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Dakar-Rallye 2017

„Wer die wenigsten Fehler bei Vollgas macht, gewinnt“

Raphael Sperrer war 2006 und 2007 der letzte Österreicher im Feld der Dakar-Autos. Wie schätzt er die Chancen von Ilka Minor und Martin Prokop ein?

Michael Noir Trawniczek
Fotos: raphaelsperrer.com

Raphael Sperrer war der bislang letzte Österreicher im Feld der Dakar-Autos. Der sechsfache Rallye-Staatsmeister fuhr noch zu jener Zeit, als die Dakar in Afrika abgehalten wurde. 2006 und auch 2007 zahlte Sperrer trotz einiger beachtlicher Etappenzeiten jeweils Lehrgeld in Form von Ausfällen. 2008 hätte sein dritter Start werden sollen - doch dann wurde die Rallye abgesagt und später nach Südamerika übersiedelt.

Seither verfolgt Sperrer die weltberühmte Wüstenrallye über das Internet. Heuer ist mit Copilotin Ilka Minor wieder ein Teilnehmer aus Österreich bei den Dakar-Autos vertreten (neben Matthias Walkner und Markus Berthold bei den Motorrädern).

Wir haben Raphael Sperrer gefragt, wie er die Chancen der Privatiers Martin Prokop und Ilka Minor einschätzt und worauf es seiner Meinung nach bei dieser Marathonrallye ankommt…

Raphael, erstmals seit deinen Einsätzen 2006 bis 2008 ist mit Ilka Minor wieder jemand aus Österreich bei den Dakar-Autos vertreten. Welche Chancen gibst du dem Duo Martin Prokop/Ilka Minor?

Ich kenne Martin Prokop nicht, aber ich denke, es hängt davon ab, welches Ziel sie ansteuern. Und dann liegt es natürlich auch an den Mitbewerbern. Da fahren ja auch Werksteams mit und ich denke, dass Peugeot das stärkste Team sein wird.

Auf eine Überraschungsführung der Privatiers Prokop/Minor braucht man also nicht zu hoffen?

Man darf hier nicht in jenen Maßstäben denken, die wir aus dem normalen Rallyesport kennen – hier gilt es, den Horizont zu erweitern. Die Werksteams fahren in der ersten Woche ohne Teamorder - die Fahrer arbeiten daran, ihren Rhythmus zu finden. Zugleich wird jeden Tag nach dem Ergebnis vom Vortag gestartet, was natürlich auch einen Einfluss hat. Zudem hängt alles auch davon ab, wie lange die Mühle hält, die man zur Verfügung hat. Im aktuellen Feld haben wir zirka 13 bis 15 Topautos – die Spitzenteams sind alle in etwa gleich gut. Ich rechne da nicht mit einer Überraschung. Ich würde also über den Daumen geschätzt sagen, dass man als Privatier einen Platz zwischen 16 und 25 erreichen kann, abhängig natürlich von der Zahl der Ausfälle.

Was erwartet Ilka bei ihrer ersten Dakar-Rallye?

Es ist ganz sicher ein Naturschauspiel sondergleichen – das wird ihr gefallen. Eine solche Reise kann man in vollen Zügen genießen.

Was ist der Schlüssel zum Sieg? Worauf kommt es an?

Auf den Prüfungen kommt es auch darauf an, in welchen Rhythmus man kommt. Du hast dort einerseits die Weite und die Einsamkeit, um dann von einem Moment auf den anderen in eine Rush-Hour zu kommen - wo du in eine Art Flaschenhals kommst und es plötzlich zugeht wie auf der Tangente.

Der Main-Key ist auf jeden Fall, dass man versucht, Fehler zu vermeiden – denn es passieren trotzdem welche. Eine Dakar ist kein Kinderspiel, es gibt dort auch jedes Jahr Tote. Du darfst das Auto nicht überfordern, denn das zieht einen Rattenschwanz nach sich, der dich bis zum Ausfall bringen kann.

Da ist beispielsweise eine Aufhängung beschädigt, man verliert Zeit, dann hat das Team weniger oder gar keine Zeit, das zu beheben und du fährst mit dem angeschlagenen Auto weiter – wie gesagt: Das kann zum einen gefährlich werden und es kann zum Ausfall führen.

Das heißt: Ich muss dort Gas geben, wo die Strecke weniger beanspruchend ist und dort Gas rausnehmen, wo das Material stark beansprucht wird?

Ja, du musst dort sehr schnell switchen: Du musst schnell und aggressiv fahren, aber sobald die Straße schlecht wird musst du defensiv fahren. Wer hier die wenigsten Fehler macht, ist am Ende am schnellsten unterwegs. Oder anders gesagt: Wer bei Vollgas die wenigsten Fehler macht, gewinnt.

Erstmals wird heuer sechs Tage lang in einem Gebiet über 4.000 Höhenmeter gefahren. Auch der Ruhetag befindet sich in diesem Gebiet – vor dem Ruhetag wurde Ilka Minor von Dakar-Profis gewarnt: Dort lauert die Gefahr, dass man den Biss verliert und man sich am nächsten Tag nicht mehr voll motivieren kann. Ilka möchte darauf achten, dass sie am Ruhetag nicht den Schwung verliert. Wie ist es dir mit dem Ruhetag gegangen?

Ich habe am Ruhetag bis 12 Uhr mittags geschlafen – ich kann das so nicht ganz nachvollziehen. Du musst bedenken, dass du dort in den Zelten und Wohnmobilen ohnehin keine gute Nachtschlafqualität hast. Das heißt, dass deine Batterien immer weniger werden, weil du sie nicht mehr ganz aufladen kannst. Du hast meistens nur zwischen drei und vier Stunden effektiven Schlaf. Daher war es mir wichtig, am Ruhetag meine Batterien wieder aufzuladen, denn nur dann kannst du dich an den weiteren Tagen wieder voll motivieren.

Du verfolgst die Dakar weiterhin – weil du dort noch etwas vorhast?

Die Rallye Dakar ist für mich ein offenes Buch. Ich habe meine Dakar-Karriere nicht freiwillig beendet, denn mir kam ja 2008 die Absage der Rallye dazwischen. Ich lese mir auch heute noch gerne die Statements der Fahrer durch, da kannst du viel herauslesen. Diese Rallye ist ja sehr außergewöhnlich, sie hat eine 1er-Merkmalstellung wie die Tour de France im Radsport. Und bei beiden Bewerben ist die ASO der Veranstalter. Was mich persönlich anbelangt: Ich habe mit den KTM X-Bows eine herrliche Möglichkeit, mich auszutoben. Aber wie gesagt: Mein Buch Dakar ist offen.

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