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Formel 1: News

Antriebe 2021: Weichenstellungen in Paris

Beim Meeting der Motoren-Arbeitsgruppe der Formel 1 am kommenden Dienstag in Paris sollen Rahmendaten verabschiedet werden: V6-Biturbo mit Einheits-KERS?

Bei einem weiteren Meeting der Motoren-Arbeitsgruppe soll am kommenden Dienstag in Paris der Weg für das Antriebsreglement ab der Saison 2021 geebnet werden. Bei dem Treffen, an dem neben Vertretern von FIA und FOM auch leitendes Personal von den aktuellen Antriebsherstellern Ferrari, Mercedes, Renault und Honda sowie der Interessenten Ilmor, Porsche, Alfa Romeo, Aston Martin und Audi teilnehmen werden, sollen die Rahmendaten für die neuen Aggregate abgestimmt werden.

Die Kommission ist auf der Suche nach dem Heiligen Gral. "Viel Power, viel Krach, tolle Fahrbarkeit zu einem günstigen Preis", nennt McLaren-Teamchef Eric Boullier die Wunschliste, die von vielen Teilnehmern geteilt wird. Allerdings kommt ein entscheidender Faktor hinzu: Für einen Hersteller wie Mercedes muss der Formel-1-Antrieb der Zukunft gleichzeitig auch eine technologisch anspruchsvolle Komponente in sich tragen, damit entsprechende Budgets unter dem Oberbegriff "Relevanz für Entwicklung von Straßenfahrzeugen" aus dem Topf für technische Entwicklung (RD) abgerufen werden können.

Dem Wunsch nach einer Kostensenkung will man unbedingt nachkommen, um Privatteams das Leasing der Aggregate günstiger anbieten zu können. Auf dem Weg dorthin erscheint es allen involvierten Parteien sinnvoll, an den Grunddaten des Verbrenners (V6-Architektur) festzuhalten. Bis zum 31. Mai konnten alle Teilnehmer des Meetings ihre Vorstellungen schriftlich bei der FIA einreichen. Das Ergebnis: Beim 1,6-Liter-"Motörchen" wird es wohl bleiben.

Einheits-KERS statt zwei Systeme zur Rekuperation

Große Unterstützung erhält bislang auch die Idee, von den zwei komplizierten Hybridsystemen mit Rekuperation von kinetischer und thermischer Energie an Bremsen und Turbolader abzugehen. Auf dem Tisch liegt ein Plan zur Integration eines Einheits-KERS, das wesentlich kostengünstiger wäre als die bisherigen Eigenentwicklungen. "Über Kosten reden wir lieber nicht. Die Topteams schießen 200 Millionen und mehr in die Chassisentwicklung, und dann wollen alle einen Motor für unter zehn Millionen", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Diese Rechnung hat keinen Sinn."

Für Wolff als Verantwortlichen eines großen Werksprogrammes in der Formel 1 mögen die Kosten keine so große Rolle spielen, für Privatteams hingegen umso mehr. Aktuell bezahlen Williams, Toro Rosso, Sauber und Co. pro Saison geschätzte 20 Millionen Euro für das Antriebsleasing. Im Falle der Schweizer entspricht dies mehr als einem Fünftel des gesamten Jahresbudgets. Der Anteil der Antriebe an den Gesamtkosten pro Jahr soll aus Sicht der Privaten dringend um etwa die Hälfte sinken. Aber wie stellt man das an?

Ein Einheits-KERS, das es bei Anbietern wie Magneti Marelli, Bosch oder Zytek quasi von der Stange zu kaufen gibt, ist ein Schritt. Einen weiteren erhofft man sich durch die Anwesenheit jener Parteien, die aktuell nicht in der Szene involviert sind. Das Interesse an einem möglichen Porsche-Antrieb ist schon jetzt riesig, obwohl die Stuttgarter am Dienstag in Paris erstmals mit am Tisch sitzen. Unter anderem Red Bull und McLaren erwartet von dort gute Qualität zu einem vernünftigen Preis. Auch Ilmor könnte als unabhängiger Anbieter dafür sorgen, dass die Kosten für Antriebe insgesamt sinken.

Leistungsdichte bei Antrieben soll höher werden

"Wenn wir alles etwas weniger komplex gestalten, dann wird die Hürde für Neueinsteiger und unabhängige Anbieter niedriger", sagt Toto Wolff. "Damit sind eigentlich alle einverstanden." Dieser Weg hätte einen wichtigen Nebenaspekt, der - verständlicherweise - dem von Honda-Schwächen gebeutelten McLaren-Team sehr am Herzen liegt. "Es sollte so sein, dass die Leistungsunterschiede nicht mehr so groß ausfallen wie heute", so Teamchef Eric Boullier, für den ein Wechsel seiner Mannschaft zu einem unabhängigen Antriebsanbieter "sehr wohl" ein Thema ist.

"Dann haben wir nicht 50 PS weniger, sondern vielleicht zehn. Das kannst du ausgleichen, so wie wir das in der Vergangenheit auch getan haben", meint Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko im Gespräch mit auto motor und sport. Der Grazer möchte die Komponenten KERS, Turbo und Batterie standardisiert haben. Die neuen Antriebe sollen im Entwicklungsbudget mit rund 20 Millionen Euro zu Buche schlagen. "Dann gibt Mercedes 40 Millionen aus. Es kostet halt bei deren Arbeitsweise das Doppelte. Die haben 22.000 verschiedene Schaufelformenräder gemacht. 22.000! Bis sie die richtige Schaufel hatten."

Die Show ist wichtig - nicht die Schaufel! Das ist die klare Marschroute der neuen Formel-1-Vermarkter. Um neue Zielgruppen erschließen und die Fangemeinde erweitern zu können, soll die Grand-Prix-Szene wieder alle Sinne der Zuschauer ansprechen. Die Antriebe sollen keine flüsternden Effizienzwunder sein, sondern brüllender Ohrenschmaus für echte Racing-Liebhaber. Umsetzen will man dies über einen zweiten Turbolader. Das Biturbo-Konzept ließe ein schönes Sounddesign zu, bei einer Leistung oberhalb der 1.000-PS-Marke.

Formel 1 am Scheideweg: Technologie oder Show?

"Ich als Ingenieur finde Technologie immer faszinierend. Ob man damit aber wirklich große Fan-Massen erreicht, lassen wir mal dahingestellt", meint Williams-Urgestein Patrick Head. "Ganz ehrlich: In den vielen Jahren, in denen ich dabei war, habe ich Technologie nie als relevant für Automobilbau betrachtet, sondern immer nur als Performance-Faktor für unseren Rennsport." Red-Bull-Teamchef Christian Horner stimmt zu: "Der Fahrer sollte der wichtigste Faktor im Wettbewerb sein, danach das Chassis, dann Antrieb und weiter unten auf der Liste Dinge wie Reifen oder Benzin."

Der Fahrplan zum neuen Antriebsreglement sieht noch weitere Meetings in den kommenden Monaten vor. Bis zum Ende des Jahres sollen die Bedingungen derart klar herausgearbeitet sein, sodass die interessierten Hersteller mit ihren Entwicklungen beginnen können. "Diese Entscheidungen sind für die Zukunft der Formel 1 enorm wichtig", so Horner. "Am liebsten würden wir einen fetten V12-Motor haben, aber das ist mit den Herstellern verständlicherweise nicht machbar. Eigentlich schade, aber wir können die Augen nicht komplett vor den Entwicklungen auf dem Automotive-Sektor verschließen."

"Grundsätzlich können wir uns mit Blick auf die Zukunft nicht vor der folgenden Grundsatzfrage drücken: Soll die Formel 1 eine Technologiebühne sein oder einfach nur feinstes Entertainment? Wenn wir uns an Straßenautos orientieren, wohin führt das dann? Im Jahr 2030 fährt vielleicht schon fast alles elektrisch oder sogar komplett autonom. Sollen wir in der Formel 1 dann auch ohne Fahrer auskommen?", fragt Horner. "Wir sind da an einem wichtigen Punkt angekommen, wo wir einen klaren Weg einschlagen müssen. Das Antriebsreglement 2021 ist diesbezüglich extrem wichtig."

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