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Interview Martin Pfundner

Hochkonjunktur und Harakiri

Über den Aufstieg zum FIA-Vizepräsidenten, die Motorsport-Hochkonjunktur in Österreich, das jähe Ende und eine gescheiterte Revolution…

Michael Noir Trawniczek & Stefan Schmudermaier

„Mit Autos und Glocken durchs 20. Jahrhundert“ lautet der Titel des neuesten Buches von Martin Pfundner und ist so etwas wie die Autobiographie mit Betonung des Wortes Auto.

Im Rahmen der Buchpräsentation hatte Motorline.cc die Gelegenheit, ein Interview mit einem der bedeutendsten „Weichensteller“ des österreichischen Motorsports zu führen.

Teil 1 dieses Gesprächs sowie eine Buchbeschreibung finden Sie in der Navigation rechts oben. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Gesprächs mit Martin Pfundner:

Rund um den Erdball

Dank seiner Funktionen in der damaligen Obersten Sporthoheit CSI und der FIA konnte Martin Pfundner nicht nur als „Geburtshelfer“ der Karrieren von Jochen Rindt und Niki Lauda fungieren – er bereiste zudem quasi den gesamten Erdball und lernte in vielen Ländern einflussreiche Personen kennen.

Oft geriet er auch in internationale Konflikte, in heiklen Situationen bewies Pfundner Umsicht. Auch seine eigene Wahl zum CSI-Vizepräsidenten im Jahr 1967 wurde von einer Krise begleitet.

Die Lage damals: Ein innerfranzösischer Konflikt drohte sich zu internationalisieren – der französische Automobilklub war seit 1952 gezwungen, die französische Sporthoheit an eine vom Sportministerium eingesetzte Organisation zu delegieren, an deren Spitze wurde der allseits ungeliebte Claude Bourillot gespült. Die Grand Prix Drivers Association (GPDA) und einige britische Formel 1-Teams planten eine-Revolte…

Martin Pfundner: „Jugend und konkrete Motorsport-Erfahrung waren plötzlich gefragt.“ Im Wiener Demel traf er den „Revolutionsanführer“, den Schweden Jo Bonnier und warnte ihn, mit der FIA sei nicht zu spaßen. Seine eigene Wahl zum CSI-Vizepräsidenten wurde als Signal verstanden, die Revolte abgesagt. Pfundner erzählt: „Seit dieser Krise wurde ich immer wieder zu Sitzungen des FIA-Präsidiums eingeladen und bald auch in deren Vorstand gewählt.“

Motorsport-Hochkonjunktur

Österreich verfiel damals in eine Art Motorsport-Fieber. Die Menschen begeisterten sich für Jochen Rindt, entdeckten ihre Liebe zu diesem Sport. Zwei Rennstrecken entstanden, Österreich stand bald schon in allen wichtigen internationalen Rennserien im Kalender.

Pfundner erinnert sich: „Ich hatte durch meinen Status einen internationalen Einfluss – als Ergebnis hat Österreich in jeder internationalen Rennserie einen Lauf veranstaltet. Das war eine Hochkonjunktur, die sich wahrscheinlich nicht auf ewige Zeiten hätte aufrechterhalten können. Aber vielleicht wäre man in der einen oder anderen Rennserie noch vertreten.“

International war Pfundner gemeinsam mit zwei weiteren CSI-Kollegen rund drei Jahre lang dafür verantwortlich, dass es in der Formel 1 zwischen den Veranstaltern und den Teams einen Kollektivertrag gab, der die finanziellen Fragen regelte.

Doch es zogen dunkle Wolken auf – zwei britische Teambesitzer namens Bernie Ecclestone und Max Mosley mischten sich in den Vordergrund, wollten das Ruder an sich reißen. Was ihnen später bekanntlich auch gelang…

Martin Pfundner erzählt: „Ich habe mit Ecclestone das letzte Mal am Samstag, den 5. September 1970 gesprochen, nach dem tödlichen Unfall von Jochen. Da war er in einem Maße aufgelöst, dass ich mir gedacht habe, er schnappt gleich über.“

In Österreich haben die Menschen den Tod des großen Helden nur schwer verkraften können – doch schließlich kam mit den jungen Piloten Niki Lauda und Helmut Marko wieder Hoffnung auf. Die Hochkonjunktur des Motorsports war noch nicht zu Ende.

“Harakiri auf österreichisch“

Doch dann kam es zu einem Konflikt innerhalb des ÖAMTC: „Das war ein interner Machtkampf zwischen dem damaligen Präsidenten, Manfred Mautner Markhof senior und seinem Generalsekretär Dr. Veit – der Konflikt ging quer durch, mit dem Ergebnis, dass der Generalsekretär die Oberhand gewann. Die Generation der 40-jährigen Funktionäre, zu der ich gehörte, ist dann ausgeschieden. Kaum waren wir ausgeschieden, wurde auch das komplette Präsidium in Pension geschickt und ein neues eingesetzt.“

Zwei Tage vor dem Grand Prix von Österreich 1973 wurde bekannt gegeben, dass Pfunder nicht mehr dem ÖAMTC angehört und er somit auch alle Funktionen in der CSI und der FIA verliert.

Helmut Zwickl schrieb damals im Kurier: „Unser Motorsport begeht Harakiri auf österreichisch.“ Und: „Der schräge Rummel, der funkelnde Routineglanz, die großangelegte Show, die sich um den Großen Preis von Österreich in Zeltweg zusammenbrauen, sind wie dick angelegte Schminke auf einem schrumpfenden Kopf. Der Schrumpfkopf ist Österreichs Motorsport.“

Die Austro-Revolte

Der internationale Einfluss war plötzlich dahin – Österreichs Motorsportler wollten diese Demontage von Martin Pfundner nicht hinnehmen: „Nach meinem Abgang haben sich die unabhängigen Veranstalter zusammengeschlossen zu einer Organisation namens ÖAMV (Österreichischer Automobil- und Motorsport-Verband), diese versuchte gemeinsam mit dem ARBÖ, die Sporthoheit aus dem ÖAMTC heraus zu lösen.“

Bei dieser „Revolte“ waren die Stars der Szene an Bord: Auch Niki Lauda und Helmut Marko engagierten sich im ÖAMV. Pfundner: „Lauda, Marko, alle wichtigen Veranstalter mit Ausnahme der ÖAMTC-Veranstalter waren dabei. Eine Reihe an Kommissionen zu den verschiedenen Sparten wurde gegründet. Vorgestellt wurde das im Rahmen eines Österreich-Grand Prix – die Medienpräsenz war unheimlich groß.“

Beinahe wurde dann auch gemeinsam eine Lösung gefunden, beinahe hätte der ÖAMTC damals die Sporthoheit delegiert: „Man kam einer Lösung einigermaßen nahe – mit acht Mandaten für den ÖAMTC, vier für den ÖAMV und vier für den ARBÖ.“ Doch: „Gescheitert ist das Ganze, weil der ÖAMTC den Präsidenten beansprucht hat - mit allen Rechten, auch in finanziellen Fragen.“

Zudem übte der ÖAMTC damals heftigen Druck auf die ÖAMV-Vertreter aus, dem nicht alle standhalten konnten. Pfundner: „Nach drei oder vier Jahren hatte der ÖAMTC die Sporthoheit wieder fest im Griff.“

Wenn Martin Pfundner an diese Zeit zurückdenkt, tut er es nicht mit Bitterkeit. Lächelnd erzählt er: „Mittlerweile sind diese alten Wunden längst vernarbt – zu meinem 80. Geburtstag hat man mir die Mitgliedschaft beim ÖAMTC auf Lebenszeit verliehen.“

BSO – Wohl oder Übel?

Eines der Argumente des ÖAMV war ein möglicher Beitritt zur Bundessportorganisation BSO – noch heute ist die Oberste Sportkommission OSK dort nicht vertreten, weil der ÖAMTC kein demokratisch gewähltes Präsidium aufweisen kann.

Noch heute gibt es, zum Teil auch in der heimischen Rallyeszene diese Gedanken, man könne doch die Sporthoheit auslagern und so mit einem demokratischen Verband zu BSO-Förderungen gelangen.

Man könnte sagen: Was heute vorsichtig angedeutet wird, ist damals längst versucht worden, mit Kalibern wie Lauda und Marko an Bord, die letztendlich auch gescheitert sind…

Martin Pfundner möchte die heutigen Ereignisse nicht kommentieren: „Ich bin nicht mehr involviert, gehöre also nicht zu den Wissenden – daher halte ich lieber meinen Mund.“

Nur zum Thema einer BSO-Mitgliedschaft gibt Pfundner einen Kommentar ab: „Ich bin gar nicht sicher, ob es wirklich erstrebenswert ist. Denn anstelle von ‚Klub-Heinis‘ hast du dann die Politiker drinnen hocken. Ich hatte damals auch diese Gedanken – doch ein bekannter Rechtsanwalt hat mir gesagt: ‚Lass das sein, denn sonst reden dir die Politiker drein!‘ Das war 1970 – doch die Politiker haben sicher nicht aufgehört, sich in Dinge hineinzudrängen, wo sie eine Chance sehen.“

Teil 1 des Gesprächs sowie eine Bucbesprechung finden Sie in der Navigation oben rechts.

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