steht halt dann auf einer britischen Website, dass Jaguar den Wurz holt und in Österreich wird das dann gleich so interpretiert, dass er schon bei Jaguar fährt. Und auch wenn es manche nicht wahr haben wollen – er war ja ganz knapp dran, dort seinen Sitz machen zu lassen.

Dass ihm dann Mercedes und der Ron Dennis einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, weil sie eine derart hohe Ablösesumme verlangt haben, dafür kann der Alex ja nichts. Aber klar: Zuerst sagt er nichts dazu. Dann sagt er natürlich den Leuten, mit denen er vertrauter ist: Das und das ist Sache. Das darfst du schreiben und das nicht. Natürlich reimst du dir als journalistischer Formel 1-Insider dann deine Geschichte zusammen. Und natürlich steht dann genau das drinnen, was eigentlich schon viel zu viel ist.

Es gibt halt auch immer wieder Journalisten, die Dinge dann trotzdem verwenden. Doch die schneiden sich letztlich ins eigene Fleisch.

Gerald Pototschnig: Also ich habe mich immer an vertrauliche Dinge gehalten und bin damit sehr gut gefahren. Du hast dadurch eigentlich mehr Vorteile als Nachteile.

Das kleine Österreich ist ja eigentlich eine ziemlich beeindruckende Formel 1-Nation. Und: Die Königsklasse wird auf verschiedene Art und Weise zu den Österreichern transportiert.

Der Heinz Prüller tut das meiner Einschätzung nach auf der emotionalen Ebene, er schürt die Leidenschaft. Der Kollege Helmut Zwickl wiederum ist der analytische und recht kritische Beobachter. Wie würden Sie ihren Zugang und Ihre Art, die Formel 1 an die Leute zu bringen, bezeichnen?


Gerald Pototschnig: Ja, das mit den verschiedenen Ebenen stimmt. Grundsätzlich kann ich der emotionalen Schiene des Heinz Prüller sehr viel abgewinnen. Mich fasziniert beim Heinz nach wie vor, wie man in diesem Alter und nach so vielen Jahren eine so große und fast schon kindliche Begeisterung für die Helden der Szene erhalten kann. Er arbeitet aber auch über die Kronen Zeitung am Boulevard-Sektor.

Auf dieser rein emotionalen Ebene kann und will ich nicht spielen, weil wir halt doch eine andere Blattlinie haben. Die Berichterstattung ist heutzutage auch nicht gerade einfach.

Die elektronischen Medien wie Radio und Fernsehen, und seit einiger Zeit vor allem auch das Internet, überfüttern die Leute mit ihrem Angebot. Gerade im Internet ist es unfassbar, was es da für ein Angebot gibt.

Und da sollte man als Printmedium in irgendeiner Form anders berichten. Ein ganz entscheidender Punkt unserer Berichterstattung und auch meiner persönlichen Philosophie ist es schon, Stimmung weiter zu geben. Und durchaus auch außergewöhnliche Dinge zu transportieren. Ich habe zum Beispiel einmal eine Weinverkostung mit der Vorschau auf den Österreich-GP kombiniert.

Stichwort Internet. Über dieses erhalte ich ja doch auf schnellstem Wege Informationen. Was halten Sie von diesem Medium?

Gerald Pototschnig: Sehr viel. Die Zeitungen sind ja auch im Internet vertreten. Und in der Recherchearbeit hat das natürlich irrsinnige Verbesserungen gebracht. Man muss halt dann verifizieren, ob das einen Wahrheitsgehalt hat. Und was die Datenbanken betrifft, ist das natürlich eine große Hilfe.

Nochmals zur Art unserer Berichterstattung: Wir verwenden wenig Presseaussendungen. Ich möchte meine Leser nicht quälen mit der vierten Auspuffschraube am linken Auspuffröhrl vom BMW, dass die um eine halbe Umdrehung mehr hineingeschraubt wurde...

Eine solche Presseaussendung wäre ja sensationell informativ. Meist heißt es nur: „Wir haben bei X Grad Lufttemperatur und Y Grad Asphalttemperatur an Set Up-Einstellungen gearbeitet und für Reifenhersteller Z Reifentests absolviert. Wir sind sehr zuversichtlich, weitere Fortschritte gemacht zu haben“

Gerald Pototschnig: Diese Presseaussendungen sind eine Katastrophe. Es gibt gewisse Pressesprecher, die bei mir den schönen Spitznamen „Pressenichtsprecher“ haben. Ich habe einen deutschsprachigen Pressesprecher kennen gelernt, habe ihn etwas gefragt, er sagte: „Junge, da darfst du mich nicht fragen.“ Sagte ich: „Na wen soll ich sonst fragen?“

Das war schon zu Bergers Zeiten so, dass Gerhard zunächst seine Statements ins Diktiergerät der Pressedame gesprochen hat und sie sagte dann: „Half an hour, I have to check it with the team.“ Völlig irre. Vor allem die jungen Formel 1-Fahrer – ein Kollege nennt sie immer recht liebevoll "Styroporheinis". Die sind völlig aalglatt, die sagen selber nichts mehr. Die trauen sich nichts mehr zu sagen. Eine Katastrophe.

Stichwort Katastrophe: Wir sind ja hier in der Nähe des A1-Rings. 1997 feierte man hier in der Region das Comeback der Formel 1 auf der neuen Strecke. Sechs Jahre später ist es wieder vorbei. Das hat sicher Auswirkungen?

Gerald Pototschnig: Es wird sich vorerst sicher dramatisch auswirken. Es tut uns leid und es tut uns sehr weh, weil ich behaupte, dass es den neuen A1-Ring und das damit verbundene Comeback der Formel 1 nicht gegeben hätte ohne Unterstützung der Kleinen Zeitung. Die steirische Landespolitik hat den Rückenwind der Kleinen Zeitung gebraucht.

Wir haben den A1-Ring natürlich als unser Heimspiel betrachtet. Wir haben versucht, und es ist uns, so glaube ich, auch sehr gut gelungen, uns als Haus- und Hofzeitung des A1-Rings und des Österreich-GP zu positionieren. Wir haben sieben Jahre lang ein sehr tolles Grand Prix-Magazin publiziert, in den letzten Jahren gemeinsam mit den anderen Zeitungen.

Diese Dinge fallen halt jetzt weg. Die Region wird es auch spüren. Ich glaube aber auch, dass dieses Vorhaben von Red Bull eine tolle Geschichte werden kann. Die Frage ist nur, ob das nicht alles ein bisschen zu überstürzt gegangen ist.

Man hat das Rennen verloren. Das war ja nie geplant, dass man es verliert, oder?

Gerald Pototschnig: Leider Gottes schon. Da ist offenbar von Politikerseite ein böses Spiel betrieben worden. Offenbar wurde der Vertrag nur verlängert mit dem Hinweis, dass Österreich der erste Grand Prix ist, der über die Klinge springt, wenn neue Rennstrecken sich auftun.

Das wurde bei der Verlängerung vor zwei Jahren in den Vertrag mit reingenommen und das wurde aber von der Politik verschwiegen. Die Politik hat sich abfeiern lassen für eine weitere Vertragsverlängerung über weitere sechs Jahre - wohl wissend, dass es in spätestens ein, zwei Jahren vorbei ist.

Man hat auch die Probleme mit der Tabakwerbung damit in Verbindung gebracht.

Gerald Pototschnig: Das war ein Vorwand von Bernie Ecclestone. Von Red Bull-Seite wusste man, dass Dieter Mateschitz die Formel 1 nicht unbedingt braucht, man war aber so weit, dass, wenn man den Grand Prix behalten hätte, man das mit dem gleichzeitigen Umbau einrichten hätte können.

Was sagen Sie zu den Comeback-Versuchen von Alex Wurz und zu den Jaguar-Testfahrten von Christian Klien? [Das Gespräch wurde zwei Tage nach den ersten Jaguar-Tests des Vorarlbergers geführt, der Vertrag war noch nicht unterschrieben, d. Red.]

Gerald Pototschnig: An ein Comeback von Alex Wurz hätte ich bis vor 48 Stunden geglaubt, war auch der Meinung, Informationen zu haben, dass der Alex Wurz einer der Männer ist, die Jaguar haben will, weil er das Anforderungsprofil erfüllt: Schnell, technische Begabung, Erfahrung.

Der Sponsor passt nicht...

Gerald Pototschnig: Auch das soll geklärt sein, aber er zahlt bei weitem nicht so viel, wie ein Christian Klien mit Red Bull bringt. Ich möchte aber nicht falsch verstanden werden: Wenn der Christian Klien den Sitz bei Jaguar bekommt, dann hat er ihn sicher nicht nur des Geldes wegen bekommen. Und Christian hat an den zwei Tagen fantastische Leistungen gezeigt.

48 Stunden nach seinem Test muss ich sagen, dass ich nicht mehr sicher bin, ob Alexander Wurz jemals den Sprung zurück ins Renncockpit schaffen wird. Ich habe sehr gehofft, dass er es vielleicht doch noch einmal schafft, aber im Moment schaut es nicht gut für ihn aus. Mir wäre am liebsten, wenn alle beide Grand Prix fahren würden.

Das ist ein schönes Schlusswort. Danke für das Gespräch.

Journalist Armin Holenia war lange Zeit Pressesprecher auf dem A1-Ring. Was er dort erlebt habt, erzählt er im Gespräch mit motorline.cc. Lesen Sie morgen Donnerstag den ersten Teil des Interviews.

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