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Monument

Yamaha hat seine Superbike-Klassikerin XJR 1300 überarbeitet. Mit verkürztem Heck wirkt sie sportlicher als bisher. Im Test.

Thilo Kozik/mid

Wenn ein aktuelles Motorrad als Monument der Zweiradgeschichte bezeichnet werden darf, dann dieses: Seit ihrer Premiere als XJR 1200 vor zwanzig Jahren wirkt Yamahas frisch geliftete XJR 1300 wie aus dem Vollen gefräst, mit einer muskulösen Linie, die den mächtigen verrippten Reihenvierer ins Zentrum rückt.

Doch die XJR des Jahrgangs 2015 wirkt nicht mehr unförmig retro, das verdankt sie dem kurzen Heck, bei dem durch Weglassen der hinteren Unterzüge gleich mal 10 Zentimeter weggechoppt wurden.

Die angedeutete Höckersitzbank im Giuliari-Stil versportlicht den Look zusammen mit Seitenabdeckungen aus poliertem Aluminium, die wie Startnummern-Tafeln der in den Siebzigern und Achtzigern populären AMA-Superbike-Rennen aussehen.

Bei der XJR 1300 beginnt Yamaha nun damit, die Design-Ideen professioneller Motorrad-Veredler in die Großserie einfließen zu lassen, nachdem diese unter dem Motto "Yard Built" verschiedene Unikate entwickelt hatten - so basieren die neuen XJR-Modelle auf den Ideen der Veredler Wrenchmonkees, Keino und DEUS Ex Machina. Als Dreingabe haben diese auch noch verschiedene Umbauteile entwickelt, die über die Yamaha-Händler offiziell vertrieben werden.

Beim Aufsitzen erfolgt die nächste angenehme Überraschung: Auch die Durchschnittsgröße von 174 cm reicht, um relaxt den konischen, angenehm breiten Alu-Lenker zu packen. Bei aufrechtem Oberkörper wirkt die Haltung, wie wenn man einen Stier an den Hörnern packen würde. Durch den deutlich verschlankten Tank gibt es einen satten Knieschluss und damit ein gutes Gefühl für das Motorrad. Bei der Vorgängerin musste man sich noch weit über den Tank nach vorn spannen.

Beim Anlassen gibt es eine kleine Enttäuschung: Der so kraftvoll inszenierte Vierzylinder-Motor mit klassisch verrippter Luftkühlung brummelt auspuffklappen-bereinigt unscheinbar aus dem langen, megaphon-artigen Schalldämpfer. Auch das tieffrequente Wummern beim Gaszupfen im Stand, das dem Fahrer die Macht des Triebwerks suggeriert, ist verschwunden. Die ausgeklügelte Lagerung des Triebwerks im Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen killt auch die "good vibrations".

Mit lautstarkem "Klonk" rastet die erste der fünf Gangstufen ein, die leichtgängige Kupplung gibt den Kraftschluss zum Hinterrad frei und los geht's. Geschmeidig tritt der Hubraum-Riese an, gut kontrollierbar und harmonisch powert sich der dohc-Reihenvierer bis zum Leistungsgipfel von 72 kW/98 PS.

Das ist weniger imposant als die 108 Nm Drehmoment, die der Big Block bei 6.000 Touren auf die Kurbelwelle wuchtet. Wer höher dreht, erntet das bekannte Schnarren aus dem Ventiltrieb, das die XJR seit ihrem Start 1995 begleitet und schon vorher in der XS-Baureihe zu hören war.

Bei mittleren Drehzahlen stellt sich in sanften Bögen ein regelrechter Kurvenflow ein. Das 240-Kilo-Teil fährt angenehm neutral durch die Ecken und verlangt nicht allzu viel Kraft zum Einlenken. Die verbindende Ergonomie und komplett einstellbare Federelemente machen kurvige Landstraßen zum Genuss bei hochwertigem Fahrkomfort.

Klasse spricht die DLC-beschichtete (Diamond-like Carbon) Gabel an, nur das Stereo-Schwedengold von Öhlins am Heck leitet auf welligen Abschnitten kurze, trockene Stöße ins Rückgrat. In Schräglage überfahren, verlangen Bodenwellen nach einem ganzen Kerl, um die Fuhre auf Linie zu halten.

Ein Genuss ist der Griff an den einstellbaren Bremshebel - dieser wird mit einem sehr klaren Gefühl für perfekte Dosierbarkeit und höchste Effizienz belohnt, mit denen das wuchtige Bike vorbildlich stoppt.

Allerdings muss die XJR weiterhin ohne ABS auskommen - angesichts kommender knallharter Abgas- und Geräuschvorschriften dürfte die XJR ein Auslaufmodell sein, für das sich die Entwicklung eines ABS kaum lohnt. Wenn sich Yamaha da mal nicht geirrt hat, schließlich finden letzte Editionen bekanntermaßen reißenden Absatz.

In der Rushhour strahlt der große luftgekühlte Motor eine unangenehme Hitze an des Fahrers Beine, und der auf 14,5 Liter verkleinerte Tank schränkt die Reichweite logischerweise ein. Doch wer ein authentisches Retro-Bike mit einem mächtigen luftgekühlten Motor, schnörkellosem Design und klassischem Fahrspaß sucht, kommt um das mit 11.499 Euro (in Deutschland: 10.295 Euro) ehrlich ausgepreiste Big Bike nicht herum.

Für sportlichere Naturen hat Yamaha gleich die Variante XJR 1300 Racer aufgelegt, die das Klassiksport-Thema noch stimmiger umsetzt: Statt der Lenkstange der Standard-XJR sind zwei Stummellenker unterhalb der Gabelbrücke montiert.

Eine sportlich geschnittene Lenkerverkleidung samt kurzer vorderer Radabdeckung sowie Höckerabdeckung - alles aus Kohlefaser - komplettieren für 12.999 Euro (D: 11.495 Euro) den Superbike-Look. Tüpfelchen auf dem i ist dann der schwarze Akrapovic-Slip-on-Auspuff.

Der steuert die passende akustische Note bei und lässt sportlich angehauchte Naturen von einem Cup träumen, in dem dicke XJRs in längst vergessener Superbike-Manier um Punkte, Pokale und Ehre fighten.

Technische Daten Yamaha XJR 1300

Allroundmotorrad mit luft-ölgekühltem Reihen-Vierzylinder-Viertakt-Motor, vier Ventile je Zylinder, dohc, Hubraum: 1 251 ccm, Bohrung x Hub: 79,0 x 63,8 mm, max. Leistung 72 kW/98 PS bei 8 000/min, max. Drehmoment 108,4 Nm bei 6 000/min, elektronische Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb, Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Teleskopgabel, Leichtmetall-Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, zwei Scheibenbremsen vorn, eine hinten, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, Sitzhöhe: 829 mm, Tankinhalt: 14,5 l, Leergewicht: 240 kg, zul. Gesamtgewicht: 450 kg
Österreich-Preis: 11.499 Euro (Deutschland: 10.295 Euro)

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