Formel 1-Testfahrten Jerez de la Frontera | 10.02.2013
Die neuen Boliden in der ersten Testwoche
Motorline.cc analysiert die neuen Formel 1-Boliden und ihre Performance in der ersten Testwoche in Jerez de la Frontera. Teil 1: Ferrari bis McLaren.
In Jerez de la Frontera wurden die ersten Testfahrten der neuen Saison abgehalten – Pirelli zeigte sich wenig begeistert, denn der raue Belag kombiniert mit recht niedrigen Temperaturen sorgte, dafür, dass es man nur wenige Erkenntnisse über die neue Reifengeneration gewinnen konnte.
Die „Supersoft“-Mischung beispielsweise begann bei den in Jerez vorherrschenden Bedingungen schon auf der ersten Runde abzubauen, das befürchtete Graining setzte ein.
"Unterm Strich haben wir jede Menge Daten mit den Hard- und Medium-Reifen gesammelt, sehr wenige mit den Softs und gar keine mit den Supersofts“, lautet die Bilanz von Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery.
Gelobt wurde von den Piloten das größere Arbeitsfenster, in dem sich die neuen Mischungen bewegen. Hembery erklärt: „Es sieht so aus, als wären wir auf dem richtigen Weg. Wir haben die Veränderungen notiert, die wir uns erhofft hatten. Die Reifen sind schneller als ihre entsprechenden Vorgänger und besitzen ein breiteres Fenster, in dem sie ihre Höchstleistung bringen.“
Doch: „Die Tatsache, dass die Oberfläche im Laufe der vergangenen Jahre zusehends schlechter wurde, macht es schwer, stichhaltige Rückschlüsse zu ziehen."
motorline.cc hat einen Versuch unternommen, die neuen Autos und ihre Performance in der ersten Woche zu analysieren…
Ferrari: Solides Werkzeug für Alonso
Eine rührende Szene am vierten und letzten Testtag in Jerez de la Frontera: Auf den Tribünen erheben sich die zahlreichen spanischen Fans, um „ihrem“ Pedro de la Rosa Standing Ovations zu erweisen, der 41-Jährige sitzt womöglich zum letzten Mal in einem Formel 1-Auto, er wurde von Ferrari zum „Entwicklungspiloten“ auserkoren, doch die strengen Testlimits sorgen dafür, dass selbst bei den Testfahrten die Stammfahrer zum Einsatz kommen, selbst der Ersatzpilot sitzt meist nur auf der Ersatzbank und schaut zu.Dabei hat De la Rosa am Freitagmorgen einen bangen Moment erlebt, als der neue F138 einen kapitalen Getriebeschaden erlitt und das Heck der „roten Göttin“ zu brennen begann, schwarzer Rauch stieg empor. Doch in vier Stunden konnten die Mechaniker den Wagen wieder einsatzbereit bekommen, sodass besagter Pedro de la Rosa ein paar Runden drehen konnte.
Der neue, mit Nasenblende „schönheitsoperierte“ Ferrari scheint auf den ersten Blick gelungen zu sein. Felipe Massa brannte am Donnerstag die absolut schnellste Rundenzeit der gesamten ersten Testwoche in den Asphalt.
Fernando Alonso nahm sich das Recht heraus, die erste Testwoche zu streichen und stattdessen an seiner Fitness zu arbeiten. Man könnte sagen: Gelingt einem Massa eine derart überlegene Bestzeit, müsste ein Alonso eigentlich Kreise um seine Konkurrenten ziehen.
Doch die Gesetze der Testfahrten sind ganz eigene, zu unterschiedlich sind die gefahrenen Programme, zu unterschiedlich auch die Reifen, zumal alle vier Gummimischungen zum Einsatz kamen.
Eines kann man jedoch schon jetzt sagen: Eine klassische „Fehlgeburt“ scheint der im Großen und Ganzen sehr evolutionär gehaltene F138 nicht zu sein, Alonso dürfte ein solides Werkzeug erhalten, mit dem er von Beginn an um Spitzenplätze wird kämpfen können…
RB9: Newey’s Evolution
Wirklich weit „aus dem Fenster gelehnt“ hat sich keines der Spitzenteams – logisch: Auch im Reglement gibt es zu einem großen Teil keine Veränderungen, während 2014 quasi eine völlig neue Formel 1 eingeführt wird. Naheliegend also, in dieser letzten Saison dieser Ära auf bereits bewährte Lösungen zu setzen. Evolution stand beim Bau der 2013er-Boliden also ganz klar vor Revolution.So gleicht auch der neue RB9 aus der Feder von Starkonstrukteur Adrian Newey und seinem Team seinem Vorgängermodell – typisch Newey: Weil eine „Schönheitsblende“ zu viel Gewicht auf die Vorderachse legen würde, wurde nur eine sehr sanfte Blende eingebaut, die Stufennase bleibt. Bis auf den „Violett-Stich“ in der Lackierung und der damit einhergehenden größeren Präsenz von Partner Infiniti fallen auf den ersten Blick keine großen Veränderungen auf.
Allerdings sind die Seitenkästen schmaler als beim Vorgängermodell. Der Fachwebsite Auto, Motor und Sport fielen starke Parallelen zum neuen Sauber C31 auf: Der neue Boliden aus der Schweiz hat so schmale Sidepods wie kein anderes Auto, zudem fiel dem anerkannten Formel 1-Experten Michael Schmidt auf, dass auch Sauber nur eine sanfte Nasenblende zum Einsatz brachte. Nun erinnerte man daran, dass RBR und Sauber schon im Vorjahr mit einem gleichen Auspuffkonzept verblüfft haben. So wurde die Frage in den Raum gestellt: Wird hier spioniert? Und vor allem: Wer kopiert hier wen?
Wie auch immer: Bestzeiten konnten weder Mark Webber noch Sebastian Vettel in den Asphalt brennen – doch im Großen und Ganzen gab es keine Technikprobleme zu beheben, viele Experten rechnen daher damit, dass Red Bull Racing wieder der Topfavorit für beide WM-Titel sein wird. Eines ist klar: In die Karten wollte sich RBR mit Sicherheit nicht blicken lassen – vielleicht kommen bei den nächsten Tests auch neue Bauteile zum Einsatz.
Sauber als "Extremist"
Der Sauber verhielt sich beim ersten Test unauffällig. Die extremen Seitenkästen bereiteten keine Probleme. Allerdings waren die Temperaturen in Jerez auch keine Belastungsprobe.Die Unterbringung aller Elemente wie Kühler, Elektronikboxen und Kabelbäume in den extrem schmalen Sidepods (man schätzt, dass diese um zehn bis 15 Zentimeter schmäler sind) war die größte Herausforderung für Sauber-Chefdesigner Matt Morris und seine Crew.
Sollte sich das Konzept auch bei Hitzerennen bewähren, dürfte Sauber damit einen großen Vorteil innehaben – zudem ist das Konzept nicht ohne weitere Crashtests zu kopieren. Und zumindest Nico Hülkenberg hat das Zeug dazu, dieses Potential auch umzusetzen.
Lotus: Optimierte Evolution
Gelungen scheint auch der Lotus E21 zu sein. Der Wagen wurde an neuralgischen Stellen optimiert: Die Seitenkästen fallen extrem flach ab, womit die Auspuffgase gezielter in Richtung der Bodenplatte in den Bereich zwischen Hinterräder und Unterboden geleitet werden sollen.Beim Coanda-Auspuff hat sich Lotus an RBR und Sauber orientiert. Chefdesigner James Allison hat bereits im Vorjahr von der Aufhängungsgeometrie des RB8 geschwärmt - kein Wunder also, dass die Aufhängungen des E21 ähnlich extrem gespreizt wurden. Der in Jerez gefahrene Frontflügel gehört noch zum Basispaket – hier soll schon in Barcelona eine neue Variante eingesetzt werden. Auch bei der Nase sollen noch weitere Lösungen im Köcher sein. Zudem könnte man auch mit einem passiven DRS experimentieren, selbst wenn Allison einwandte, dieses sei „kein Matchwinner“.
Die erste Testwoche lief für Lotus jedoch nur mittelprächtig. Auch wenn Romain Grosjean am zweiten Tag die Bestzeit markieren konnte, auch wenn Kimi Räikkönen am vierten Tag der schnellste Pilot war, gab es dennoch einige „Kleinigkeiten“, die dem Team wertvolle Testzeit raubten. Kimi Räikkkönen blieb am vierten Tag nach nur 20 Metern stehen, wenig später versagte der bE21 bei einer Startübung. Zudem mussten kleinere Elektrikprobleme gelöst werden.
Der E21 ist ein komplexes Auto, das auch seine Probleme mit sich bringt. Allerdings kann man durchaus feststellen: Die Truppe aus Enstone ist bis in die Haarspitzen motiviert – Lotus bleibt der große Geheimtipp für das Jahr 2013.
McLaren: Revolution im Detail & Pannen
Nicht ohne Zwischenfälle verlief auch die Testwoche von McLaren-Mercedes. Der neue MP4-28 ist mehr als eine Evolution. Das Auto wurde im Vergleich zum Vorjahresboliden doch ziemlich intensiv verändert: Die Form der Lufteinlässe ist anders, die Vorderradaufhängung wurde auf Pullrod umgestellt, die Nase hat die maximal erlaubte Höhe, wurde jedoch mit der von der FIA erlaubten Blende versehen.Zugleich setzte man beim Auspuff auf die Vorjahresvariante, welche sich von RBR oder Sauber deutlich unterscheidet. Projektleiter Tim Goss begründete dies damit, dass man somit besser auf Diffusor und Anlasserloch zielen könne. Außerdem dürfte McLaren auf die Entwicklung eines passiven DRS verzichten. Im Großen und Ganzen also eine Mischung aus „kleiner Revolution im Detail“ und Evolution.
Trotzdem gab es in der ersten Testwoche einige Pannen zu verzeichnen, so musste man sich gleich am ersten Tag mit einem Benzinpumpenproblem herumschlagen. Zudem landeten sowohl Jenson Button als auch Neuzugang Sergio Perez an keinem der Testtage in den Top 6 der Zeitenlisten.
Das Team spricht von „Solider Grundlagenarbeit“ und verweist auf die „sofortige Zuversichtlichkeit von Button“ und die „schnelle Integration von Perez“. Wie auch immer: McLaren-Probleme hatten mehrfach die rote Flagge und damit einen Unterbruch der Testfahrten zur Folge. Demnach gibt es bei den „Chrompfeilen“ noch einiges zu tun…
Lesen Sie am Montag auf motorline.cc: Die neuen Autos im Motorline-Check, Teil 2: Von Mercedes bis Marussia
Testzeiten Tag 1
1. Jenson Button McLaren 1:18.861 2. Mark Webber RBR 1:19.709 3. Romain Grosjean Lotus 1:19.796 4. Paul di Resta Force India 1:20.343 5. Daniel Ricciardo Toro Rosso 1:20.401 6. Felipe Massa Ferrari 1:20.536 7. Nico Hülkenberg Sauber 1:20.699 8. Nico Rosberg Mercedes 1:20.846 9. Pastor Maldonado Williams 1:20.864 10. Giedo van der Garde Caterham 1:21.915 11. Max Chilton Marussia 1:24.176
Testzeiten Tag 2
1. Romain Grosjean Lotus 1:18.218 2. Paul di Resta Force India 1:19.003 3. Daniel Ricciardo Toro Rosso 1:19.134 4. Mark Webber RBR 1:19.338 5. Nico Hülkenberg Sauber 1:19.502 6. Lewis Hamilton Mercedes 1:19.519 7. Sergio Perez McLaren 1:19.572 8. Felipe Massa Ferrari 1:19.914 9. Pastor Maldonado Williams 1:20.693 10. James Rossiter Force India 1:21.273 11. Giedo van der Garde Caterham 1:21.311 12. Luiz Razia Marussia 1:23.537
Testzeiten Tag 3
1. Felipe Massa Ferrari 1:17.879 2. Nico Rosberg Mercedes 1:18.766 3. Sebastian Vettel RBR 1:19.052 4. Kimi Räikkönen Lotus 1:19.200 5. Jean-Eric Vergne Toro Rosso 1:19.247 6. James Rossiter Force India 1:19.303 7. Jenson Button McLaren 1:19.603 8. Esteban Gutierrez Sauber 1:19.934 9. Max Chilton Marussia 1:21.269 10. Valtteri Bottas Williams 1:21.575 11. Charles Pic Caterham 1:22.352 12. Paul di Resta Force India 1:23.729
Testzzeiten Tag 4
1. Kimi Räikkönen Lotus 1:18.148 2. Jules Bianchi Force India 1:18.175 3. Sebastian Vettel RBR 1:18.565 4. Esteban Gutierrez Sauber 1:18.669 5. Jean-Eric Vergne Toro Rosso 1:18.760 6. Lewis Hamilton Mercedes 1:18.905 7. Sergio Perez McLaren 1:18.944 8. Valtteri Bottas Williams 1:19.851 9. Pedro de la Rosa Ferrari 1:20.316 10. Charles Pic Caterham 1:21.105 11. Luiz Razia Marussia 1:21.226 12. Paul di Resta Force India 1:23.435
Gesamte Testzeiten
1. Felipe Massa Ferrari 1:17.879 2. Kimi Räikkönen Lotus 1:18.148 3. Jules Bianchi Force India 1:18.175 4. Romain Grosjean Lotus 1:18.218 5. Sebastian Vettel RBR 1:18.565 6. Esteban Gutierrez Sauber 1:18.669 7. Jean-Eric Vergne Toro Rosso 1:18.760 8. Nico Rosberg Mercedes 1:18.766 9. Jenson Button McLaren 1:18.861 10. Lewis Hamilton Mercedes 1:18.905 11. Sergio Perez McLaren 1:18.944 12. Paul di Resta Force India 1:19.003 13. Daniel Ricciardo Toro Rosso 1:19.134 14. James Rossiter Force India 1:19.303 15. Mark Webber RBR 1:19.338 16. Nico Hülkenberg Sauber 1:19.502 17. Valtteri Bottas Williams 1:19.851 18. Pedro de la Rosa Ferrari 1:20.316 19. Pastor Maldonado Williams 1:20.693 20. Charles Pic Caterham 1:21.105 21. Luiz Razia Marussia 1:21.226 22. Max Chilton Marussia 1:21.269 23. Giedo van der Garde Caterham 1:21.311