MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Das ändert sich durch die neuen Reifen

Das Thema ist genauso trocken wie entscheidend: Reifen, das Schwarze Gold der Formel 1 - Übersicht über alle wichtigen Veränderungen seit 2016.

Endlich wieder richtige Schlappen! Aber wie breit sind sie genau?

Laut Reglement 2016 durfte ein Vorderreifen eines Formel-1-Autos maximal 245 Millimeter breit sein. Ab 2017 sind 305 Millimeter erlaubt. Die Hinterreifen werden von 325 auf 405 Millimeter vergrößert. Der Durchmesser erhöht sich ebenfalls, von 660 auf 670 Millimeter. Die Felgendimension bleibt hingegen unverändert bei 13 Zoll.

Bedeutet das mehr Attacke?

Ja! Zumindest ist das das Ziel, das Pirelli von den Teams vorgegeben wurde. Die bisherigen Reifen waren so fragil, dass die maximale Performance teilweise nicht einmal über eine einzige Runde gehalten werden konnte. Viele Fahrer waren darüber hinter vorgehaltener Hand unglücklich, äußerten dies aber nicht öffentlich, um Pirelli zu schützen. Mark Webber zum Beispiel sagte nach seinem Rücktritt von der Formel 1, als er für Porsche auf Michelin-Reifen Le Mans fuhr: "Endlich wieder richtige Rennreifen!"

Mit diesem Theater soll 2017 Schluss sein, die Fahrer werden wieder über längere Zeiträume ans Limit gehen können. "Wir haben einen Schritt in diese Richtung gemacht, das steht fest", erklärt Pirelli-Rennleiter Mario Isola. Zum Vergleich: Beim Grand Prix von Spanien 2016 hielt der Soft etwa zehn Runden. Nach dem Barcelona-Test 2017 meint Felipe Massa: "Ich bin 20 Runden am Stück mit Soft gefahren und konnte 20 Runden lang attackieren."

Allerdings: "Die Entwicklungskurve der neuen Autos wird rapide sein, besonders wegen des neuen Reglements. Daher müssen wir die Abbau-Daten im letzten Saisonviertel neu evaluieren", warnt Isola. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Suzuka mit Medium und Soft einen anderen Grad des Abbaus vorfinden werden als jetzt, sieben Monate vorher, in Barcelona. Denn im Oktober werden die Autos mehr Anpressdruck und mehr Leistung haben als jetzt."

Wird es weniger Boxenstopps geben als 2016?

"Ja, mit Sicherheit", bestätigt Isola, denn: "Das formulierte Ziel, das an uns herangetragen wurde, war klar: weniger Abbau, mehr Performance, damit die Rundenzeiten 2017 um fünf Sekunden schneller werden." Dazu müssen die Reifen ihren Beitrag leisten, auch wenn der Großteil von der Aerodynamik kommt. "Weniger Abbau haben wir erreicht. Und auch die Überhitzungsgefahr wurde reduziert, damit die Fahrer mehr attackieren können."

Vielen Fans läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie an haltbarere Reifen denken. Denn Rennen wie früher in Monaco, als es eine mögliche Strategie war, gleich in der ersten Runde an die Box zu kommen und dann bis zum Ende mit einem einzigen Reifensatz durchzufahren, tragen zur Show wenig bei. Isola sieht das anders: "Wer sagt, dass weniger Boxenstopps zwangsläufig weniger Show bedeuten müssen?"

"Monaco-Strategien" seien nämlich nur möglich, "wenn der Abbau gleich null ist. Dann verwenden natürlich alle den weichsten verfügbaren Reifen. Aber wir wurden gebeten, dass die verschiedenen Reifen unterschiedlich schnell abbauen - und nicht, dass sie gar nicht mehr abbauen."

Wie hoch ist der anvisierte Reifenabbau?

"Das Ziel ist ein Abbau von zwei Sekunden nach jeweils zehn Runden, wobei zehn Runden ungefähr 15 Prozent der Renndistanz entsprechen", erklärt Isola. Klingt dramatisch, ist es aber in der Praxis nicht: "Beim Barcelona-Test war der Abbau geringer, bei ungefähr 1,5 Sekunden nach zehn Runden." Auch hier gilt: Die Richtwerte könnten sich im Saisonverlauf verändern. "Sobald die Autos schneller werden, könnte der Wert nach oben gehen", weiß der Pirelli-Mann.

Wird Überhitzung weiterhin ein Problem sein?

Zumindest nicht mehr im gleichen Ausmaß wie 2016. "Die Fahrer haben sich ausdrücklich gewünscht, dass wir das adressieren", sagt Isola und erklärt warum: "Wenn sie einem anderen Auto folgen, verlieren sie Grip." Dadurch werden die Reifen weniger stark auf den Asphalt gedrückt, die Verzahnung zwischen Gummi und Straße wird lockerer. Dann gibt es mehr Wheelspin, die Oberfläche überhitzt und die Performance bricht ein. Isola: "Das zu eliminieren, war ein Ziel, und das erste Feedback ist positiv."

Wie groß sind die Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Reifentypen?

Grundsätzlich variieren die Unterschiede von Strecke zu Strecke und von Auto zu Auto. Für die Pi-mal-Daumen-Rechner unter unseren Lesern gibt es vom Barcelona-Test aber Anhaltspunkte.

Ultrasoft-Supersoft: 0,3 bis 0,5 Sekunden*
Supersoft-Soft: 0,3 bis 0,5 Sekunden*
Soft-Medium: 1,3 bis 1,5 Sekunden
Medium-Hard: bis zu einer Sekunde

* Ultrasoft und Supersoft sind für bestimmte Strecken konzipiert, nicht für Barcelona. Auf solchen Strecken könnte das Delta bis zu 0,7 Sekunden pro Runde betragen.

Warum ist die Reifenauswahl für Barcelona so hart?

Pirelli hat für den Grand Prix von Spanien Soft, Medium und Hard nominiert, also das härteste mögliche Spektrum in der Vorauswahl. Das passt nicht zu den Aussagen der Fahrer, die finden, dass man sogar mit dem Soft locker 20 Runden am Stück voll attackieren kann. Experten stellen sich die Frage: Wer soll dann den Medium überhaupt fahren wollen?

Beim Test sei der Soft am besten geeignet gewesen, räumt Isola ein; der Medium war für seinen Geschmack "ein bisschen konservativ", den Hard ist "fast niemand" gefahren. Aber das wird im Mai, mit schnelleren (weil weiterentwickelten) Autos und bei höheren Temperaturen, möglicherweise anders sein: "Wenn wir hierher zurückkommen, mit weiterentwickelten Autos, wird der Medium ein guter Rennreifen sein", glaubt Isola.

Man habe einfach kein Risiko eingehen wollen. Zumal Barcelona das letzte Saisonrennen ist, bei dem Pirelli die Vorauswahl festlegt und die Teams nicht individuell entscheiden dürfen, wie viele Sätze welchen Reifentyps sie mitnehmen wollen. Pirelli liefert den Teams für Barcelona zweimal Hard, viermal Medium und siebenmal Soft. "Einen Schritt weicher zu gehen, mit sieben Sätzen Supersoft, wäre ein bisschen zu viel gewesen."

Pirelli geht also in den ersten fünf Saisonrennen auf Nummer sicher. Die Reifenvorauswahl steht inzwischen bis zum achten Saisonrennen in Baku fest. In Melbourne und Sotschi stehen weichere Reifen zur Verfügung als 2016. Bei allen anderen Grands Prix bleiben die Gummimischungen gleich.

Dürfen die Teams den Reifendruck wieder frei wählen?

Nein. Aus Sicherheitsgründen wird Pirelli weiterhin Mindestanforderungen für Druck und Sturz festlegen. Beim Barcelona-Test hatten die Teams die Wahl: entweder 3,5 Grad Sturz und 22 psi Druck oder 4,0 Grad Sturz und 23 psi Druck. Diese Wahlmöglichkeit werden sie bei den Rennen nicht mehr haben. Warum eigentlich? "Das Problem ist die Kontrolle", winkt Isola ab. "Es wäre sehr einfach, dabei einen Fehler zu machen."

Das System zur Reifendrucküberwachung bleibt übrigens unverändert, die Vorgaben variieren von Strecke zu Strecke - und können theoretisch an jedem Morgen eines Rennwochenendes von Pirelli angepasst werden. Viel ändert sich an den Werten nicht: In Barcelona lag die Vorgabe 2016 bei 22,5 psi vorne und 19,5 psi hinten. Für 2017 sind 22 psi vorne und 18 psi hinten geplant.

News aus anderen Motorline-Channels:

Formel 1: Analyse

Weitere Artikel:

Zwei Wochen nach seiner Blinddarmoperation gewinnt Carlos Sainz das Rennen in Melbourne - Max Verstappen mit Bremsdefekt k.o. - Nico Hülkenberg holt WM-Punkt

Winward enthüllt Designs

"Mamba" 2024 doch im DTM-Einsatz!

Wieso die "Mamba" 2024 vor allem in der Anfangsphase der Saison für Verwirrung sorgen könnte und mit welcher Optik Winward die Mercedes-Historie beschwört