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Motorsport: Hintergrund

Ein schwerer und ein leichter Weg

Viel Medienpräsenz, doch auf dem Zeitenmonitor leider auch viel Rückstand. Warum es Corinna Kamper leicht und zugleich auch ziemlich schwer hat…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Otmar Winterleitner/Lichtmeister (Foto oben), Formel ADAC Masters, Kamper@facebook

Fotoshootingfotos (Fotos vom Fotoshooting), Aufrufe zu verschiedenen Beliebtheitsvotings, Fotos von der McLaren Academy, Fotos vom Fitnesstraining, Fotos von den Testfahrten, große Vorfreude auf das Rennwochenende...– auf ihrer Facebookseite verkauft sich Corinna Kamper weiterhin höchst professionell…

…nur von den Rennen selbst (darüber, wie sie ausgegangen sind) schreibt sie konsequent auch in diesem, neuen Jahr kein Wort. Ungewöhnlich für eine Rennfahrerin, dass sie die Highlights, die Wettkämpfe quasi komplett aus ihrer öffentlichen Präsentation ausspart. Sogar, als einer der User eine Rundenzeit von einem Kartrennen wissen möchte, gibt sich Kamper zugeknöpft: „Das sag ich dir, wenn wir uns treffen.“

Von motorline.cc darauf angesprochen, sagt Corinna: „Die Rennergebnissee sind nicht wichtig – ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das jemand durchliest.“

Stattdessen wird fleißig PR betrieben. Corinna Kamper spielt perfekt auf dem Medienklavier, bedient dabei jedoch eher und immer mehr die nicht fachspezifischen Medien. Lokale TV-Sender etwa. Dort erzählt sie, dass sie im englischen Institut „izone“ auf dem Simulator auf elf von zwölf Strecken den Rundenrekord markieren konnte und dass deshalb McLaren bei ihr angerufen habe, um sie ins „Young Driver“-Programm zu holen.

Im Vorjahr wollte motorline.cc bei „izone“ in Erfahrung bringen, warum Kamper bei einer derartigen Rekordfülle auf der „izone“-Homepage in der Rubrik „Simulator“ nicht erwähnt wird. Zweifel waren angebracht, zumal sie zuvor am Simulator von Walter Penker im Schnitt stets 2,5 Sekunden Rückstand hatte. Damals wurde auf den Datenschutz verwiesen, bestätigt wurden diese Streckenrekorde jedoch nie. Vielleicht auch ein Grund, sich von fachspezifischen Medien abzuwenden und stattdessen gleich jene Massenmedien zu bedienen, die gar nicht auf die Idee kommen, nach Rennergebnissen zu suchen, die ohnehin „niemand durchliest“…

Große Ausnahme ist die Kleine Zeitung, der kompetente Formel 1-Reporter Gerald Pototschnig höchst persönlich tritt als „gönnerhafter Onkel“ in Erscheinung, artig bedankt sich Corinna für den Artikel „Die ersten Schultage bei McLaren“, in dem sich alles um Corinna Kamper dreht: „Danke Gerald, ist immer ein Genuss zu lesen.“ Pototschnig antwortet mit Augenzwinkern: „Jetzt müss‘ ma nur noch Gas geben.“

Mediales Vollgas

Gas geben! Medial gibt Corinna Kamper immer Vollgas. Und immer steht das große Ziel im Vordergrund: die Formel 1. Die Medien wiederum sind dankbar, ein hübsches blondes Mädchen im Rennauto ist stets willkommen und Corinna weiß es ganz genau: „Als Mädchen kann ich mich leichter vermarkten.“

Ganz ähnlich sieht es Michael Resl, seines Zeichens „Director Motorsports, Marketing & Lead Development“ bei der Firma AVL – er setzt sich bei AVL und auch außerhalb für Corinna Kamper ein, gegenüber motorline.cc erklärt er: „Es geht hier um das Marketing, für uns ist Corinna ein Transportmedium – einerseits, um Werbung zu machen, andererseits, um technische Kompetenz zu beweisen, unsere Ingenieure sind bei den Rennen dabei und stehen Corinna bei der Abstimmung und bei der Datenanalyse zur Seite.“

Als Motorsportmedium interessiert sich motorline.cc auch für die sportliche Leistung von Corinna Kamper. Schließlich sind Ergebnisse eine wichtige Maßeinheit, um einen Sportler einschätzen.

Nicht jedoch sind wir der Meinung, Kamper würde „wirklich schnellen Burschen“ quasi den Platz in den Medien „wegnehmen“. Auch „richtig schnelle Burschen“ müssen lernen, den Medien „etwas“ zu bieten. Ein erster Platz alleine ist heutzutage – leider – zu wenig. Corinna Kamper vorzuwerfen, dass sie auch mit schwachen Ergebnissen medial präsent ist, geht in die falsche Richtung. Eher sollte man dann bei Kamper eine Anfrage in punkto PR-Management stellen. Schon jetzt zeichnet sich eine mögliche „Zweitkarriere“ als Fach-Kommentatorin ab, ServusTV hat schon die Fühler ausgestreckt…

Ergebnisse – derzeit Mangelware

Doch zurück zu den Ergebnissen. Im Vorjahr, in ihrer zweiten Saison in der Formel Renault 2.0 NEC (North European Championship), einem Ableger also der kleinen Formel Renault 2.0, konnte Corinna nicht überzeugen, versuchte stattdessen ihre Ergebnisse ein wenig zu „pimpen“, um es galant auszudrücken. Siehe unsere Reportage „Mit Schönfärberei in die Königsklasse?“ aus dem Vorjahr.

Für 2014 wurde zunächst ein „Aufstieg“ propagiert – geworden ist es ein Cockpit in der schwächeren Formel ADAC Masters. Dort gab es vor zwei Wochen in Oschersleben das erste Rennwochenende. Im Qualifying belegte Kamper den 15. und letzten Platz – der Rückstand auf die Spitze betrug fast zwei Sekunden, selbst auf den Vorletzten fehlte rund eine halbe Sekunde. Im ersten Rennen kamen zwölf Piloten ins Ziel, Kamper wurde mit 37,144 Sekunden Rückstand Zwölfte, auf den Vorletzten fehlten fast zehn Sekunden. Im zweiten Rennen kamen 14 Piloten ins Ziel, Kamper belegte Platz 14, der Rückstand betrug etwas mehr als eine halbe Minute. Im letzten Rennen kam es noch schlimmer: Eine Minute Rückstand – allerdings, so erzählt Corinna, hab sie in diesem Rennen an die Box fahren müssen, um einen losen Flügel anschrauben zu lassen, davor jedoch habe sie in diesem Lauf „lange mitgehalten“.

Alles in allem muss aber auch Corinna Kamper zugeben, dass der erste Auftritt in der Formel ADAC Masters „nicht berauschend“ war. Aber: Die Rückstände seien erklärbar, sagt AVL-Mann Michael Resl. So habe sich Corinna Kamper im Vorfeld bei einem Training in der McLaren-Schule eine Entzündung im linken Knie zugezogen: „Sie wollte bei McLaren die Burschen beeindrucken und hat es übertrieben.“ Ein angeborener Knorpelschaden habe sich wegen der Überbelastung entzündet, was sich beim Bremsen schmerzhaft ausgewirkt habe, erzählt Resl. Er präzisiert: „In der Formel Renault wird mit einem Bremsdruck von 70 bar gearbeitet, in der Formel Masters jedoch muss man das Pedal mit 100 bar drücken. Corinna konnte unter Tränen gerade einmal 52 bar erreichen. Die gute Nachricht ist, dass diese Entzündung wieder verheilen wird.“

Von motorline.cc auf die Probleme beim Bremsen angesprochen, sagt Corinna Kamper: „Das war eigentlich keine große Sache mehr, ich hab halt einfach ein bisschen zu viel trainiert.“ Viel schlimmer sei der Umstand, dass der Großteil der Konkurrenten einen Vorsprung an Testtagen haben würde. Auch Michael Resl betont: „Die anderen haben zwischen 5000 und 6000 Kilometer mehr Tests absolvieren können.“ Dieses Argument wurde auch 2012 und 2013 in den Raum gestellt – warum wird dann nicht gleich von Beginn an getestet? Kamper nickt: „Ja, das liegt eben daran, dass wir das Projekt erst recht spät finalisieren konnten. Im Grunde musst du schon im Sommer des Vorjahres ein Paket schnüren, um wirklich mithalten zu können.“

„Eine Sekunde Rückstand – damit kann ich leben“ (Resl)

Michael Resl gibt sich trotz der schlechten Ergebnisse zuversichtlich: „In Oschersleben hatte Corinna zunächst drei Sekunden Rückstand pro Runde - im letzten Rennen war es nur noch eine Sekunde pro Runde, damit kann ich leben, mehr kann ich nicht erwarten.“ Überhaupt sieht es Resl nicht so streng, was die Ergebnisse anbelangt: „Sie ist das einzige Mädchen im Feld – als Frau muss sie nicht gewinnen, es genügt mir, wenn sie im vorderen Drittel landet.“ Die Frage ist nur: Genügt das, um tatsächlich in die Formel 1 zu gelangen?

Zumal auch heuer, in ihrer dritten vollen Formel-Saison, schon jetzt wieder eine Pause eingelegt wird. Denn am vergangenen Rennwochenende der Formel ADAC Masters in Zandvoort nahm Corinna Kamper leider nicht teil, auch das Rennen auf dem deutschen Lausitzring wird ausgelassen. Resl sagt: „Zandvoort kennt Corinna nicht, da wäre es noch schwieriger für sie geworden.“

Nur: Wie soll Corinna näher an ihre Konkurrenten heranrücken, wenn sie gleich zwei Rennwochenenden pausiert? Immerhin haben die anderen dann wertvolle sechs Rennen und viele Trainingskilometer mehr abgespult, wenn die Formel ADAC Masters an ihrem vierten Rennwochenende von 6. bis 8. Juni auf dem Red Bull Ring Station macht – ist man da nicht von Grund auf benachteiligt oder gar chancenlos?

„Testen fürs Heimspiel“

Michael Resl nickt: „Natürlich ist das nicht optimal – aber von 27. bis 29. Mai hält die Formel Masters offizielle Testfahrten auf dem Red Bull Ring ab, dort wird Corinna selbstverständlich dabei sein, die Strecke kennt sie –und sie fährt ja in einem ausgezeichneten Team.“ Auch Corinna Kamper selbst zeigt sich zuversichtlich: „Ich muss eben bis zu meinem Heimrennen so viele Testtage wie möglich abspulen – ich freue mich schon sehr auf das Rennen auf dem Red Bull Ring, da spürt man richtig, dass die Zuschauer mit mir mitfiebern.“

Und schließlich hat Corinna Kamper einen Traum, den sie konsequent weiterverfolgt. Die schlechten Ergebnisse aus Oschersleben hat sie abgehakt, ehrlich und offen sagt sie: „Natürlich denkt man nach solchen Ergebnissen darüber nach – denn ich bin schon ein Mensch, der versucht, ehrlich mit sich selbst zu sein: Wenn ich etwas nicht kann, dann lasse ich es. Aber ich weiß, warum wir den Rückstand hatten und ich konnte mich deutlich steigern.“

“Nehm‘ ma die Poleposition“

Der Erwartungsdruck ist freilich vorhanden – und hausgemacht. Zumal sich Corinna Kamper selbst mit ihrer offensiven Medienkampagne gehörigen Druck auferlegt. „2017 oder 2018“ möchte sie in der Formel 1 fahren, wird sie nicht müde, zu verkünden. Etwas, worüber sich ganz Motorsport-Österreich freuen würde – zugleich aber auch etwas, das angesichts der aktuellen Resultate nur mit mühe- und leidvoller Schwerstarbeit zu verwirklichen sein wird.

Selbst der oben erwähnte „gute Onkel“ Pototschnig möchte Resultate sehen, unter ein Foto von Corinna Kamper im Gokart postete er unlängst: „Fängst noch einmal von vorne an? Dann nehm' ma am Red Bull-Ring die Poleposition, net irgend a Reih' hinten...“

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