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Der Wurz-Fettnapf

Armin Holenia war seit der Wiedereröffnung der Pressesprecher des A1-Rings. Dort erlebte er zum Teil unglaubliche Dinge. motorline.cc fragte nach...

Michael Noir Trawniczek
& Stefan Schmudermaier

1997 ist die Formel 1 nach Österreich zurückgekehrt. Der Österreichring wurde gestutzt und firmierte fortan unter dem Namen A1-Ring. Von Beginn an war Armin Holenia dort der Pressesprecher. Seine Aufgabe war es, die Kontakte mit der obersten Automobilsportbehörde FIA, aber auch jene zu den Pressesprechern der einzelnen Teams zu halten. Dabei hat Holenia viele, zum Teil unglaubliche Dinge erlebt.

Beim allerletzten Grand Prix wäre der Medienprofi beinahe in den Riesenfettnapf gestiegen. Alex Wurz persönlich hat ihm nämlich empfohlen, ihn anstatt von Antonio Pizzonia als Jaguar-Pilot in den Media-Kit zu nehmen. Aus dem Bauch heraus hat Holenia dann die richtige Entscheidung getroffen: Er nahm Pizzonia.

Als Medienbetreuer des Marko-Teams durfte Armin Holenia in Silverstone als Beifahrer des jungen Juan Pablo Montoya innerhalb einer relativ kurzen Fahrt in Richtung Hotel sämtliche seiner Sünden abbüßen. Mit Gerhard Berger erlebte er sein - wie er sagt - schönstes Wochenende in der Formel 1 – Hockenheim 1997, der letzte große Triumph des sympathischen Tirolers. Welche Tücken die so begehrte Paddock-Karte verbirgt, auch das verrät Armin Holenia in einem Gespräch mit F1-Redakteur Michael Noir Trawniczek (MNT) und motorline.cc Chefredakteur Stefan Schmudermaier (STS).

MNT: Armin, vielleicht kannst du unseren Lesern einmal etwas über deine Tätigkeit als Pressesprecher des A1-Rings erzählen?

Armin Holenia: Ich wurde von meinem Freund Hans Geist, der ja seit 1997 der Geschäftsführer am A1-Ring war, verpflichtet für die Pressearbeit. Wobei vorrangig die Formel 1 im Mittelpunkt gestanden ist. Und natürlich auch alle anderen Veranstaltungen wie DTM, Truck-Rennen, Motorrad-Grand Prix, Klassik-Grand Prix, Langstrecken-Weltmeisterschaft und so weiter.

MNT: Hattest du in dieser Tätigkeit auch Kontakt mit den Protagonisten der Formel 1?

Armin Holenia: Vorrangig gab es den Kontakt mit der FIA. Die FIA hat das Ganze pressemäßig sehr stark überwacht. Und dann natürlich mit den Pressesprechern der einzelnen Teams. Weil wir mussten ja nicht das Programmheft, aber den dazu passenden Mediakit erzeugen. Der musste ja immer am letzten Stand sein vor jedem Rennen. Wenn dann ein Rennen in einer der Serien stattfindet, ändern sich rund 2.000 Punkte, vor allem was die Statistik betrifft. Und wenn das zwei Wochen vor dem Rennen auf dem A1-Ring war, muss diese Änderung sehr schnell durchgeführt werden.

MNT: Gibt es ein, nicht veröffentlichtes, Programmheft aus dem Jahr 2003, mit dem Alex Wurz als Jaguar-Piloten?

Armin Holenia: Ja, das war eine ganz tolle Geschichte. Ich habe selber mit dem Alexander gesprochen. Kurz vor dem Österreich-Grand Prix. Und ich habe gesagt: „Du, Xandl, ich stehe vor der Frage: Soll ich in dem Mediakit Antonio Pizzonia nehmen oder dich?“ Worauf er mir sagte: „Eigentlich kannst du mich reinschreiben.“

Und als er mir das gesagt hat, haben alle anderen Experten, vom Gerhard Kuntschik angefangen bis einschließlich der Kronen Zeitung, mit Ausnahme von Heinz Prüller, das als bare Münze genommen. Wenn der Fahrer, der dann hier in Österreich mit dem Jaguar fahren soll, dir sagt: „Ja, du kannst den Umbruch machen“, dann muss ich dem Glauben schenken. Auch wenn Mercedes dementiert hat.

Nach dem letzten Grand Prix vor dem Österreich-Termin, am Montag oder Dienstag, haben wir noch einmal versucht, das zu recherchieren und dann habe ich einfach die Entscheidung getroffen: Ich nehme Pizzonia. Und das hat dann auch gepasst. Aber es wäre peinlich gewesen, wenn wir bei unserem Heim-Grand Prix den Pizzonia nicht im Programmheft gehabt hätten, ob wohl er ja dann gefahren ist.

MNT: Wieso hat der Alex das so einfach gesagt?

Armin Holenia: Ich glaube, er war sich einfach sicher. Ich bin überzeugt, dass das Ganze wirklich bereits gelaufen ist und dass dann die Interventionen so stark waren - vor allem von der Seite des Ron Dennis, im Einvernehmen mit Mercedes - aber das weiß ich nicht. Und dass Dennis einen Preis festgesetzt hat, der so hoch war, dass sich der Herr Wurz nicht entschlossen hat, das aus eigenen Mittel zu finanzieren.

MNT: Als ich 1979 zum ersten Mal beim Österreich-Grand Prix war, und zwar schon am Mittwoch vor dem Rennen, sah man den Bernie Ecclestone da herumgehen, der alles kontrolliert hat, auch die Mistkübel, der geschaut hat, ob alles dort steht, wo es stehen muss.

Armin Holenia: Die Formel 1 ist von einer Serie mit viel Nähe und Flair zu einer Serie geworden, die ein bisschen in der Sterilität versunken ist. Mit einem Hintergedanken: Die Sterilität einer Sache erzeugt unheimlich viel Interesse. Das heißt: Alles, was verboten ist, ist interessant. Für den Fan. Für die Medien. Dort, wo man alles verhängt, wo man alles zudeckt – überall dort will man hineinschauen. Und man möchte dabei sein.

Das hat der Bernie meisterhaft verstanden. Immer mehr in sich zu gehen, immer mehr die Formel 1 in ein Paket zu schnüren, wo man sehr selten hineinschaut. Nur wenige durften hineinschauen. Die sind dann legitimiert. Die brauchen sämtliche Ausweise, damit sie hineinschauen dürfen. Und selbst wenn sie drinnen sind, gibt es noch Bestimmungen, was sie tun dürfen und was nicht. Es gibt in der Formel 1 nichts, was nicht irgendwo festgehalten ist.

Ich kann mich gut erinnern an das Jahr 2002, wo es ja diese Geschichte gab mit Rubens Barrichello und Michael Schumacher, dieser Wechsel kurz vor dem Ziel. Die sind nicht bestraft worden, weil sie gewechselt haben. Die sind bestraft worden, weil sie die Reihenfolge beziehungsweise die Platzordnung nicht eingehalten haben.

MNT: Am Siegerpodest.

Armin Holenia: Am Siegerpodest steht: First Place. Second Place. Third Place. Auf dem Sessel der internationalen Pressekonferenz mussten wir vorher einen Kleber anbringen, ebenfalls : First Place. Second Place. Third Place. Nachdem ich dort als nationaler Pressechef zuständig war, musste ich also dem Herrn Schumacher sagen: “First Place : Michael. Second Place: Rubens.“ Beide haben sich nicht daran gehalten.

Dass, was die FIA als Doktrin ausgegeben hat, haben sie missachtet. Deswegen sind sie auch bestraft worden. Sie wurden nicht bestraft, weil sie die Positionen gewechselt haben. Sie sind bestraft worden, weil sie dem Ansehen der Formel 1 geschadet haben und die Regulations, die Rules gebrochen haben.

MNT: Wobei ich glaube, dass es dem Zuschauer egal ist, auf welchem Sessel der bei der Pressekonferenz sitzt. Aber dieser blödsinnige Wechsel auf dem Siegerpodest. Das war ja ein echter Affront. Dass der Michael da den Rubens auf den Siegerplatz stellt, obwohl der nur Zweiter wurde, weil er den Michael vorbei lassen musste.

Armin Holenia: Ich glaube, der Michael war in dem Fall ein armer Hund, sage ich jetzt ganz offen. Warum? Weil er noch nie konfrontiert wurde mit einer derartigen Lobby, die gegen ihn war. Er ist dort hinauf, hat gehört wie die Leute pfeifen, das war ein unglaublicher Wirbel. Und er hat dann, ohne dass er mit dem Jean Todt irgendwas besprechen konnte, den Rubens hinaufgeschoben auf dem Podest. Das war eine spezielle Handlung von Schumacher, die nicht abgesprochen war. Das war ehrlich gemeint.

MNT: Ich sehe es aber so, das eben genau das schon irgendwie auch eine Frechheit war. Weil wenn ich mir Verträge so gestalte, dass ich diesen totalen Nummer 1-Status habe, dann brauche ich nicht so zu tun, als ob ich da jetzt so berührt wäre: Das Team hat den armen Rubens für mich geopfert und jetzt schiebe ich ihn halt auf das Einser-Platzerl. Er weiß doch bzw. er hat doch darauf bestanden, dass er die unangefochtene Nr. 1 im Team ist.

Armin Holenia: Den Fehler in dem ganzen Ablauf hat der Rubens gemacht. Der Rubens hat sieben oder acht Runden vor Schluss den Funkbefehl „Let him pass“ bekommen. Und er hat dann der ganzen Welt beweisen wollen, dass er an dem Tag sicher schneller als der Schumacher war. Und das war er ja auch. Hätte der Rubens den Herrn Schumacher, so wie es das Team befohlen hat, sieben Runden vor dem Ziel passieren lassen, hätte kein Mensch etwas gesagt. Es hätte eine strahlende Siegerehrung gegeben.

Wir waren sehr angefressen, muss ich dazusagen. Wir hatten eigentlich einen tollen Grand Prix. Der hat alles beinhaltet, was ein Grand Prix zu beinhalten hat. Spannendes Rennen, es waren unglaublich viele Überholmanöver, ein spektakulärer Unfall zwischen Sato und Heidfeld in der Remus-Kurve, ein tolles Wetter, ein volles Haus – 175.000 Zuschauer. Doch als das passierte sagten wir: Jetzt ist es gelaufen. Das ist uns dann wirklich auf den Kopf gefallen.

Wir haben danach Reaktionen erhalten, die waren in einem derartigen Ausmaß. Beschwerdemails aus der ganzen Welt. Dann haben wir uns zusammengesetzt und entschieden: Wir schicken diese ganzen Mails – es waren Tausende – weiter an die FIA. Die FIA soll sich damit auseinandersetzen. Dann hatten wir eine relativ gute Marketingidee. Ich habe gesagt: Alle diese Leute, die wir jetzt mit einer Mailadresse haben, die wollen wir doch in irgendeiner Form beruhigen und wollen sie auch wieder gewinnen für das Formel 1-Rennen im Jahr 2003.

Wir haben die alle angeschrieben, mit dem Inhalt: Wir danken dir dafür, dass du dich gemeldet hast. Die FIA hat reagiert und das Team Ferrari mit einer hohen Geldstrafe belegt. Du hast eigentlich durch deine Einschaltung dazu beigetragen. Wir wollen dir eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen und dir die Karte um zehn, fünfzehn Prozent billiger geben. Wir haben also aus dieser Beschwerdewelle eine Marketingstrategie gemacht und das ist uns auch gelungen, da wir 2003 doch auch wieder 170.000 Zuschauer hatten.

MNT: Kann es sein, dass das mit ein Grund war dafür, dass der Grand Prix dann in die Binsen gegangen ist?

Armin Holenia: Nein. Das glaube ich nicht. Es war ja noch ein Hoffnungsträger, dass der Imola-Grand Prix abgesagt wird. Denn die hatten am Ostersonntag 17.000 Zuschauer. In Italien kann man kein Formel 1-Rennen am Ostersonntag machen. Sie sind in Konkurs gegangen und dann hat es geheißen, ob wir trotzdem noch zu Verfügung stehen würden. Auch wenn das schon Red Bull übernommen hat. Dann hätte der Red Bull-Chef Dieter Mateschitz, so wurde es mir gesagt, möglicherweise gestattet, dass man den Grand Prix noch einmal durchzieht.

Und mit der alten Mannschaft. Das war die Bedingung des Bernie. Das heißt: Man hätte in kürzester Zeit zwei Grand Prix zu bewältigen gehabt. Den Bahrain-Grand Prix und Österreich. Von der Logistik her wäre das auch gegangen. Nur leider war das dann so, dass meinem Wissen nach der Bernie selber die Bankhaftung für den Grand Prix in Imola übernommen hat und dieser Grand Prix heuer noch einmal gefahren wird. Im nächsten Jahr ist Imola ja sowieso weg.

MNT: Jetzt wird der Österreichring wieder umgebaut, und zwar zum Teil wieder so, wie er vor dem Umbau war. Wieso macht man das? Da hast du wahrscheinlich keinen Einfluss darauf?

Armin Holenia: Überhaupt nicht. Wenn das Projekt so in die Tat umgesetzt wird, wie es geplant ist, wird es eine tolle Geschichte. Ich habe ein wenig Sorge um den österreichischen Motorsport bis dahin. So eine eigene Formel 1-Strecke bringt auch der Jugend etwas und wenn das jetzt lange Zeit nicht der Fall ist, entsteht eine gewisse Lücke. Und selbst wenn der Bau dann fertig ist, der ja sehr gigantisch sein soll, muss man dort ja auch wieder irgendetwas präsentieren können. Wenn die Leute rausschauen aus den Glaskuppeln, die dort geplant sind, dann muss ja unten irgendwas vorbeifahren. Sonst brauchen sie ja nicht rauszuschauen. (Gelächter)

MNT: Es gab ja einige tolle Veranstaltungen im Abschiedsjahr. Das Gastspiel der Nissan World Series, die DTM,...

Armin Holenia: Ja, die Frage ist nur, ob diese Serien dann nach dem Umbau auch wieder kommen. Weil Rennserien wie die DTM sind sehr treu, eher geneigt, dorthin zu gehen, wo der Erfolg zuhause ist. Und wir hatten ja die Erfolge, wir haben die DTM gesteigert von 20.000 Zuschauer auf 60.000 Zuschauer. Da hatten wir also einen starken Aufwind und wir haben in der Formel 1 auch unser Level gehalten.

Morgen Freitag lesen Sie auf motorline.cc den zweiten und letzten Teil des Interviews mit Armin Holenia: Über die Eintrittspreise in der Formel 1, eine das Leben prägende Autofahrt mit Juan Pablo Montoya, die geheimnisvollen Handbremsen der Formel 1-Boliden und das ungeahnte Leid des Paddockkartenbesitzers.

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