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Imola 1994 und die Frage: "Wer war Roland Ratzenberger?"
Foto: Motorsport Images

Imola 1994 und die Frage: "Wer war Roland Ratzenberger?"

Heute vor 26 Jahren: Der dramatische Grand Prix von San Marino und das Leben von Roland Ratzenberger, zusammengefasst in einem Gastbeitrag von Peter Levay.

In Zeiten der Coronakrise, die uns weltweit zu schaffen macht, haben wir alle sehr viel mehr Zeit, über alles Mögliche nachzudenken und immer wieder aufgeschobene Dinge zu erledigen. Nicht nur soziale Kontakte, der Verlust des ein oder anderen Arbeitsplatzes, sondern auch unser gesamtes Öffentliches Leben steht still. Dazu gehört auch der Besuch von Großveranstaltungen wie Konzerten, Fußball oder der Motorsport.

So rettet man sich über diese schwierige Zeit mit digitalen Rennen, Podcasts und Skype-Interviews. Der offizielle Formel 1-Kanal auf YouTube zeigt derzeit klassische Rennen aus vergangenen Tagen. Darunter den Grand Prix von Spanien in Barcelona 1996, den Michael Schumacher mit seinem unterlegenen Ferrari gewann; die Titelkämpfe 1986 in Adelaide und 1997 in Jerez; aber auch verrückte, weil einzigartige Rennen, in denen nur sechs Autos die Zieldurchfahrt überquerten, so geschehen 1996 beim Grand Prix von Monaco.

Sicher werden in den nächsten Wochen noch einige spannende Rennen hochgeladen, die dem Fan die Geschichte der Formel 1 näherbringen soll.

Mit Sicherheit aber wird ein Rennen dabei aus pietätsgründen in den Archiven bleiben: Der Grand Prix von San Marino in Imola, vom 1. Mai 1994. Eines der katastrophalsten Rennwochenenden, die die moderne Fomel 1 je gesehen hat. Für die jüngeren unserer Leser, die nicht wissen, was damals geschehen ist, hier noch einmal die Bilanz des Wochenendes:

Freitag, 29. April: Unfall Rubens Barichello

Im Freitags-Qualifying wurde Rubens Barrichello (späterer Teamkollege von Michael Schumacher bei Ferrari) in den Fangzaun katapultiert, weil er in einer Schikane schlichtweg zu schnell war. Natürlich waren diese mit einem doppelten Reifenstapel gesichert. Aber was hilft diese Vorkehrung, wenn der Bolide die schrägen Curbs als Sprungschanze benutzt, und knapp oberhalb des Reifenstapels einschlägt?

30 Zentimeter weiter höher hätte der Tiefflug auch in der voll besetzten Tribüne enden können. Nicht auszudenken, welche Konsequenzen das gehabt hätte. Mit einem mehrfachen Überschlag wurde Barrichello zurückgeschleudert und er erlitt - wie durch ein Wunder - nur leichte Schnittverletzungen im Gesicht.

Jedem, der die Bilder damals sah, fuhr der Schreck durch die Glieder. Der gesamte Formel-1-Zirkus sah die glimpflichen Folgen des Unfalls als Zeichen der unzerstörbaren Sicherheit, in der sich die Formel 1 damals wog.

Samstag, 30. April: Unfall Roland Ratzenberger

Das Samstags-Qualifying war knapp 15 Minuten alt, da sah man auf den Bildschirmen ein völlig zerstörtes Wrack ausrollen. Es war der Simtek von Roland Ratzenberger aus Österreich. Der war auf einer schnellen Runde und versuchte sich mit technisch unterlegenem Material für sein drittes Rennen in der Formel 1 zu qualifizieren.

Dann brach ein Teil des Frontflügels und sorgte dafür, dass er an der schnellsten Stelle des Kurses auf den Vorderrädern keinen Abtrieb mehr hatte und sein Fahrzeug somit unlenkbar wurde. Der Aufprall an die Betonwand muss mit circa 300 km/h erfolgt sein. Die herbeieilenden Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen.

Sonntag, 01. Mai: Startunfall

Beim Start des Rennens würgte J.J. Lehto (Teamkollege von Michael Schumacher im Benetton) seinen Motor ab und gestikulierte wild mit den Armen, um nachfolgende Fahrzeuge zu warnen. Pedro Lamy im Lotus sah das Hindernis nicht und krachte beinahe frontal in das Heck des Benetton. Ein Startunfall, wie er öfter schon vorgekommen war. Beide Fahrer stiegen unverletzt aus.

Die Tragödie dieses Aufpralls jedoch waren zwei abgerissene Räder, die samt Aufhängung in die Zuschauer der Haupttribüne flogen. Neun Zuschauer wurden verletzt, einer davon so schwer, dass er angeblich mehrere Wochen im Koma lag. Bis heute leidet er, aufgrund der Schwere der Kopfverletzungen, an den Folgen dieses Unfalls.

Sonntag, 1. Mai: Unfall Ayrton Senna

Das Rennen wird hinter einem viel zu langsamen Safety-Car neutralisiert, bis es mit der grünen Flagge erneut gestartet wird. Ayrton Senna liegt in Führung, dicht dahinter Michael Schumacher. In Runde sieben schlägt der Williams-Renault in der Tamburello-Kurve auf der unebenen Fahrbahn mehrmals auf, was dafür sorgt, dass das Auto instabil und unlenkbar wird.

Der unvermeidbare Aufprall in die Betonwand ist die Folge. Der Williams wird zurück auf den Seitenstreifen geschleudert. Die ganze Welt hält den Atem an und wartet darauf, dass Senna aussteigt. Doch ein abgerissenes Rad mit seiner Aufhängung hat Senna so schwer am Kopf getroffen, dass er sich irreparable Gehirnverletzungen zuzog.

Das Rennen wurde nach 45-minütiger Pause neu gestartet.

Sonntag, 1. Mai: Unfall Michele Alboreto

Das neu gestartete Rennen fand kaum Beachtung, da man um das Leben des dreimaligen Weltmeisters Ayrton Senna aus Brasilien bangte. Immer wieder kamen News aus dem Krankenhaus von Bologna. Einerseits sprach man vom klinischen Tod Sennas, dann wiederum von Hoffnung auf Genesung.

Da geschah beim Boxenstopp von Michele Alboreto ein weiteres Unglück, bei dem ein sich lösendes Hinterrad mehrere Mechaniker von Ferrari und Lotus wie Kegel abräumte. Beinbrüche und Quetschungen sind die Folgen. Ein Tempolimit gab es damals in der Boxengasse nicht. Das Rennen lief weiter und Michael Schumacher gewann.

Imola 1994: Ayrton Sennas Tod überschattet alles andere

Zwei Menschenleben kostete dieses Imola-Wochenende die Formel 1. Dabei wird bis heute immer nur vom dreimaligen Weltmeister Ayrton Senna gesprochen. Experten sind sich einig, dass letztendlich nur dessen Tod zur Überarbeitung der Sicherheit der Formel 1 geführt haben.

Aber was ist mit Roland Ratzenberger, dem zweiten Opfer von damals? Ist sein Tod weniger wert, weil er erst sein drittes Rennen bestritt?

Die, die Roland Ratzenberger näher kannten und seine Geschichte miterlebt und verfolgt haben, empfinden diese Ungleichbehandlung als nicht gerechtfertigt. Die Leistung, mit den Voraussetzungen in die Formel 1 zu gelangen, wie sie Ratzenberger hatte, verdient allerhöchste Anerkennung.

Roland Ratzenberger aus Salzburg träumte schon immer davon, Rennfahrer zu werden. Die nahe gelegene Werkstatt des Walter Lechner zieht in magisch an und bringt ihn näher an sein Ziel, als er bereits nach Abbruch der HTL mit viel Arbeit als Mechaniker auch hin und wieder dessen Rennautos bewegen darf.

Geld hat er keins, also muss er die Gelegenheiten wahrnehmen, die sich ihm bieten. 1982 zieht es Ratzenberger nach Deutschland, weil er dort in der Rennfahrerschule ISA Racing als Instruktor Geld verdienen und erste Gehversuche im Formel Ford unternehmen kann. Bis 1985 bleibt er in Deutschland und kann erste Siege verbuchen.

Wer sich in der Welt des Motorsports einen Namen machen will, der muss nach England. Tausende Kilometer von zu Hause entfernt gelingt Ratzenberger schließlich der Durchbruch. 1986 gewinnt er das Formel-Ford-Festival in Brands Hatch mit einem hauchdünnen Vorsprung. Das Schnitzer-Team aus Freilassing wird auf den Salzburger "Nachbarn" aufmerksam und bietet ihm für 1987 einen Werksvertrag an.

Ratzenberger hatte nur ein Ziel: Formel 1

Doch Tourenwagen sind nur eine Zwischenetappe. Er muss Formelautos bewegen, sonst führt der Weg überall woanders hin, nur nicht in die Formel 1. Es gelingt mit finanzieller Unterstützung von ATS, einige Rennen in der Formel 3 zu bestreiten. Zwei Jahre fährt er in dieser Serie, parallel zu den Tourenwagen. In den Tourenwagen verdient er das Geld, das er im Formel 3 ausgibt.

1989 dann der Wendepunkt in der Karriere des Österreichers: Sein Engagement in der englischen Formel 3000, damals die letzte Hürde zur Formel 1, bringt ihn auf eine völlig verkehrte Bahn. Er wird Mitte der Saison zu den Sportwagen nach Japan vermittelt, entfernt sich dadurch aber noch mehr der in Europa ansässigen Formel 1.

Weil er gutes Geld verdient, kann er es sich leisten, die Serie in England weiterzufahren. Fast jedes zweite Wochenende pendelt er zwischen Japan und England hin und her. Diesen Aufwand muss er betreiben, um den Kontakt zu wichtigen Leuten in der Formel 1 nicht zu verlieren.

Ab 1990 fährt Ratzenberger nur noch in Japan, dafür aber drei Serien: Formel 3000, Sportwagen und die Tourenwagen-Meisterschaft. Diese gewinnt er auf Anhieb. Ratzenberger ist in Japan ein Held, seine Poster hängen in Überlebensgröße an Tankstellen und die Fans verehren den sympathischen Rennfahrer aus Europa. Kein Grund, diese sichere Einnahmequelle aufzugeben.

Aber Ratzenberger will in die Formel 1.

In letzter Minute öffnet sich eine Tür mit dem Neueinsteiger-Team Simtek. Man setzt auf seine Dienste als erfahrener Pilot neben David Brabham.

Welche Platzierungen Ratzenberger in den ersten beiden Rennen eingefahren hat, oder ob er ausgefallen ist, spielt nach der Meinung vieler seiner Wegbegleiter keine Rolle. Es ging einzig zu darum, dass er allen beweisen wollte, dass er in die Formel 1 gehört.

Und bis zu heutigen Tag ist er ein Teil der Geschichte der Formel 1.

© Motorsport-Total.com

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