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Formel 1: News

„Zeigen, dass man trotzdem ein guter Mensch ist“

Force India-Pilot Adrian Sutil spricht über seine einjährige Zwangspause, über Fehler und die Vergebung derselben sowie seine Zukunft in der Formel 1.

Adrian Sutil darf endlich aufatmen: Nach einem Jahr Rennpause erhält der Gräfelfinger bei seinem Ex-Team Force India 2013 eine zweite Chance. Bis dahin war es aber ein harter Weg für den 30-Jährigen, der nach einem Zwischenfall in einer Diskothek in Schanghai wegen Körperverletzung angeklagt und zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Dann ging auch noch der Plan daneben, 2012 während der Saison einen der schwächelnden Stammpiloten zu ersetzen - vor allem mit Felipe Massas Ferrari-Cockpit wurde Sutil in der ersten Saisonhälfte immer wieder in Verbindung gebracht.

Und nun musste er bis zum ersten Tag der letzten Testwoche vor dem Saisonstart in Melbourne warten, ehe ihn Force India endlich bestätigte.

Dennoch ist der Deutsche heilfroh, dass seine Durststrecke nun endlich vorüber ist. Erst heute um 12:30 Uhr war es für ihn Gewissheit, dass er in Australien sein Comeback feiern würde.

Kurz vor 14 Uhr wurde dann auch die Öffentlichkeit per Pressemitteilung informiert. "In den vergangenen Tagen hatte ich ein sehr gutes Gefühl, dass es klappen würde", sagt ein erleichterter Sutil heute in Barcelona. "Als ich die Nachricht erhielt, war ich sehr glücklich."

Warum er so lange auf die Folter gespannt wurde, wisse er nicht: "Von unserer Seite gab es kein Problem. Das lag eher am Management, und ich habe nicht wirklich eine Ahnung - man muss sie also selbst fragen."

2011 hatte Sutil bei Force India das erfolgreichste Jahr seiner Karriere absolviert, war in der Fahrer-WM hinter den Piloten der Topteams von Red Bull Racing, McLaren, Ferrari und Mercedes als Neunter der stärkste Pilot des Mittelfelds gewesen.

2012 war für Sutil ein "schönes Jahr"

Doch dann kam der Absturz. Laut eigenen Angaben blieb er aber trotz der Ungewissheit stets gelassen: "2012 hatte ich ein schönes Jahr, ich habe einfach versucht, ganz normal mein Leben zu leben. Als ich im vergangenen Monat bemerkte, dass meine Chancen steigen, da war ich ein bisschen aufgeregt. Da gab es diese zweite Chance, in diesen Sport zurückzukehren - ich werde sie nutzen. Ehrlich gesagt war ich aber immer noch entspannt."

Dass es nicht klappen könnte, habe er nie befürchtet: "Ich denke positiv, und ich hatte immer das Gefühl, dass es noch nicht vorbei ist. Ich habe also immer an meine Chance geglaubt. Natürlich kommt es vor, dass man es probiert und es nicht gelingt, aber dann man muss es weiter versuchen."

Der 28. Februar sei für ihn nun aber ein "besonderer Tag - und das zeigt, dass man niemals aufgeben sollte. Wenn hart arbeitet und daran glaubt, dann bekommt man eine zweite Chance. Und jeder verdient eine zweite Chance."

Diese zweite Chance wünscht er sich nun auch von der Öffentlichkeit - er will den Menschen beweisen, dass der Zwischenfall in Schanghai, als er Lotus-Mitbesitzer Eric Lux unabsichtlich mit einem Glas im Gesicht verletzte, nicht seinen wahren Charakter zeigt.

Sutil bittet Öffentlichkeit um zweite Chance

"Jeder macht im Leben Fehler", sagt er. "Wenn man keine Fehler macht, dann wächst man auch nicht. Ich denke nicht, dass es hier auch nur eine Person gibt, die nie einen Fehler gemacht hat. Mein Fehler war vielleicht unterschiedlich und sehr öffentlich, aber andere sind wahrscheinlich sogar größer, dabei wird darüber nicht einmal gesprochen."

"Wenn jemand etwas falsch macht - ich oder ein anderer -, dann sollte man ihm die Gelegenheit geben, zu zeigen, dass er trotzdem ein guter Mensch ist. Ich werde ihm eine zweite Chance geben. Das ist in diesem Fall sehr ähnlich. Natürlich handelt es sich um ein hartes Business, aber niemand ist perfekt und deshalb ist das Leben ein Abenteuer."

Der neue alte Force-India-Pilot glaubt, dass ihm die Pause sogar gutgetan hat. "Mit Sicherheit", meint er. "Ich weiß nicht, wie es nach dem ersten Rennen sein wird, aber ich bin sicher, dass ich im Auto besser sein werde als zuvor." Es sei zwar kaum möglich, als Formel-1-Pilot aus freien Stücken ein Jahr Pause zu machen, aber er habe davon profitiert: "Man sieht die Dinge mit anderen Augen, und ich fühle mich viel reifer und entspannter. Außerdem weiß ich, dass es ein Leben ohne der Formel 1 gibt - und das ist sehr wichtig." Er habe nun die Option, ein anderes Leben zu leben, wenn seine Leistungen nicht ausreichen.

Kehrt Sutil stärker denn je zurück?

Dennoch will er nun stärker denn je zurückkehren: "Mein Ziele sind sehr hoch - ich bin nicht hier, um um Platz fünf oder sechs zu kämpfen. Ich will es auf das Podest schaffen. Die Latte liegt nun höher - ich will in Zukunft gewinnen und einer der besten Fahrer der Formel 1 sein."

Diese neue Motivation hat der Force-India-Pilot in seiner Grand-Prix-Pause gewonnen, wie er verrät: "Ich habe herausgefunden, wo ich mich verbessern kann, habe natürlich alles analysiert. Ich weiß, dass ich es jetzt umsetzen muss."

Bei seinem Test in der vergangenen Woche in Barcelona gewann Sutil einen ersten Eindruck von seinem neuen Dienstauto - und der fiel durchaus positiv aus: "Das Auto scheint wirklich besser zu sein als vor meiner Pause. Wir müssen aber abwarten, wie es im Vergleich zur Konkurrenz aussieht. Ich hatte auf Anhieb das Gefühl, dass es sich um eines der besten Force-India-Autos handelt, die ich je gefahren habe."

"Es reagiert neutral und bietet eine gute Ausgangsbasis. Natürlich benötigen wir mehr Abtrieb, das Feld wird eng beisammen liegen, aber ich rechne mit vielen Möglichkeiten in den ersten Rennen. Ich hatte 2011 ein gutes Jahr, dieses Jahr will ich noch besser abschneiden."

Di Resta freut sich auf "Freund" Sutil

Das will natürlich auch Teamkollege Paul di Resta - damit kommt es zur Neuauflage des Stallduells aus der Saison 2011. Der Schotte erzielte in seiner Rookiesaison zunächst einige Achtungserfolge gegen Sutil, in der zweiten Hälfte des Jahres hatte dieser aber den ehemaligen DTM-Piloten im Griff. "Willkommen zurück, Adrian", begrüßt di Resta Sutil. "Wir sind gute Freunde und werden das Team pushen. Unsere gute Beziehung wird dort anknüpfen, wo sie 2011 geendet hat."

Lange sah es so aus, als dürfte sich auch Ersatzpilot Jules Bianchi gute Chancen ausrechnen, doch Sutil machte am Ende das Rennen. "Ich habe immer gesagt, dass ich die Entscheidung des Teams unterstützte, für welchen Fahrer sie sich auch entscheiden", sagt di Resta.

"Jules war uns auch sehr nah, und es tut mir ein bisschen leid für ihn, aber ich denke, dass Adrian und ich gut zusammenarbeiten werden. Am Ende sind wir aber Konkurrenten, und ich will vor ihm liegen."

Hamilton will Eiszeit brechen

Konkurrenten und Freunde - das galt auch für die Beziehung zwischen Mercedes-Superstar Lewis Hamilton und Sutil. Die beiden waren in der Formel 3 Teamkollegen und verbrachten sogar die Urlaube gemeinsam. Der Brite war beim folgenschweren Zwischenfall in Schanghai anwesend - danach kühlte die Freundschaft der beiden aber deutlich ab.

Zuletzt versuchte Hamilton aber, die Eiszeit zu brechen. Mit einer E-Mail. "Ich habe Adrian schon zu Beginn des Jahres eine E-Mail geschrieben, wie sehr ich hoffe, dass er das Cockpit bekommt und wie sehr er es verdient hat", verrät der Weltmeister 2008 gegenüber Autobild motorsport .

"Als ich gestern von der guten Nachricht gehört habe, habe ich ihm ebenfalls per Mail gratuliert. Ich freue mich sehr für ihn. Er hat so hart dafür gearbeitet. Ich wünsche ihm ein gutes Jahr und hoffe, dass er seinen Speed schnell wieder findet. Dass er den hat, weiß ich aus unserer gemeinsamen Zeit als Teamkollegen in der Formel 3."

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