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WEC: Spa-Francorchamps

Audi gewinnt Technik-Schlacht in den Ardennen

Erster Saisonsieg in der WEC für Audi - Toyotas sicherer Sieg löst sich in Rauch auf, Porsche wird zum LMP2-Auto. Ferrari-Sieg in der GTE - Schwere Unfälle von Mücke und Thiim.

Welch eine Generalprobe für die 24 Stunden von Le Mans 2016! Beim 6-Stunden-Rennen der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in Spa-Francorchamps wurde deutlich, wie intensiv der technische Wettbewerb der drei LMP1-Hersteller Audi, Porsche und Toyota in diesem Jahr ist . Die Kontrahenten zeigten sich im Rennen allesamt konkurrenzfähig, man bot sich enge Duelle und reizte die Möglichkeiten der Hybridfahrzeuge voll aus - oder sogar noch etwas mehr...

Am Ende eines extrem ereignisreichen Rennens bei besten Bedingungen und vor 58.000 Zuschauern in den Ardennen durften Oliver Jarvis, Lucas di Grassi und Loic Duval den Sieg für Audi bejubeln. Das Trio im R18 mit der Startnummer 8 hatte das Glück, das allen anderen verwehrt blieb: man kam ohne technische Sorgen über die Gesamtdistanz von sechs Stunden. Am Ende hatte der Audi einen Vorsprung von zwei Runden auf den Porsche #2 (Jani/Lieb/Duval).

"Was für ein seltsames Rennen. Wir hatten Glück, das muss man zugeben. Wir haben alles richtig gemacht, während andere Teams ihre Probleme hatten", berichtet Oliver Jarvis, der ebenso wie Kollege Lucas di Grassi seinen ersten WEC-Sieg feiern darf. "Jetzt geht für uns das Rennjahr erst so richtig los", ergänzt der erschöpfte und ungläubige Audi-Pilot aus Großbritannien. Sportchef Wolfgang Ullrich feierte den Sieg seines Teams mit einer Flasche Bier unter dem Siegerpodium.

Porsche ohne Hybridpower: Es geht auch ohne...

Lieb/Jani/DUmas verteidigten ihre Führung in der WM. Genau danach sah es zunächst überhaupt nicht aus. Beim Start konnte sich Marc Lieb zunächst hinter dem Pole-Schwesterauto von Brendon Hartley halten, doch nach nur acht Runden gab es ernste Sorgen. Das Hybridsystem verweigerte seinen Dienst, der Porsche #2 konnte mit deutlich reduziertem Schub nicht mehr mithalten. "Wir können es nicht lösen, müssen schauen, wie wir über die Runden kommen", sagte Neel Jani enttäuscht. Knapp sechs Stunden später schüttelte der Schweizer ungläubig den Kopf: Platz zwei.

Es geht auch ohne Hybrid. Das wurde nicht nur anhand des Ergebnisses der WM-Führenden aus dem Lager von Porsche deutlich. Dominik Kraihamer, Alex Imperatori und Matheo Tuscher (Rebellion) erreichten im privaten LMP1-Auto der Schweizer den dritten Gesamtrang und durften somit vom Siegerpodest jubeln. Die Teamkollegen Heidfeld/Prost/Piquet erreichten Platz vier. Und die anderen Autos der favorisierten Werksteams? Die fielen dem harten Wettbewerb zum Opfer.

Der Porsche der Weltmeister Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley hatte das Rennen zu Beginn souverän kontrolliert. Bei der ersten Runde der Boxenstopps manövrierte sich Toyota 1 zurück, es folgte ein zweiter, eine Reparatur des Unterbodens und ein Wechsel des Hybridantriebs an der Front (1:40 Stunden Standzeit!).

Rauchzeichen aus dem Heck: Toyota verliert sicheren Sieg

Nach den herben Rückschlägen für Porsche sah der Toyota von Davidson/Buemi/Nakajima wie der sichere Sieger aus. Das Trio spulte sichere Runden an der Spitze ab, hatte ein erhebliches Polster an der Spitze - und schaffte es doch nicht ins Ziel. Rund 90 Minuten vor Schluss deutete Qualm einen technischen Defekt an, der sich schließlich als Motorschaden herausstellte. Das Schwesterauto wurde nach zahlreichen Problemen mit Elektronikschaden an der Box abgestellt. Toyotas starker Auftritt blieb unbelohnt.

Der Audi von Lokalmatador Andre Lotterer und den Kollegen Marcel Fässler und Benoit Treluyer hatte noch mehr Zwischenfälle: Hybridausfall, Überhitzung, zwei Crashes und eine Durchfahrtsstrafe. Das später siegreiche Schwesterauto kam durch, stand nur einmal zu einem kurzen Sicherheitscheck in der Garage. "Die Strecke hatte nicht so viel Grip wie sonst. Das ist womöglich ein Grund für die vielen Zwischenfälle und Kontakte", sagt Loic Duval. "Wir selbst mögen vielleicht nicht ganz auf dem Stand sein, den wir uns wünschen, aber wir sind am saubersten durchgekommen."

LMP2-Zieleinlauf: Vier Teams in fünf Sekunden

In der LMP2-Klasse ging es den Teams kaum anders, auch dort brachte der enge und erbitterte Kampf zahlreiche Schäden mit sich. Rene Rast (G-Drive) zeigte einen starken Auftakt und verschaffte seiner Mannschaft an der Spitze reichlich Luft, dann fiel man unter anderem wegen eines Reifenschadens aus der Entscheidung. Ähnlich erging es zahlreichen anderen Crews. Am Ende spitzte sich die LMP2-Schlachht filmreif zu: Pipo Derani (ESM) gegen Nicolas Lapierre (Alpine) im direkten Kampf in den letzten Minuten des 6-Stunden-Rennens!

Der Franzose ging als Führender in die letzte Viertellstunde, musste aber noch einen Schluck Benzin nachfüllen lassen. Lapierre kam direkt hinter dem Brasilianer auf die Strecke und attackierte prompt. Beim Überrunden eines GTE-Autos, bei dem sich beide LMP2-Autos auf jeweils einer Seite anlehnten, kam der Ex-Toyota-Werksfahrer schließlich vorbei und sicherte den Erfolg. Derani rettete 1,5 Sekunden Vorsprung auf Robert Merhi (Manor), weitere 0,4 Sekunden dahinter folgte Filipe Albuquerque (RGR).

GTE-Klassen: Schwere Unfälle überschatten Ferrari-Alleingang

In der GTE-Pro-Klasse hatte Ferrari erneut leichtes Spiel. Rigon/Bird (51) in Führung liegend mit technischen Problemen strandeten. Auf den Plätzen zwei und drei erreichten der Ford 97 das Ziel - dort war die Freude jedoch geschmälert. Aston Martin verlor das Auto #95 durch einen schweren Unfall von Nicki Thiim, der sich nach einer Harakiri-Aktion von Simon Dolan (G-Drive) überschlug. Der Däne blieb dabei unverletzt.

Noch viel mehr Glück hatte Stefan Mücke. Der Ford-Pilot flog mit seinem GT in der letzten Rennstunde brutal in Raidillon ab, schlug heftig in die Barrieren ein. Der Berliner wurde zunächst ins Streckenhospital gebracht. Kurze Zeit später die erlösende Nachricht: Mücke hat abgesehen von einigen Prellungen keine Verletzungen davongetragen. In der GTE-Am-Klasse setzte sich der Aston Martin von Lamy/Dalla Lana/Lauda gegen den Ferrari 50 durch.

Das unglaublich ereignisreiche 6-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps hat angedeutet, auf welche Schlacht man sich bei der kommenden Station der WEC einstellen darf. Am 18./19. Juni treten insgesamt 60 Fahrzeuge bei den 24 Stunden von Le Mans an. Bis dorthin werden die LMP1-Teams bei weiteren Endurance-Tests an der Standfestigkeit ihrer Fahrzeuge arbeiten. Der Vortest auf dem 13,6 Kilometer langen Kurs an der Sarthe findet am 5. Juni statt.

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