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Formel 1: Interview

Todt fordert mehr technische Ausfälle

FIA-Präsident Jean Todt ist schockiert über die Zuverlässigkeit der aktuellen Formel-1-Boliden und sieht darin einen Kostentreiber.

Jean Todt meint, dass die Formel 1 zu perfekt geworden sei und es nicht mehr genug Ausfälle gebe. "Zu teuer, zu kompliziert, irgendwie auch zu zuverlässig" sei die Rennserie geworden, sagte der FIA-Präsident. "Ich bin schockiert, wenn ich an den ersten Testtag in Barcelona denke. Ich erinnere mich an meine Zeit. Da sind wir fünf Runden gefahren und haben danach gesagt: 'Fantastisch, wir haben fünf Runden geschafft.' Heute drehen sie am ersten Tag 70 oder 80 Runden."

Genauer gesagt waren es am 27. Februar 2017 in Barcelona durchschnittlich 73 Runden pro Team; Mercedes schaffte sogar ganze 152 Runden. Das entspricht mehr als zwei kompletten Renndistanzen. "Die Autos sind zu zuverlässig", unterstrich Todt. "Nico Rosberg hatte vergangenes Jahr nicht einen einzigen Technikdefekt. Sein einziger Ausfall war die Kollision mit seinem Teamkollegen in Barcelona."

Umgekehrt sei jeder technisch bedingte Ausfall heutzutage ein Riesendrama: "Als Hamilton in Malaysia der Motor kaputt gegangen ist, war das eine Katastrophe, aber in Wahrheit hast du 42 Starts – und dann verlierst du zwei Autos bei einer Kollision und eines mit einem technischen Defekt. Das ist für mich zu extrem. Ich bin mir sicher, dass das viel Geld kostet. Können Sie sich vorstellen, wie viel in der Fabrik gearbeitet werden muss, um so ein Zuverlässigkeitsniveau zu erreichen?"

Die Statistik bestätigt Todt: Im aktuellen Jahrzehnt lag die Ausfallsquote im Saisondurchschnitt noch nie über 20 Prozent; der Tiefststand waren gerade einmal 13 Prozent im Jahr 2013. Noch 2002 haben durchschnittlich bloß 59 Prozent der gestarteten Teilnehmer die Zielflagge gesehen. Am unzuverlässigsten waren die Formel-1-Autos im Jahr 1984 mit einer Ankunftsquote von lediglich 42 Prozent!

"Die Formel 1 ist eine tolle Show, aber sie kostet zu viel Geld", kritisierte der ehemalige Ferrari-Teamchef diese Rennserie. "Im Moment haben wir nur zehn Teams, die an der WM teilnehmen, aber wir haben zwölf Startplätze. Wir sollten dazu in der Lage sein, die beiden freien Startplätze [für Teams; Anm.] zu füllen." Dafür brauche es seiner Meinung nach eine veränderte Einnahmenverteilung, die offiziell jedoch nicht in die Zuständigkeit der FIA fällt.

Noch etwas bereitet Todt Kopfzerbrechen: "Ich bin besorgt, dass der Abstand zwischen dem Ersten und Siebenten der Startaufstellung mehr als zwei Sekunden beträgt. Das ist zu viel. Ich träume davon, die ersten zehn Autos innerhalb von sieben oder acht Zehntelsekunden zu haben." Auch das sei aber nur in einem Umfeld erreichbar, in dem auch kleinere Teams mit weniger Geld dazu in der Lage sind, konkurrenzfähige Autos zu bauen.

Noch Ende der 90er Jahre hat ein mittelgroßes Team wie Jordan, heute am ehesten mit dessen indirekten Nachfolger Force India vergleichbar, Rennen gewonnen und ist in einer besonders guten Saison sogar lange um den WM-Titel mitgefahren. Doch seitdem wurde die technologische Entwicklung in der Formel-1-WM immer komplexer, was freilich auch dem FIA-Reglement geschuldet ist. Heute ist es praktisch ausgeschlossen, dass ein anderes Team als Mercedes, Ferrari oder RB Racing eine Chance auf Rennsiege oder sogar den WM-Titel hat. Selbst ein Team wie McLaren-Honda, das von den Ressourcen her mit den Topteams mithalten kann, strauchelt in aller Öffentlichkeit.

Ein anderes Thema, das nach Melbourne durchaus kritisch bewertet wurde, sieht Todt notwendigerweise gelassen. "Das Überholen war im Motorsport schon immer ein Problem. Ich erinnere mich an Rennen vor 20, 30 Jahren, in denen ein Auto mit frischen Reifen um drei oder vier Sekunden schneller war, aber nicht an einem Auto mit alten Reifen vorbeigekommen ist", behauptete er. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass das Überholen durch das überarbeitete Reglement in der Tat schwieriger geworden ist.

"Wir haben versucht, das Überholen mit DRS und anderen Technologien einfacher zu machen. Mit den neuen Regeln wird es eher schwieriger, aber das war vielleicht der Preis, den wir für die breiteren Autos mit mehr Aerodynamik bezahlen mussten. Wir werden das Thema betrachten, wenn wir über die zukünftigen Regeln sprechen, ob der jetzt gefundene Kompromiss so richtig ist", erklärte der Franzose.

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