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Unter Strom

Harley-Davidson setzt mit dem Project LiveWire fahrfertige Vorserien-Motorräder unter Strom und sammelt dazu Kundenbeurteilungen.

Thilo Kozik/mid

Das hätte Harley-Davidson, der US-amerikanischen Traditionsmarke mit dem markanten Vau-Zwo-Motor, kaum jemand zugetraut: Die Motor Company aus Milwaukee setzt mit dem Project LiveWire fahrfertige Vorserien-Motorräder unter Strom und sammelt auf einer Roadshow namens "Experience Tour" weltweit Kundenbeurteilungen über die erste elektrisch angetriebene Harley.

Die deutsche "Experience Tour" findet auf dem Gelände des Hockenheimrings statt. Dass das Thema Elektro-Harley tatsächlich eines ist, belegen die zahlreichen Bewerbungen für das Test-Wochenende - die online vergebenen Fahrtermine waren samt und sonders schon früh ausgebucht.

Für die LiveWire-Prototypen hat Harley-Davidson ein Spezialisten-Team zusammengestellt, das mit Komponenten aus dem heimatlichen Umfeld rund dreißig dieser neuen Harleys von Hand aufgebaut hat - alle Komponenten des E-Antriebs inklusive der Batterie sollen aus der Gegend um Milwaukee kommen.

Dabei wirken die neben dem Motorsportmuseum Hockenheim auf ihren Einsatz wartenden Exemplare beileibe nicht wie Vorserienfahrzeuge, vielmehr sehen sie bis ins Detail schon sehr fertig aus.

Ungewohnt modern und richtig sportlich sieht die einsitzige LiveWire aus, der ein erstmals von Harley verbauter, gut sichtbarer Leichtmetall-Gussrahmen Halt gibt. Technik-Look verströmen die LED-Scheinwerfer und in die Spiegel integrierte LED-Blinker ebenso wie die Zweiarm-Gussschwinge, die ein rotes Showa-Federbein nach Cantilever-Bauart anlenkt.

Das Zentrum wird von der Motor-Batterien-Einheit geprägt, die geschickt ins Ensemble integriert ist und durch verschiedene Farben und das Alu-Motorgehäuse nicht so dominant auftritt wie bei anderen Elektro-Zweirädern.

Entsprechend "normal" sitzt es sich auf der E-Harley: Der niedrige, schmale Einzelsitz nimmt den Fahrer in einer sportlichen Haltung auf, platziert ihn ausreichend nah an der vergleichsweise breiten Lenkstange und bietet angenehme Kniewinkel - ähnlich einem Mittelklasse-Naked Bike, allerdings mit 210 kg recht schwer zwischen den Beinen.

Zum Starten wird der Killschalter umgelegt und das System stellt scharf. Doch erst wenn der Startknopf gedrückt wird, kann es losgehen. Dann leuchtet das farbige TFT-Display in der Lenkermitte auf, das neben der Geschwindigkeit unter anderem den Ladezustand, aktuellen Verbrauch oder die Gasgriffstellung anzeigt. Als Touchscreen ausgeführt, lassen sich die Anzeigen variieren und der Fahrmodus - Power oder Economy - für den Motor wählen.

Bei diesem handelt es sich um einen ölgekühlten Dreiphasen-Induktionsmotor, der tief unten im Rahmen unterhalb der Lithium-Ionen-Batterie sitzt und von einem flüssigkeitsgekühlten Hochleistungs-Motorcontroller gesteuert wird. Die Einheit ist für 54 kW/74 PS bei 8.500 Touren und ein Drehmoment von 70 Newtonmeter gut.

Damit soll die LiveWire den Sprint von Null auf Hundert in 4,0 Sekunden absolvieren und über 160 km/h schnell sein. Welche Kapazität der Akku besitzt, war den Verantwortlichen nicht zu entlocken, wohl aber die hohe Betriebsspannung von 300 Volt, die für Mechaniker eine besondere Schulung voraussetzt.

Der Dreh am Gasgriff bringt direkten Vortrieb, es gibt weder Kupplung noch Getriebe. Gefühlt beschleunigt die LiveWire wie ein sehr gutes Mittelklasse-Motorrad, und doch ist das Gefühl ein völlig anderes durch das fehlende Motorgeräusch, keine Vibrationen und die nahtlose Zunahme von Geschwindigkeit ohne Gangwechsel.

Lautlos ist die Harley aber nicht: Weil der Motor für eine schmale Taille längs eingebaut ist, muss seine Kraft über ein Kegelradgetriebe umgelenkt werden, damit der Zahnriemen das Hinterrad antreiben kann. Auf der Fahrt gibt die im Stand geräuschlose LiveWire daher ein deutlich vernehmbares Surren von sich.

Ganz anders als ein herkömmliches Motorrad benimmt sich die LiveWire beim Schließen des Gasgriffs. Die Motorbremse wirkt extrem stark, da sie als Energierückgewinnung zur Speisung der Batterie genutzt wird. Voll geladen soll die Reichweite übrigens bei 48 Kilometer (Power) beziehungsweise 96 Kilometer (Economy) liegen.

Auf der kurzen Testfahrt um den Hockenheimring, bei der der Tacho immerhin bis auf 150 km/h kletterte, machte die Harley einen durchaus vergnüglichen Eindruck. Hinreichend agil und stabil, und auch beim Bremsen ausreichend effektiv. Was noch fehlt, wären ein ABS und eine Traktionskontrolle, denn der elektrische Schub am Kurvenausgang überfordert die aufgezogenen Reifen ein wenig.

Insgesamt ist die LiveWire aber eine durchaus stimmige Angelegenheit - den Amis ist es gelungen, einen Elektroantrieb zu integrieren, ohne zu viel Motorrad opfern zu müssen.

Ob die LiveWire demnächst wirklich gebaut wird? Die Resonanz nach den bisherigen Testtour-Stationen Amerika, Südostasien und Europa ist jedenfalls vielversprechend: Von mehr als 7.000 abgegebenen Meinungen zeigten sich 74 Prozent "am Kauf interessiert".

Was diese Zahl wert ist, werden erst die Antworten auf viele noch offene Fragen zeigen: Preis, Reichweite und Lebensdauer der Akkus sind für alle Hersteller elektrischer Zweiräder sensible Themen. Sollten die Oberen in Milwaukee nach Auswertung der Kundenmeinungen zum Schluss kommen, das Projekt umzusetzen, dürften die ersten käuflichen E-Harleys 2019 oder 2020 zu haben sein.

Technische Daten Harley-Davidson LiveWire

Straßenmotorrad mit ölgekühltem Dreiphasen-Induktionsmotor, Spitzenleistung: 54 kW/74 PS bei 8.500/min, max. Drehmoment: 70/Nm ab 0/min, Lithium-Ionen-Akku, Kapazität: nicht bekannt, Betriebsspannung: 300 Volt, Zahnriemenantrieb, Aluminium-Brückenrahmen, Upside-Down-Teleskopgabel vorn, Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein hinten, je eine Scheibenbremse vorn und hinten, Reifen vorn: 120/70-18, hinten: 180/55-17, Leergewicht 210 kg, Preis: nicht bekannt.

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