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Mit Autos und Glocken durchs 20. Jahrhundert

Welch komischer Titel! Wie kommt man zu dieser anscheinend absurden Kombination? Es ist die Lebensbeichte von Martin Pfundner nach achtzig Lebensjahren. Sein Vater war ein autobegeisterter Glockengießer, und dies färbte sehr früh auf den Sohn ab. So hat sich das Leben von Vater und Sohn zwischen dem Gießereiwesen, der Hochtechnologie des 18. und 19. Jahrhunderts, und dem Automobilismus, dem großen Phänomen des 20. Jahrhunderts, pendelnd hin- und herbewegt.

So irreal dies auch klingt, die Pfundners sind nicht die ersten und einzigen Glockengießer, denen es so erging. Als es noch lange kein Benzinauto gab, begann Amédée Bollée in der väterlichen Glockengießerei zu Le Mans mit der Konstruktion eines Dampfwagens für die Straße. 1872 war dann auch ein fünf Tonnen schwerer zwölfsitziger Dampfomnibus fertig gestellt, der eine Geschwindigkeit von 40 km/h erreichte und bald danach behördlich zugelassen wurde. Damit begann in der Glockengießerei die reguläre Fertigung von Dampfwagen. Auch Bollées Söhne Amedée jun. und Léon bauten Automobile, teils mit Dampfmaschine, teils auch bereits mit Benzinmotor.

Denn mittlerweile gab es in Stuttgart einen gewissen Gottlieb Daimler, der intensiv an der Entwicklung des Benzinmotors und damit auch des Automobils im heutigen Sinne arbeitete. Anno 1883 ließ dieser bei der Stuttgarter Glockengießerei Kurtz, die Martin Pfundner selbst noch in den Sechziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts besuchte, ein Motorgehäuse für die sogenannte „Standuhr“ gießen, jenem Motor, der dann den Daimler’schen Reitwagen antrieb.

Ähnlich wie Kurtz in Stuttgart lieferte auch die Glockengießerei Pfundner Gussteile für die Automobilindustrie. So waren die Lohnerwerke in Wien und Austro Daimler in Wiener Neustadt regelmäßige Kunden. Im Zweiten Weltkrieg war Glockenguss verboten, da wurden Flugmotorenteile für BMW gegossen. Nach dem Kriege begann Wolfgang Denzel, Sprössling einer Glockengießerfamilie aus Marburg an der Drau, heute Maribor, in Wien Sportwagen auf Volkswagen-Basis zu bauen. Pfundner Senior kaufte einen der ersten Denzel-Sportwagen, und bald goss man auch Spezialteile für den Denzel-Motor.

Im Alter von 20 Jahren war er Beifahrer seines Vaters bei der Österreichischen Alpenfahrt 1951 in einem Vauxhall. 30 weitere Rallyes folgten in den Jahren bis 1958. Noch als Student schrieb er für die bedeutendsten Autozeitschriften in vielen Ländern Europas. Mit 26 war er Rennleiter des ersten Flugplatzrennens Wien-Aspern 1957, dann baute er das Flugplatzrennen Zeltweg in fünf Jahren bis zum Formel 1 Grand Prix mit WM-Status auf. Es folgte die Gründung der Autorevue, deren Herausgeber er zehn Jahre lang war. Er wurde in den Vorstand des ÖAMTC und in die Internationale Sportkommission (CSI) der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) in Paris gewählt. Mit 37 war er Vizepräsident der CSI und Vorstandsmitglied der FIA, die konsultativen Status bei den Vereinten Nationen hat.

Gleichzeitig war Martin Pfundner Prokurist der Glockengießerei in Wien X., die im Jahre 1960 unter anderem das elfstimmige Geläute des Wiener Stephansdomes goss und lieferte. Nachdem Pfundner sen. die Firma Ende 1970 aus persönlichen Gründen stillgelegt hatte, wechselte sein Sohn als Direktor von British Leyland Austria in die Automobilwirtschaft. 1984 wurde er in den Vorstand von General Motors Austria berufen, womit er auf den Asperner Flugplatz, auf dem das GM-Werk errichtet wurde, zurückkehrte,. Es gelang ihm mit Diplomatie und Geduld, das Thema General Motors aus dem innenpolitischen Hick-Hack herausführen und das Unternehmen in die heimische Industrielandschaft zu integrieren.

Auch die Standes- und Interessensvertretung der Automobilwirtschaft war ihm ein großes Anliegen. Er war ein Jahrzehnt lang Vorsitzender der Automobilwirtschaft in der Industriellenvereinigung und wurde nach seinem 70. Geburtstag zum Ehrenpräsidenten gewählt.

So war und ist Martin Pfundner Akteur und Zeitzeuge der Automobil-Entwicklung in allen Facetten, vom Motorsport über die Motorpresse bis zur Automobilindustrie und ihrer Standesvertretung. Im achten Lebensjahrzehnt ist er in die Rolle des Automobil-Historikers hineingestolpert, wie er sich selbst ausdrückt. Das Ergebnis waren acht Bücher zur Automobilgeschichte, zu denen sich jetzt seine Memoiren gesellen. Dies reimt sich gut auf den Titel „Mit Autos und Glocken durchs 20. Jahrhundert“.

  • Österreichische Automobilgeschichte, 1999 (mit Hans Seper und Hans Peter Lenz)
  • Vom Semmering zum Grand Prix, 2003
  • Die Alpenfahrt 1910-1973, 2005
  • Alpine Trials & Rallies, 2005
  • Die Auto-Österreicher, 2006
  • Austro Daimler und Steyr, 2007
  • Wolfgang Denzel, sein Sportwagen und der BMW 700, 2008
  • 100 Jahre Alpenfahrt, 2010
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