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Formel 1: Analyse Grid Girls, Grand Prix von Abu Dhabi 2014

Wie die Einnahmen verteilt werden

Manche sind gleicher: Welches Team wie viel erhält, was die Gründe dafür sind, und warum dies die Formel 1 an den Abgrund geführt hat.

Die Quintessenz des Sports ist Gleichheit. Es geht um die Gleichheit der Chancen, um identische Zugangsbedingungen und darum, dass für alle Teilnehmer deckungsgleiche Regeln herrschen, und dass der Wettbewerb nach denselben Maßstäben verläuft. Gibt es keine Gleichheit, ist der Sportsgeist zerstört, denn er besagt: Es geht um "höher, schneller, weiter" - und zwar unter den gleichen Bedingungen.

Logischerweise wird es aber immer Unterschiede geben. Das sportliche Reglement der Formel 1 besteht, um Gleichheit zu gewährleisten. Das Problem ist jedoch: Qualitätsunterschiede lassen sich nicht in Luft auflösen, auch dieser Begriff gehört zum Repertoire einer globalen Sportart. Gibt es keine Gleichheit, geht es nur noch darum, Nachteile wettzumachen. Es wäre ein Rennen wie das des Esels mit der Karotte vor seiner Nase.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Dinge im Sport mit Zahlen bedacht werden. Ein Tennisspieler mag im Jahr mehr verdienen als sein Gegner, der eine Kicker eines Fußballklubs mehr als ein Mannschaftskamerad, aber die Finanzen beeinflussen nicht die Fähigkeiten auf dem Platz. In der Formel 1 jedoch bedeutet ein Vorteil von bis zu 44 Millionen Euro einen gewaltigen Unterschied, der sich in besseren Rundenzeiten ausdrückt.

Alles begann mit Ferrari ...

Vor langer Zeit gab es wirtschaftliche Ebenbürtigkeit in der Formel 1. Damals war Zampano Bernie Ecclestone noch Teambesitzer und führte von 1982 bis 1997 die Teamvereinigung FOCA an. Er handelte die kommerziellen Rahmenbedingungen aus und sprach dabei für alle Teams. Dann riss er sich die Finanzen der "Königsklasse" unter den Nagel, indem er die alleinige Macht in der FOCA übernahm. Er machte aus einem Gremium das Formula One Management (FOM).

Er führte es zunächst mit der Hilfe seines Familienunternehmens, anschließend mit der Unterstützung von allerlei Geldgebern. 1997 brachte er die FIA dazu, ihm die kommerziellen Rechte an der Formel 1 für viele Jahrzehnte zu verkaufen. Er verhandelte mit Ferrari und bot der Scuderia zusätzliche fünf Prozent der FOM-Anteile sowie der Anteile der übrigen Teams am großen Einnahmentopf – insgesamt waren es 23 Prozent.

Die Teams unterstützten auf diese Art und Weise indirekt einen Konkurrenten. Der Deal lief bis 2007, ehe ohne die Aussicht auf eine vernünftige Alternative eine Verlängerung um zwei Jahre beschlossen wurde. Obwohl sich die Verteilung der Einnahmen der 50-Prozent-Marke näherte, wurde Ferrari ein Vetorecht bei der Beschlussfassung des sportlichen und technischen Reglements zugesichert. Das war dienlich: Toyota etwa wollte V12-Motoren, Ferrari hatte aber gerade einen V10 gebaut – und setzte sich durch.

CVC: Das Unheil nimmt seinen Lauf

Den bittersten Nachgeschmack hinterließ jedoch, dass auch die FIA das Abkommen unterzeichnete. Die Fäulnis nahm ihren Anfang und setzte sich mit dem Verkauf der FOM-Mehrheitsanteile an EM.TV fort. Anschließend gelangte die Kontrolle in die Hände der Kirch-Gruppe, nachdem es zu Problemen beim Abstottern der Kosten gekommmen war. Kirch endete infolge des Deals selbst in Schieflage, was bewirkte, dass 75% der Formel-1-Rechte in die Hände dreier Banken gelangten, die diese wiederum an ein Konsortium mit CVC Capital Partners an der Spitze verkauften.

Der Fund IV von CVC erhielt zwei Drittel der Anteile und die hundertprozentige Kontrolle über die Formel-1-Rechte – und das in einer Zeit im Jahr 2006, als in der Formel 1 am erbittertsten über Einnahmenstruktur und Führung gestritten wurde, wodurch die Gefahr einer "Piratenserie" bestand. Zudem drohte der Abgang von FIA-Präsident Max Mosley, der die Rechte an der Formel 1 für 113 Jahre seinem Freund Ecclestone zugeschanzt hatte.

Die Hoffnungen, dass eine Gruppe pragmatischer Finanziers in der Formel 1 für Gleichheit sorgen würde, hielten nicht lange an. Als das bislang letzte offizielle Concorde Agreement, das die kommerziellen, sportlichen und technischen Aspekte des Sport regelt, unterschrieben wurde, wurden Ferrari bis Ende 2012 Vorzüge bei der Bezahlung und ein Vetorecht zugebilligt.

Was die Formel 1 mit Koffern zu tun hat

Die CVC-Entscheidungsträger hatten damals allerdings bereits den Hauptpreis im Visier: die Formel 1 in Singapur an die Börse zu bringen und das Modell der Firma Samsonite zu wiederholen. CVC hatte den Koffer- und Taschenhersteller 2007 durch Finanzierung der Royal Bank of Scotland übernommen, dann die Firma umstrukturiert und in Hongkong an die Börse gebracht.

Nach zwei Jahren stieg CVC komplett aus und musste sich nicht mehr darum kümmern, wie es mit der Firma weitergehen sollte – ein Ereignis, das hervorsticht, denn der Formel 1 droht eine ähnlich verwaiste Zukunft. Es hätte sogar schon so weit sein können, hätte das Schicksal nicht mit dem Gerichtsfall gegen Ecclestone in München eingegriffen.

CVC hat den Sport nach wie vor unter Kontrolle, obwohl man die Anteile auf 35,5 Prozent reduziert hat. Geht es nach den Statuten des Investmentunternehmens, was das "Return on Investment" angeht, steht fest: Bis spätestens 2017 muss der Ausstieg aus der Formel 1 erfolgen. Dazu passt auch das bisherige Portfolio, das mit 220 Firmen dreimal so groß war wie die aktuelle Assetliste mit 60.

Wie die Topteams geködert wurden

Damit sich ein Börsengang auszahlt, benötigte CVC unbedingt langfristige Verträge, die zumindest über 2017 hinaus gelten und die größten Namen der Formel 1 – also Red Bull Racing, Ferrari, McLaren und, in etwas geringerem Maße, Mercedes und Williams – binden. Im März 2012 bot die FOM diesen Teams Geld für deren Unterschrift von 2013 bis 2020 sowie bevorzugende Zahlungen auf unterschiedlichem Niveau an. Dazu kamen die üblichen Anteile an den leistungsbezogenen Einnahmen.

Zudem winkte den bevorzugten Teams die Mitgliedschaft in der Strategiegruppe, in der über das zukünftige Reglement abgestimmt wird, bevor es vom Motorsportweltrat der FIA abgesegnet wird. FOM, FIA und die Teams haben darin je sechs Stimmen. Bei den Teams handelte es um die fünf privilegierten Rennställe sowie das nächstbestplatzierte Team in der Konstrukteurs-WM des Vorjahres.

Das ursprüngliche Konzept hätte, bevor das Reglement vom Weltrat abgesegnet wird, sogar die Formel-1-Kommission ignoriert; das wurde aber im Oktober auf Forderung der FIA angepasst. In der Folge verlor die Formel 1 auch den letzten Eindruck sportlicher Gleichheit, denn plötzlich konnten nicht nur einige Teams der Konkurrenz ein Reglement vorlegen – speziell in Hinblick auf die Kosten –, sondern sie erhielten zudem das finanzielle Rüstzeug, um diese zu zerstören.

Die Einnahmenverteilung auf Basis 2014

Das Untersuchungsergebnis der Finanzsituation der Formel 1 ist schockierend und beweist, wie ungleich die Formel 1 geworden ist. Während Ferrari einst einen Vorteil in Höhe von fünf Prozent hatte, beträgt der Unterschied zwischen den Teams teilweise 100 und möglicherweise sogar 200 Prozent, wenn man die bevorzugten Rennställe (Ferrari und Red Bull Racing) und das bestplatzierte Privatteam (Force India) vergleicht.

Dies führt zur Frage: Welche Rolle spielt eigentlich die FIA? Auf den Punkt gebracht: Der Automobilweltverband muss laut Verträgen zwischen der EU-Kommission, der FOM und der FIA unter Mosley die wirtschaftliche und die sportliche Gewalt trennen, während die Einnahmen aus dem Verkauf der Rechte für 113 Jahre an die in London sitzende FIA-Stiftung gehen.

Nach welchem Schlüssel die Gelder verteilt werden

Bevor man diesbezüglich aber ins Detail geht noch ein paar Hintergrundinformationen: Die grundsätzlichen Zahlungen in der Formel 1 basieren auf Tabelle 10 des Concorde Agreements 2010 bis 2012, in der im Hinblick auf die Einnahmen drei Spalten relevant sind. Aus der dritten Spalte werden maximal zehn Millionen Dollar an Teams ausgeschüttet, die es im Jahr davor nicht in die Top 10 geschafft haben.

Nach dem Caterham-Aus spielt das keine Rolle mehr, aber die Ankunft des Haas-Teams im Jahr 2016 könnte für eine Renaissance der dritten Spalte sorgen. Die restliche Einnahmenverteilung wird mittels eines komplexen Verfahrens berechnet, das auf dem Endstand der Konstrukteurs-WM der vergangenen drei Jahre basiert (Spalte 1) und zudem die Leistung der vergangenen Saison (Spalte 2) heranzieht.

In jeder Spalte stehen 50 Prozent des Einnahmentopfes, der wiederum mit ungefähr 50 Prozent der Formel-1-Gewinne gefüllt ist. Dabei handelte es sich 2014 insgesamt um ungefähr 1,27 Milliarden US-Dollar, der Topf der Spalten 1 und 2 besteht also aus 635 Millionen US-Dollar. Demnach teilen sich die Teams, die es in den vergangenen drei Jahren zumindest zweimal in die Top 10 geschafft haben, den Betrag in Spalte 1 zu gleichem Maße.

Spalte 2 ist wie folgt aufgeschlüsselt:

1. 19 Prozent
2. 16 Prozent
3. 13 Prozent
4. 11 Prozent
5. 10 Prozent
6. 9 Prozent
7. 7 Prozent
8. 6 Prozent
9. 5 Prozent
10. 4 Prozent

Erhebliche Bonuszahlungen sorgen für Ungleichheit

So weit, so gut – alles sieht ausgeglichen aus und basiert auf einer Mischung aus Leistungen der vergangenen drei Jahren und dem Ergebnis der vorangegangenen Saison. Das war es dann aber auch schon mit der Gleichheit, denn zusätzlich zu den 50 Prozent – 635 Millionen US-Dollar im Jahr 2014 –, die sich alle Teams teilen, schüttet CVC weitere 250 Millionen US-Dollar an die fünf bevorzugten Teams aus. Ferrari erhält davon alleine 98 Millionen US-Dollar.

Während das italienische Team im Vorjahr wegen seiner schlechten Leistungen (Platz vier nach nur zwei Podestplätzen) nur 66 Millionen US-Dollar aus den Spalten 1 und 2 verdiente – was dem entspricht, was Lotus, Force India oder Sauber bei gleichen Ergebnisssen bekämen –, gingen wegen des Deals mit der FOM dennoch 164 Millionen US-Dollar nach Maranello.

Obwohl Williams ebenfalls zu den privilegierten fünf Teams zählt und eine bewegte Historie hinter sich hat, erhielt es für Platz drei nur 83 Millionen US-Dollar. Das ist die Hälfte von Ferrari, obwohl man die Scuderia aus Maranello geschlagen hatte. Anders gesagt: Wären alle Gelder (883 Millionen US-Dollar) in gleichem Maße an die zehn Teams verteilt worden, hätte Williams für den dritten Platz einen viel größeren Anteil (88 Millionen US-Dollar) erhalten.

Ungleichheit sogar unter den privilegierten Teams

Es gibt aber noch andere Unregelmäßigkeiten: McLaren erhielt für Platz fünf 98 Millionen US-Dollar, also 15 Millionen mehr als Williams für den dritten und fast 40 Millionen mehr als Force India für den sechsten Rang. Pro WM-Punkt gerechnet verdiente Ferrari 2014 760.000, McLaren 540.000, Red Bull 385.000, Williams 260.000 und Force India 388.000 US-Dollar.

Somit wäre auch klar, warum Ferrari und McLaren aktiv gegen eine Kostensenkung auftreten, während die Privatteams ums Überleben kämpfen. In Anbetracht dieser Zahlen gibt es keinen Grund, weshalb sich Teams wie Force India, Sauber, Lotus oder Manor für ihre angespannte finanzielle Situation schämen sollten.

Übersicht FOM-Einnahmen der Teams in US$ nach 2014

1. Ferrari — 164 Mio. (67 Mio. aus Spalte 1+2, 97 Mio. Bonus)
2. RB Racing — 156 Mio. (82 Mio. aus Spalte 1+2, 74 Mio. Bonus)
3. Mercedes — 126 Mio. (92 Mio. aus Spalte 1+2, 34 Mio. Bonus)
4. McLaren — 98 Mio. (63 Mio aus Spalte 1+2, 34 Mio. Bonus)
5. Williams — 83 Mio. (73 Mio. aus Spalte 1+2, 10 Mio. Bonus)
6. Force India — 60 Mio. aus Spalte 1+2
7. Toro Rosso — 54 Mio. aus Spalte 1+2
8. Lotus — 51 Mio. aus Spalte 1+2
9. Marussia — 48 Mio. aus Spalte 1+2
10. Sauber — 44 Mio. aus Spalte 1+2

Mit dieser Struktur hat CVC die Formel 1 als Teil des Ausstiegsplans versehen, aber der Ecclestone-Gerichtsprozess und generell düstere Marktaussichten haben den geplanten Börsengang zerschlagen, weshalb man die Anteile von über 60 Prozent auf ein bisschen mehr als die Hälfte reduzierte. Als Mehrheitseigentümer trägt man aber nach wie vor die Hauptlast eines Geschäftsmodells, von dem man sich rasch trennen will.

Spezieller Mercedes-Deal bei zweitem Titelgewinn?

Es kommt aber noch schlimmer: Laut diverser Quellen hat Mercedes beträchtliche Bonuszahlungen für einen zweiten WM-Titel ausgehandelt, und der gilt als wahrscheinlich. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es sich um 40 Millionen US-Dollar pro Saison handelt, wodurch die Einnahmen des Teams von 125 Millionen US-Dollar auf das Niveau von Ferrari und Red Bull Racing steigen würden. Für CVC ist es noch besorgniserregender, dass man damit Gelder anzapft, die eigentlich für Investoren gedacht waren.

Dadurch wird es für die FOM immer schwieriger, sich der schwierigen Situation der Privatteams anzunehmen – und das, obwohl man mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar Umsatz macht. Wirklich verrückt ist aber, dass an alle Teams pro Jahr eine Milliarde US-Dollar ausgeschüttet wird, was im Schnitt pro Team 100 Millionen US-Dollar ergäbe. Dennoch kann die Hälfte des Feldes seine Rechnungen nicht bezahlen und muss Bezahlfahrer engagieren, die nicht wegen ihrer Leistungen am Start stehen.

Wen wundert es da noch, dass der Grand Prix von Spanien in einigen Märkten die niedrigsten Einschaltziffern seit mehr als einem Jahrzehnt hatte und CVC-Mitgründer und -Vorsitzender Donald Mackenzie deshalb an der Sitzung der Strategiegruppe teilnehmen wird?

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