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Motorsport: Hintergrund

Mit Schönfärberei in die Königsklasse?

Auf Facebook präsentiert sich Corinna Kamper ultraprofessionell – nur Ergebnisse findet man so gut wie nie. Warum nur? motorline.cc hat recherchiert…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Kamper

Auf ihrer Facebook-Seite präsentiert sich Corinna Kamper charmant, professionell und zielstrebig. Man sieht Corinna mit Sebastian Vettel, im Rennauto, als Siegerin der Sportlerwahl 2012 oder als neue Partnerin der Firma AVL - dazu kommen immer wieder Zeitungsartikel, die darüber berichten, dass sich die mittlerweile 19-jährige Steirerin auf dem Weg in die Formel 1 befindet.

Die Bild-Zeitung schlägt Corinna Kamper dem Formel 1-Zampagno Bernie Ecclestone als eine von fünf künftigen F1-Pilotinnen vor. Auch ein aktueller Bericht der Kleinen Zeitung ist zu finden: Darin blickt Kamper „sehr, sehr zufrieden zurück“ auf die Saison 2013. In Spa und Silverstone sei sie „super dabei“ gewesen und „vom Grundspeed her in den Top 10“ gelegen. Es habe im Vergleich zum Vorjahr eine „deutliche Steigerung“ gegeben. Zudem habe sie „im Simulator in Silverstone neun Streckenrekorde“ verbucht, heißt es in dem Artikel. Aus diesem Grund würde Kamper 2014 aufsteigen. Die Rennserie könne sie noch nicht verraten: „Schweigeflicht. So ist es vereinbart. Nur so viel: Es ist ein weiterer Schritt nach oben.“

Auch im Gespräch mit motorline.cc agiert Corinna Kamper professionell, ihre Saisonbilanz klingt extrem positiv, fast 1:1 wiederholt sie ihre Aussagen aus der Kleinen Zeitung : „Ich habe heuer viel Pech, aber auch Glück gehabt. Alles in allem sieht man eine deutliche Steigerung zum Vorjahr – ich weiß, dass ich schnell bin. Und in Silverstone und Spa lag ich in den Top 10.“

Von wegen Top 10

Die Top 10 waren eigentlich das erklärte Ziel in ihrer zweiten vollen Saison in der Formel Renault 2.0 North European Cup (FR NEC 2.0), einem Ableger der internationalen World Series 2.0, der kleineren World Series. Allerdings sucht man in den Ergebnislisten vergeblich ein Top 10-Ergebnis. In den Rennergebnissen (siehe Statistik unten) sind zwei 14. Plätze das Höchste der Gefühle, einer davon wurde in Spa errungen. Dort landete sie im Qualifying tatsächlich auf Platz neun – allerdings im halben Feld, das im Qualifying jeweils auf zwei Gruppen aufgeteilt wurde. Tatsächlich errang Kamper in Spa mit Platz neun in ihrer Quali-Gruppe (13 Starter, Rückstand 3,454 Sekunden) den 24. von 26 Startplätzen.

Wie schon im Vorjahr sei sie mit einem Handicap in die Saison gestartet, bedauert Corinna Kamper. Schon 2012 habe sie die Wintertestfahrten versäumt – das Gleiche ist heuer wieder passiert: „Ich war leider krank, hatte 40 Grad Fieber.“ Aus diesem Grund wurden die Wintertests am 21./22. und am 26/27. März sowie das erste Rennwochenende am 9/10. April versäumt…

Davor jedoch, im Winter 2012/2013, erlebte Corinna Kamper einen wahren Quantensprung, erzählt sie: „Ich bin nach England gegangen, habe dort hart an meiner Performance gearbeitet. Ich saß in Silverstone 20 Tage im Simulator. Jetzt kenne ich alle Strecken, ich weiß sämtliche Ideallinien.“ Im Institut „izone“, in Silverstone ansässig, können junge Pilotinnen und Piloten ihre Performance verbessern. Dort, am Simulator, habe sie „auf elf Strecken zehn Rundenrekorde“ markieren können, erzählt sie stolz. Dabei habe sie auch einen „Red Bull Junior-Piloten“ geschlagen, dessen Namen müsse sie jedoch geheim halten…

Zehn Streckenrekorde! In einem Institut mit hunderten Jung-Piloten! Zehn Streckenrekorde im Winter 2012/2013 – doch im Rennauto lag Kamper 2013 in den Qualifikationseinheiten im Schnitt rund 2,5 Sekunden zurück. In Most, wo sie im Vorjahr bereits testen konnte, erzielte sie ihr bislang bestes Quali-Ergebnis: Sie wurde in ihrer Quali-Gruppe Zwölfte von 17 Piloten und hatte nur noch 1,5 Sekunden Rückstand auf den Schnellsten ihrer Gruppe. Mit 32,777 Sekunden erzielte sie in Most im ersten Rennen den geringsten Gesamtrückstand der Saison 2013: 32,7 Sekunden Rückstand nach 17 Runden ergeben in etwa einen Rückstand von 1,9 Sekunden pro Runde.

Kamper verweist darauf, dass es zwischen Simulator und Realität doch einen gewissen Unterschied gibt. Welchen Quantensprung Corinna im letzten Winter im „izone“-Simulator erlebt haben muss, zeigt eine Aussage von Walter Penker. Denn noch im Vorjahr saß Corinna Kamper bei Penker Racing & Training im steirischen Fohnsdorf im Simulator - und dort hatte sie „im Schnitt pro Runde 2,5 Sekunden Rückstand auf die bislang erzielte Bestmarke“, erklärt Penker. Rundenrekorde lagen damals, vor rund einem Jahr, offenbar noch in weiter Ferne. Kamper klärt auf: „Bei Penker fuhr ich am Simulator ein Formel 1-Auto. In England jedoch fuhr ich virtuell mit einem Formel Renault, was in meinen Augen viel sinnvoller ist.“

Warum dann aber die großen Rückstände auf der realen Strecke? Kamper sagt: „Es war auch viel Pech dabei, es gab auch technische Gebrechen – als ich in Spa in der Eau Rouge abgeflogen bin, lag ich davor auf Platz sieben.“ In Silverstone habe sie aus der Boxengasse starten müssen: „Da war ich so heiß, dass ich gleich einmal die viertschnellste Rennrunde gedreht habe – und das mit alten Reifen!“ In der Ergebnisliste jedoch, immerhin offizielle Aushänge auf der Website der Rennserie, hat Kamper im besagten Rennen aber „nur“ die elftschnellste Runde gedreht. Sie wundert sich offenbar, dass jemand von den Medien diesen Dingen nachgeht und sagt: „Achso, dann wurde diese Runde wohl gestrichen, weil ich über die weiße Begrenzungslinie hinauskam.“

„Das Telefon bleibt im Auto!“

Wie auch immer. Ihr früherer Trainer Walter Penker, bei dem bereits Größen wie Sebastien Bourdais oder Sakon Yamamoto ihre Reflexe geschärft haben, bei dem zurzeit Andi Zuber und auch der erfolgreiche Porsche Junior Klaus Bachler ihre Simulator-Runden drehen, glaubt zu wissen, wo Corinna Kamper den Hebel ansetzen müsste: „Meiner Meinung nach muss Corinna ihre Prioritäten ändern. Als sie bei mir trainiert hat, habe ich ihr immer wieder gesagt: ‚Du musst einen ganzen Tag das Programm durchziehen und nicht jene Übung herauspicken, die dir gerade zusagt. Und das Telefon bleibt im Auto!‘ Ich habe ihr damals gesagt, das Training muss erste Priorität haben.“

Dass die 19-jährige Bruckerin über Talent verfügt, kann Walter Penker bestätigen, zugleich räumt er ein: „Sie hat gute Ansätze, sie fährt ab und an eine wirklich schnelle Runde, doch es fehlt ihr an Konstanz. Für mich ist der Rundenschnitt entscheidend – es bringt in meinen Augen nicht viel, wenn du einmal eine schnelle Runde fährst, weil du diesmal keinen Fehler gemacht hast. Für mich ist sehr entscheidend, mit möglichst wenig Risiko eine konstante Leistung zu erbringen.“

Corinna Kamper, die im letzten Winter nach England zog, mittlerweile aber wieder in Österreich ansässig ist, bleibt auch im Gespräch mit motorline.cc konsequent, was den noch geheimen Aufstieg für 2014 anbelangt. Sie verrät nur so viel: In die internationale Formel Renault, die World Series by Renault 2.0, die kleinere World Series also, steigt sie nicht auf.

Somit wären wohl Formel 3, GP3, AutoGP oder die neue AS1 möglich. Wie auch immer, Kamper hüllt sich in Schweigen. In rund drei Wochen würde der nächste Schritt in Richtung Formel 1 bekannt gegeben werden.

In der Formel 1 möchte sie „2017 oder 2018“ landen, sagt Corinna Kamper – zumindest in dieser Frage bleibt sie geradlinig…

Corinna Kamper - Statistik 2013

Qualifying (Q)   Platz (von)  Rückstand
Rennen (R)

Nürburgring Q1+2  33  (35)    +3.235s
Nürburgring R1    20  (35)    +48.392s
Nürburgring R2    30  (35)    +2 Runden

Silverstone Q2    10  (12)    +2.719s
Silverstone R1    DNS (24)    -
Silverstone R2    18  (23)    +51.635s

Spa Q2             9  (13)    +3.454s
Spa R1            14  (26)    +49.976s
Spa R2            DNF (26)    +10 Runden

Assen Q2          14  (14)    +3.331s 
Assen R1          22  (27)    +1:27.370m
Assen R2          23  (27)    +1:06.024m

Most Q2           12  (17)    +1.573s
Most R1           15  (34)    +32.777s
Most R2           DNF (34)    +16 Runden
Most R3           DNF (34)    +17 Runden

Zandvoort Q1      10  (15)    +2.643s
Zandvoort R1      29  (31)    +13 Runden
Zandvoort R2      14  (31)    +40.339s

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