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Formel 1: Jerez-Test

"Es wird viele roten Flaggen geben"

Vor dem viertägigen Test in Jerez, bei dem die neuen V6-Turbo-Motoren erstmals zum Einsatz kommen werden, herrscht allgemeines Rätselraten über die Haltbarkeit.

Am Dienstag schlägt für die meisten Formel-1-Teams die Stunde der Wahrheit. Im spanischen Jerez de la Frontera beginnen die viertägigen Testfahrten für die kommende Saison 2014. Nachdem einige Teams ihr neues Auto bereits der Öffentlichkeit präsentiert haben, geht es nun zum ersten Mal tatsächlich auf die Rennstrecke. Dabei kommt der Test einer Reise ins Ungewisse gleich, denn durch die fundamentalen Regeländerungen wird sich Fahrern, Teams und Fans ein völlig neues Bild präsentieren.

Trotz der grundlegenden Veränderungen steht den Rennställen auch 2014 nur wenig Zeit zum Testen zur Verfügung. Ganze zwölf Tage gewährt die FIA den elf Teams der kommenden Saison. Die ersten vier werden vom 28. bis 31. Januar in Jerez abgehalten, danach geht es nach Bahrain: In Manama wird in zwei Etappen getestet: Zunächst dient der Kurs, auf dem 2014 übrigens erstmals bei Nacht gefahren wird, vom 19. bis 22. Februar als Testbühne. Weiter geht es dann vom 27. Februar bis zum 2. März, bevor genau zwei Wochen später der Saisonauftakt in Melbourne ansteht.

In Jerez fährt an jedem Tag nur ein Fahrer pro Team. Mercedes deckt die vier kommenden Tage mit Lewis Hamilton/Nico Rosberg/Hamilton/Rosberg ab. Ferrari wird zunächst zwei Tage lang Rückkehrer Kimi Räikkönen auf die Strecke lassen, danach übernimmt Fernando Alonso. Das gleiche Modell vertreten auch McLaren (Jenson Button/Button/Kevin Magnussen/Magnussen), Sauber (Esteban Gutierrez/Gutierrez/Adrian Sutil/Sutil) und Williams (Valtteri Bottas/Bottas/Felipe Massa/Massa).

Toro Rosso tritt seinerseits mit Jean-Eric Vergne/Daniil Kwjat/Vergne/Kwjat an, bei Force India (Sergio Perez/Nico Hülkenberg/Daniel Juncadella/wird noch verkündet) und Caterham (Marcus Ericsson/Ericsson/Robin Frijns/Kamui Kobayashi) wird bunt durchgemischt. Red Bull Racing sowie Marussia haben auch auf Nachfrage kein Aufgebot bekanntgeben. Lotus wird indes als einziges Team nicht am ersten Test der Saison teilnehmen.

Die grundlegendste Veränderung dürfte wohl der Wechsel der Motoren sein. Nachdem die Formel 1 in den vergangenen Jahren noch mit V8-Motoren unterwegs gewesen ist, kommen in Jerez erstmals die neuen V6-Turbo-Aggregate zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Hybridmotoren, die völlig andere Laufeigenschaften mitbringen, als es bisher der Fall war. Durch den Turbo, der im Jahr 1988 zuletzt in der Formel 1 zum Einsatz kam, verändert sich auch das Energierückgewinnungssystem KERS, das von nun an ERS heißt.

Nach Jahren der Entwicklung werden die Motoren der Hersteller Mercedes, Ferrari und Renault zum ersten Mal unter realen Bedingungen getestet. "Der Motor, die Kraftübertragung, das ERS, die Kühlsysteme sowie die ganze Kontrollelektronik sind viel anspruchsvoller, als das, was wir bisher erlebt haben", meint Mercedes-Motorenchef Andy Cowell. "Sollte alles so zuverlässig laufen, wie bei ersten Test des vergangenen Jahres, wäre das eine Riesenüberraschung."

Das sieht nicht nur der Motorenexperte so: "In Jerez wird der Antriebsstrang und die Funktionalität der Systeme im Mittelpunkt stehen - viel mehr als die Chassis-Performance, die Aerodynamik oder die Reifen", stellt Mercedes' neuer Geschäftsführer Technik Paddy Lowe gegenüber Autosport klar. "Wir wollen in Jerez herausfinden, ob das grundlegende Paket mit Blick auf den Motor funktioniert." Dazu wolle Mercedes verschiedene Arten von Läufen absolvieren, um fundamentale Fehler auszumerzen.


"Es wird viele roten Flaggen in der nächsten Woche geben, das kann ich garantieren", so Lowe: "Wir arbeiten so hart, wie wir nur können, um am Ende weniger roten Flaggen als die anderen zu provozieren. Es wird definitiv langsamere Fortschritte geben als letztes Jahr." Durch die neuen Motoren wird die Formel 1 künftig auch anders klingen. Tiefe, dröhnende Boliden gehören wohl der Vergangenheit an, erwartet wird eine deutlich höhere Geräuschkulisse.

Auch Renaults Motorenchef Rob White kann sich noch kein klares Bild machen: "Wenn jeder mehr oder weniger am selben Ort, zur selben Zeit und mit denselben Dingen beschäftigt ist, sollte es zumindest klare Anzeichen geben, ob es große Probleme gibt, die extrem schwierig zu beheben sind, oder ob alles kontrollierter abläuft, und die Dinge gut laufen", meint er gegenüber Autosport. Aussagekräftige Unterschiede zwischen den verschiedenen Teams erwartet sich White jedoch nicht.

Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner weiß ebenfalls, dass es zunächst nur um eines geht: "Die Verlässlichkeit wird in den ersten Rennen eine bedeutende Rolle spielen und ein entscheidender Faktor in der Meisterschaft werden", erklärt er gegenüber The Guardian. "Diese Motoren sind noch eine sehr unausgereifte Technologie. Man muss die Rennen nun etwas anders angehen."

Erst wenn die grundlegenden Schwierigkeiten aus der Welt geschaffen sind, werden sich die Teams anderen Themen wie etwa dem Kraftstoffverbrauch widmen können. Die Spritmenge für ein Rennen wird 2014 nämlich auf 100 kg beschränkt sein - die Fahrer müssen also wohl noch sparsamer fahren als bisher. "Es wird noch taktischer werden: Du musst entscheiden, wie du dein limitiertes Benzin einsetzt, was deine Strategie ist und wie du deinen Motor vom Start bis zum Ziel optimal nutzt. Das wird faszinierend", so Horner.

Eine weitere Variable wird das neue ERS sein, das sich deutlich kraftvoller als bis dato darstellt. Anstatt für 6,7 Sekunden 80 PS abrufen zu können, stehen den Piloten künftig 33 Sekunden lang 160 PS zur Verfügung. Anstelle von KERS (kinetische Energie-Rückgewinnung) spricht man künftig nur noch von ERS (Energierückgewinnung). Denn neuerdings wird nicht nur die Bremsenergie gespeichert, sondern auch die Wärmeenergie des Motors. "Wir haben uns sehr bemüht, die effizienteste Lösung hierfür zu finden, aber zweifellos wird sich das durch die Streckenerfahrung wieder ändern", ist sich Cowell sicher.

Andrew Green, Technischer Direktor bei Force India, schraubt seine Erwartungen nicht zu hoch: "Die Antriebseinheit liegt außerhalb unserer Kontrolle. Ich hoffe, dass wir in Jerez ausreichend Runden fahren, um Erfahrung sammeln zu können, damit auch unser Motorpartner genügend lernt", so der Brite gegenüber auto motor und sport. "Ich wäre sehr überrascht, wenn wir 300 Kilometer pro Tag schaffen. Wenn es blöd läuft, können wir am vierten Tag gar nicht mehr fahren. Das wird anderen nicht besser gehen. Wir fahren mal los und schauen, was vom Auto runterfällt. Und ich fürchte, das wird einiges sein. Diese Dinge kannst du nicht simulieren, die musst du auf der Rennstrecke erfahren."

Auch Laien werden auf den ersten Blick erkennen, dass sich 2014 etwas verändert hat. Das wird besonders bei den Nasen der neuen Boliden deutlich: Während etwa McLaren mit einer Spitze aufwartet, die an einen Nasenbären erinnert, wurde Ferraris abgeflachte Lösung im Internet vielfach als Staubsauger belächelt. Dafür sorgt eine neue Verordnung, nach der die maximale Höhe der Nase nur noch 18,5 cm hoch sein darf (vorher 55 cm). Wie auch immer die jeweiligen Ingenieure das Problem gelöst haben - die neuen Autos sehen um Teil gewöhnungsbedürftig aus. Einige Präsentationen stehen zudem noch aus: Etwa Red Bull Racing oder Mercedes präsentieren ihre neuen Kreationen erst in Jerez.

In Jerez soll sich bloß niemand zurückhalten, findet Rob White - die endgültigen Kraftverhältnisse werden sich ohnehin noch nicht offenbaren. "Es wird nicht möglich sein, die relative Performance am Ende des Jerez-Tests bewerten zu können. Sicherlich braucht die Saison erst eine gewisse Zeit, bevor die Karten offenliegen. Neue Technologie bringt mit sich, dass man anfangs einige Dinge nicht vorhersehen kann. Ich spüre, dass wir ein paar unvorhersehbare Sachen erleben werden, die gut sind", so der Renault-Ingenieur.

Das Fahreraufgebot an den vier Testtagen:

Mercedes: Hamilton/Rosberg/Hamilton/Rosberg
Ferrari: Räikkönen/Räikkönen/Alonso/Alonso
McLaren: Button/Button/Magnussen/Magnussen
Force India: Perez/Hülkenberg/Juncadella/TBA
Sauber: Gutierrez/Gutierrez/Sutil/Sutil
Toro Rosso: Vergne/Kwjat/Vergne/Kwjat
Williams: Bottas/Bottas/Massa/Massa
Caterham: Ericsson/Ericsson/Frijns/Kobayashi
Red Bull Racing: tba
Marussia: tba

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