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Schumacher-Unfall

Nichts Neues aus Grenoble

Über Michael Schumachers Gesundheitszustand gibt es erwartungsgemäß nichts Neues, aber seine Managerin Sabine Kehm kritisiert den medialen Umgang mit dem Fall.

Auch mehr als 100 Tage nach dem Skiunfall von Michael Schumacher geht das Hoffen auf eine Genesung des siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters weiter. Allerdings gibt es für die Öffentlichkeit kaum gesicherte Informationen, weshalb der Auftritt seiner Managerin Sabine Kehm in der ARD-Talkshow von Günther Jauch mit Spannung erwartet wurde. Wesentlich Neues gibt es zu diesem Zeitpunkt aber nicht: "Es gibt kleine Fortschritte", wiederholt Kehm, was sie schon zuvor in offiziellen Statements bestätigt hatte.

"Die machen uns logischerweise sehr froh und geben uns großen Mut, aber es sind kleine Momente - Momente der Bewusstheit, des Erwachens und der Wachheit. Das ist eine gute Nachricht, auch wenn das sehr klein ist", berichtet sie und stellt klar: "Ansonsten möchte ich ausdrücklich dafür um Verständnis bitten, dass ich nicht in die konkreten Dinge reingehen möchte. Ich denke, das ist schon sehr privat, das geht nur die Familie was an."

Den Unterschied zwischen Momenten der Bewusstheit und des Erwachens könne man derzeit nicht näher definieren: "Bei Menschen, die sich das Gehirn verletzen, gibt es genau diese beiden Bereiche: Es gibt die Wachheit und es gibt das Bewusstsein. Jetzt bin ich selbst kein Mediziner, ich kann es also nur laienhaft erklären. Man kann wach sein und kein Bewusstsein haben. Das sind Menschen, die einfach gar keine Interaktion mit ihrer Umwelt aufnehmen können", sagt Kehm.

"Oder man kann auch - und das ist dann etwas mehr - Bewusstsein haben. Das bedeutet, man ist in der Lage, wie auch immer, auf ganz eingeschränktem Bereich, aber immerhin in Interaktion mit seiner Umwelt zu treten. Das ist einfach eine Voraussetzung, um dann weitermachen zu können", fährt sie fort. Prognosen seien nicht möglich: "Kein Mediziner könnte diese Fragen beantworten. Das ist ein großes Mysterium."

"Wir wissen über das menschliche Gehirn wirklich sehr viel, aber das, was man wirklich weiß, ist, dass jeder Fall individuell ist und jeder Fall und jede Verletzung, selbst wenn sie nominell eigentlich gleich ist, sich anders ausdrücken kann. Prognosen sind deshalb eigentlich nicht wirklich möglich. Die bekommen wir auch von den Ärzten nicht. Kein Arzt würde das machen, denn es gibt alle möglichen Fälle, es gibt Entwicklungen in alle Richtungen."

Kehm ist "fast jeden Tag in Grenoble" und bestätigt, dass auch Jean Alesi kürzlich an Schumachers Krankenhausbett war: "Jean Alesi war in der Tat einmal in Grenoble. Er ist auch in der Tat ein Freund von Michael, aber vieles von dem, was die Leute dann sagen - und meines Wissens wurde er stark dazu getrieben, überhaupt was zu sagen, und ziemlich unter Druck gesetzt -, wird oft nicht so wahrheitsgetreu widergegeben, wie es wirklich gesagt wurde."

Der ehemalige Formel-1-Pilot, der 1995/96 mit Schumacher einen Cockpit-Tausch zwischen Ferrari und Benetton vollzogen hat, hatte berichtet, dass sein ehemaliger Rivale darauf reagiere, wenn er gezwickt wird. Kehm ärgert sich über solche Schlagzeilen: "In erster Linie bedeuten diese Äußerungen immer wieder auch, dass es neue Berichterstattung über den Fall gibt, und für die Familie wäre es natürlich schon immer wieder auch mal gut, wenn dann Ruhe einkehren würde."

"Jedes Mal, wenn sowas verbreitet wird, gibt es wieder eine große Diskussion. Es schalten sich leider sehr oft Mediziner von außen ein, die das wieder interpretieren. Weil sie aber die Geschichte und die Krankenakte nicht kennen, sind das meistens Interpretationen, die schwer an der Wirklichkeit vorbeigehen. Es ist eigentlich jedes Mal aufs Neue eine Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit, mit den Medien, die dann beginnt mit diesen Aussagen."

"Ein großes Ärgernis" seien nicht mit dem Fall vertraute Ärzte wie der frühere Formel-1-Chefmediziner Gary Hartstein, die ihr Fachwissen kundtun: "Die Ärzte in diesem Universitätskrankenhaus in Grenoble, die sehr große Experten sind - das Krankenhaus in Grenoble ist das Zentrum für die umliegenden Berge -, die haben dann natürlich schon immer wieder das Gefühl, sie müssten sich rechtfertigen und sie werden in ihrem Tun kritisiert. Wir haben das Bedürfnis, diesen Ärzten immer wieder zu sagen, dass wir an ihnen überhaupt nicht zweifeln."

"Ich halte das für in Teilen sehr verwerflich, weil all diese Doktoren, die sich von außen einschalten, überhaupt keine Kenntnis von dem haben, was da passiert. Das Schlimme ist, gerade in dem Fall, den Sie zitieren (Hartstein; Anm. d. Red.), dass das dann sehr oft weiterverbreitet wird und sich sehr oft online eine virtuelle Wirklichkeit manifestiert, die mit den echten Geschehnissen gar nichts zu tun hat. Für die Leute aber ergibt sich ein Bild, das wir eigentlich permanent korrigieren müssten, indem wir das wahre Bild erzählen, und das wollen wir natürlich nicht."

Besonders geärgert hat sich Schumachers Umfeld in den ersten Tagen nach dem Unfall über extrem respektlose Versuche von Journalisten, sich Zugang zum Krankenhausbett zu verschaffen. So gab es zum Beispiel einen Medienvertreter, der sich als Priester hineinschmuggeln wollte: "Ja, das stimmt leider", bestätigt Kehm. "Das war ganz am Anfang, da gab es diesen Menschen, der dann aber Gott sei Dank von der Security entfernt wurde."

"Es gab auch einen anderen Fall eines Menschen, der sich ganz am Anfang als Michaels Vater ausgegeben hat. Natürlich können die Security und die Leute vor Ort in Grenoble Michaels Vater nicht kennen, das kann man auch nicht erwarten", gibt die ehemalige Journalistin, die seit 2010 Schumachers Management erledigt, zu Protokoll. "Es gab sehr viele abstruse Fälle von Leuten, die versucht haben, in die Intensivstation vorzudringen, um vielleicht ein Foto oder ein Video zu machen."

"Ganz toll" sei dafür die echte Anteilnahme von hunderttausenden Fans auf der ganzen Welt: "Da muss ich wirklich sagen, diese Anteilnahme ist wirklich überwältigend. Sie kommt von wohlmeinenden Menschen und gibt der Familie wirklich Kraft, weil man das Gefühl hat, man wird unterstützt und empfängt irgendwie positive Energie. Die schreiben Briefe, die schicken Geschenke, auch ganz viele E-Mails natürlich."

"Es kommt jeden Tag sehr viel Post im Krankenhaus und bei uns im Büro an - noch immer, obwohl es heute 15 Wochen sind. Das ist beeindruckend und das ist unter anderem auch ein bisschen der Grund, weswegen wir immer wieder gesagt haben, wir sagen doch vielleicht ein bisschen mehr, als wir manchmal gerne getan hätten, weil wir schon den Eindruck hatten, die Leute haben ein genuines und sehr liebevolles Interesse", so Kehm.

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