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Formel 1 Portimao 2020 Lewis Hamilton hat seinen 92. Sieg in der Formel 1 gefeiert
Motorsport Images

Analyse GP Portugal 2020: Fragen & Antworten zum Rennen in Portimao

Wie schlimm war der Krampf von Lewis Hamilton wirklich? Warum hat Valtteri Bottas nicht die bestellten Reifen bekommen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen!

Lewis Hamilton hat den Grand Prix von Portugal gewonnen und mit seinem 92. Sieg in der Formel 1 den bisherigen Rekord von Michael Schumacher übertroffen. Der Mercedes-Pilot setzte sich beim Debüt der Königsklasse in Portimao vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas und Max Verstappen (Red Bull) durch und machte damit einen weiteren Riesenschritt in Richtung siebter Weltmeisterschaft.

Hamilton hat nun auf 28 verschiedenen Rennstrecken Grands Prix gewonnen. Auch das ist Weltrekord.

In der Fahrerwertung führt er fünf Rennen vor Saisonende mit 77 Punkten Vorsprung auf Bottas. Das bedeutet, dass er frühestens beim Grand Prix der Türkei in Istanbul am 15. November den Sack zumachen kann.

In der Konstrukteurs-WM hat Mercedes hingegen schon am kommenden Wochenende in Imola den ersten Matchball. Hamilton/Bottas führen nun 209 Punkte vor Red Bull. Rein theoretisch sind 2020 aber noch 220 Punkte zu erobern.

Warum hat Mercedes Bottas' Reifenwunsch ignoriert?

Hamilton hatte etwa zehn Sekunden Vorsprung auf Bottas, als er in Runde 40 an die Box kam und von Medium auf Hard wechselte. Mit dem Soft hätte er das Rennen womöglich nicht zu Ende fahren können. Bottas wurde über Hamiltons Reifenwahl informiert. "In dem Fall nehme ich die Softs", bestellte er bei seinem Renningenieur.

Als er an die Box kam, zog ihm seine Crew trotzdem den Hard auf. "Hat fürs Ergebnis glaube ich keinen Unterschied gemacht", meint Bottas achselzuckend. "Ich glaube, wir mussten für den Soft ein bisschen zu früh reinkommen, weil ich schon Vibrationen hatte. So einen langen Stint mit dem Soft zu fahren, wäre zu riskant gewesen. Das war die sichere Variante."

Am Ende kam er nach 66 Runden mit 25,6 Sekunden Rückstand ins Ziel. Die Experten-Analysen, wonach ihn Hamilton in den richtigen Phasen unter Druck gesetzt habe und Bottas dabei seine Reifen zu stark forderte, teilt er nicht: "Ich glaube nicht, dass Reifenmanagement heute das Thema war. Ich war einfach zu langsam - verstehe aber ehrlich gesagt nicht ganz warum", so der Finne.

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Hat Hamilton auch den Bonuspunkt geholt?

Ja. Um den lieferten sich die Mercedes-Fahrer eine Zeit lang ein hochspannendes Duell. Zuerst legte Hamilton 1:19.923 Minuten vor. Dann konterte Bottas: 1:19.922 Minuten. Und etwas später schlug Hamilton zurück: 1:19.921 Minuten.

Letztendlich war's dann eine klare Sache für Hamilton (1:18.750 zu 1:19.345 Minuten). Auch Verstappen (1:19.854 Minuten) hatte in der letzten Runde keine Chance mehr, obwohl er sich am Boxenfunk noch nach Hamiltons Bestzeit erkundigt hatte.

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Wie schlimm war Hamiltons Krampf wirklich?

"Ich hatte in der rechten Wade einen Krampf", erklärt er. Der Grund dafür? "Ich habe heute ganzen Tag nicht viel getrunken. Im Rennen trinke ich nicht. Nie. Und Portimao ist eine sehr körperliche Strecke." Mit vielen Bodenwellen, auf denen man sehr aggressiv aufs Gaspedal steigen muss. "Da kannst du dich nie wirklich ausruhen. Ich hatte das schon vor dem Rennen befürchtet."

"Ich kam gerade aus der letzten Kurve und hatte auf einmal das Gefühl, als würde sich ein Muskel zusammenziehen", sagt Hamilton. "Ich bin auf den Geraden ziemlich oft vom Gas gegangen, weil es richtig wehgetan hat. Ich musste es aber irgendwie durchstehen, denn ich hatte ja keine andere Wahl. Du kannst den Gasfuß nicht die ganze Runde lockerlassen."

So schlimm dürfte es dann auch gar nicht gewesen sein. Eine Runde, nachdem er am Boxenfunk den Krampf gemeldet hatte, drehte Hamilton schon wieder die bis dahin schnellste Runde im Rennen.

Wer war schuld an der Kollision zwischen Verstappen und Perez?

Verstappen hatte auf den ersten Metern zunächst Bottas überholt, wurde dann aber vom Finnen abgedrängt und fiel so auch hinter Sergio Perez (Racing Point) zurück. Das gefiel dem Niederländer nicht, und so kam es fast unweigerlich zur Kollision. Beide Beteiligten wähnen sich unisono schuldlos: "Ich habe ihm genug Platz gelassen."

'ORF'-Experte Alexander Wurz stuft den Zwischenfall als "Missverständnis zwischen beiden" ein. So sahen es auch die Rennkommissare (übrigens ohne Witali Petrow, dessen Vater am Samstag von einem Attentäter erschossen wurde): "No further action."

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War Verstappen ein Gegner für die Mercedes?

Nein. "Sie waren eindeutig zu schnell für uns. Platz drei ist das, wo wir hingehören", analysiert Verstappen selbst. Am Ende fehlten ihm 34,5 Sekunden auf den Sieg. Die Kollision mit Perez überstand er unbeschadet und war keine Erklärung für den Rückstand: "Zum Glück war nichts passiert."

In der achten Runde war Verstappen endlich an Sainz vorbei und damit auf Platz drei. Den gab er bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand. Nur durch den Boxenstopp fiel er kurzzeitig etwas zurück.

Der Soft hatte da bereits Graining entwickelt. Nach dem Reifenwechsel war sein Tempo besser, "aber da waren sie schon zu weit weg", seufzt Verstappen. "Nichtsdestotrotz werden wir nicht nachlassen und auch in den nächsten Rennen alles versuchen."

Wie gut konnte Albon mit ihm mithalten?

Nicht besser oder schlechter als sonst. Der Thailänder, inzwischen auf der Watchlist von Helmut Marko und Christian Horner, erwischte keinen guten Start. In der 52. von 66 Runden wurde er von Verstappen überrundet.

"Wir hatten in der ersten Runde keinen Grip. Das hat mich ein paar Positionen gekostet", sagt Albon. Dass er diesmal keine Aufholjagd starten konnte, lag unter anderem daran, dass er ausgangs Kurve 14 eigenen Angaben nach immer Probleme mit der Balance hatte und daher in der DRS-Zone nicht nahe genug am Vordermann war. "Das Tempo an sich", behauptet er, "war gar nicht so schlecht."

Ein Beispiel könnte er sich an der Red-Bull-Boxencrew nehmen. Die fertigte ihn in 1,8 Sekunden ab - neuer Weltrekord! Die Zweistoppstrategie war trotzdem ein Fehler, findet Albon im Nachhinein.

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Wie lange lag Sainz in Führung?

Als es kurz nach dem Start zu regnen begann, hatten alle Fahrer mit den weichen Reifen einen Vorteil. Die waren bei solchen Bedingungen leichter auf Temperatur zu bringen und hatten damit deutlich mehr Grip. Carlos Sainz (McLaren) nutzte das perfekt aus und ging noch in der ersten Runde in Führung, während die Mercedes und Verstappen mit sich selbst beschäftigt waren.

In der sechsten Runde - es trocknete inzwischen wieder komplett ab - war der Spuk aber vorbei. Zuerst überholte Bottas den Spanier, dann auch Hamilton und Verstappen. Am Ende kam Sainz mit einer Runde Rückstand als Sechster ins Ziel. Sein Teamkollege Lando Norris, zu Beginn phasenweise auf P4, wurde 13.

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Welche Rolle spielten DRS und Track-Limits?

Keine, die im Sinne der Fans war. Als Hamilton an Bottas vorbei in Führung ging, war sein Geschwindigkeitsüberschuss so groß, dass bei dem Manöver keine Spannung aufkommen wollte. "An solchen Tagen würde man sich wünschen, dass es kein DRS gibt", urteilte Experte Alexander Wurz im 'ORF'-Kommentar.

Apropos Fans: Viele Zuschauer, die gültige Tickets hatten, aber wegen der strenger gewordenen Coronavirus-Bestimmungen nicht an die Rennstrecke gelassen wurden, waren stinksauer über die Organisatoren. Sie konnten vom Rennen nichts sehen. Die Formel 1 hat inzwischen eine Untersuchung eingeleitet.

Auch die Track-Limits waren ein unrühmliches Thema. Romain Grosjean (17./Haas), Daniil Kwjat (19./AlphaTauri) und Lance Stroll (Racing Point) kassierten je fünf Sekunden Strafe; Norris kam mit einer Verwarnung davon. Und Sebastian Vettels (Ferrari) Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) war streng genommen nicht ganz sauber. Er fuhr unmittelbar danach in Kurve 1 neben die Strecke, gab die Position aber nicht zurück.

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Warum hat Stroll zwei Fünf-Sekunden-Strafen erhalten?

Weil er neben den Track-Limits-Verstößen auch noch bei einer Kollision mit Norris in der ersten Kurve erwischt wurde. Es war ein Abziehbild seines heiß diskutierten Crashs mit Verstappen im Freitagstraining. Wieder war Stroll außen, wieder zog er nach innen, wieder krachte es.

Wurz findet die Strafe hart: "Ich glaube, er hat sie bekommen, weil er davor schon wegen der Track-Limits aufgefallen ist. Für mich war es ein Rennunfall. Beide hätten die Kollision verhindern können, aber beide wollten nicht nachgeben."

Irgendwann hatte Stroll dann keine Lust mehr. "Der Vorletzte ist 35 Sekunden vor mir", ätzte er am Funk. "Was sollen wir tun, Brad? Sollten wir nicht besser den Motor schonen?" Das ließ ihm das Team zu dem Zeitpunkt nicht durchgehen. "Weil wir noch auf Regen hofften." Ein paar Runden später schon. Da stellte Stroll den Racing Point in der Box ab. Der einzige Ausfall in Portimao.

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Warum lag Räikkönen nach einer Runde auf P6?

Die erste Runde von Räikkönen könnte in die Geschichte der Formel 1 eingehen, ein bisschen wie Ayrton Sennas legendäre Startrunde in Donington 1993. Der Alfa-Romeo-Fahrer arbeitete sich vom 16. auf den sechsten Platz nach vorne.

"Kimi ist geflogen. Es sah aus, als sei er auf einer anderen Strecke als wir anderen", staunt Albon.

Wahr ist aber auch: Räikkönen hatte als einziger Fahrer außerhalb der Top 10 einen Soft-Reifen drauf und hatte damit in der kühl-feuchten Anfangsphase einen enormen Startvorteil, den er mit seiner Erfahrung perfekt ausspielen konnte.

Allerdings musste er der Reifenwahl Tribut zollen, als er schon in der elften Runde zum Reifenwechsel kam und auf den letzten Platz zurückfiel. Von da an spielte er für die ganz vorderen Plätze keine Rolle mehr. Am Ende verpasste er einen WM-Punkt um 6,5 Sekunden gegen Vettel.

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Wie lief das Rennen von Vettel?

Schlecht. Das gewonnene Duell gegen Räikkönen war noch eine der besseren Nachrichten des Rennsonntags. "Ich hatte in den Anfangsrunden unheimliche Schwierigkeiten, überhaupt irgendwie Temperatur aufzubauen. Ähnlich wie gestern", sagt er. "Das Auto war das gesamte Rennen über sehr schwierig zu fahren. Der Grip ist immer sehr plötzlich abgerissen. Es war sehr schwierig, Vertrauen aufzubauen."

In den letzten Runden wäre er dank Reifenvorteil beinahe noch an Daniel Ricciardo (9./Renault) vorbeigegangen. Nach einem Verbremser war das Thema aber erledigt. "Ocon kam gerade aus der Box raus. Er hat Daniel Windschatten gegeben, sodass ich nicht vorbeikam. Ansonsten hätte ich eine Chance gehabt", glaubt er.

"Ich hatte dann wieder einen Moment, wo das Vorderrad stehenblieb und ich fast abgeflogen wäre, als ich versucht habe, ein bisschen näher dranzukommen. Dann habe ich Boden verloren, und die letzten fünf Runden war ich dann zu weit weg."

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Wie viel bedeutet Hamilton der Schumacher-Rekord?

Offensichtlich mehr, als man ihm beim 91. Sieg am Nürburgring angemerkt hat. Als ihn sein Vater Anthony im Parc ferme umarmte, waren die beiden sichtlich gerührt.

"Es wird dauern, bis ich das begreife. Ich hätte das nie zu erträumen gewagt", gibt Hamilton zu. "Mein Vater ist hier, meine Stiefmutter Linda, Roscoe. Ein schöner Tag. Aber ich werde ein bisschen brauchen, um das zu verarbeiten."

Wie viel Bedeutung der 92. Sieg hatte, zeigte sich auch daran, dass sich Teamchef Toto Wolff höchstpersönlich am Boxenfunk meldete. "92, Lewis. 92", sagte er. Später sagte Wolff in einem TV-Interview: "Das ist eine surreale Zahl."

Übrigens: Aus diesem Anlass durfte Hamiltons Renningenieur Peter Bonnington mit aufs Podium. Als Hamilton diesen in der Auslaufrunde anfunken wollte, meldete sich Wolff: "Lewis, 'Bono' ist gerade im Stress. Er geht gleich mit dir aufs Podium ..."

Wie geht's jetzt weiter?

Am besten live! Auf Motorsport-Total.com und Formel1.de kannst du den Paddock-Ticker von Ruben Zimmermann noch einmal chronologisch nachlesen. Und dann später in den Montagsticker wechseln.

Und dann in einer Woche in Imola. Dort wird am Freitag nicht gefahren. Das erste Training findet erst am Samstagmorgen statt.

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