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Wüstensohn

Seit dem letzten Modellwechsel setzt der VW Touareg noch konsequenter auf Luxus. Wir testen den mit 231 PS schwächeren der beiden Dreiliter-Diesel.

Text und Fotos: Johannes Toth

Ja, der VW Touareg macht schon was her, wenn er mit seinem weit gestreckten Grill ums Eck biegt und dich breit angrinst. Mit 4,9 m Gesamtlänge gehört er nicht unbedingt zu den Kleinsten. Genau 14 mm Länge trennen ihn vom großen VW Multivan. Er ist 8 cm breiter, jedoch 25 cm niederer als sein Bruder, der schon lange nicht mehr Bus heißen will. Wir sehen: ähnliche Ausmaße, aber das Konzept ist ein grundlegend anderes.

Schon das Äußere will beim unbedarften Beobachter Ehrfurcht wecken. Der Auftritt ist im Vergleich zum Vorgängermodell deutlich wuchtiger geworden. Die Front mit den dicken und in die Breite gezogenen Chromleisten hat Überholprestige und macht die linke Spur frei. Die Kanten und Sicken ziehen sich an der Wagenseite dezent bis zu den hinteren muskulösen Kotflügeln und sollen wohl eine schlanke Taille machen. Hinten dann zwei fette rechteckige Auspufföffnungen – in denen weit dünnere Endrohre stecken.

Im Interieur geht es elegant weiter – sofern wir mutig genug in der Sonderausstattungsliste angekreuzt haben. Sofort springt in unserem Modell die riesige Bildschirmoberfläche – das Innovision Cockpit um 3.614 Euro – ins Auge. Hinter einer gebogenen Glasfläche lassen sich unzählige Informationen einblenden. Gleich anschließend rechts daneben das nächste Riesendisplay zur Anzeige und Bedienung von Navigation, Media, Klimaanlage und vielem mehr. Wir fühlen uns wie Captain Kirk auf der Enterprise.

Der Captian hatte aber den Vorteil, immer den Maschinisten Scotty und den Navigator Mr. Sulu an seiner Seite zu haben. Und es gab damals in der Zukunft noch keine Touchscreens. Vieles ist im Raumschiff Touareg nur über diesen Schirm einstellbar, aber nicht alles ist schnell auffindbar oder direkt anwählbar – wie die Radio-Stationstasten.

Viele Details sind hier sehr gründlich durchdacht und fühlen sich nach fettem Luxus an. Beim Starten fährt der Fahrersitz nach vorne und die Seitenwangen umschließen uns in der Memory-Position. Das Navigationssystem weist den Weg auf riesigen von Google gewohnten Satellitenansichten. Die vier Leselampen verzichten auf bewegliche Schalter und reagieren via Sensoren auf Berührung der Lichtpunkte. Für die Hinterbänkler gibt es hinter einer Klappe versteckt zwei USB Ladeanschluss und eine 230V Steckdose.

Andere Details verwundern in diesem Zusammenhang. Manuelle Lenkradverstellung – echt jetzt? Die Türen sind sehr schwer und verfügen nur gegen Aufpreis über Motoren, die sie zuziehen, wenn sie angelehnt sind. Eine Heck-Kamera gibt es zur optionalen elektrisch anklappbaren Anhängerkupplung im Paket um 2.307 Euro. Eine Umfeldkamera, die das Fahrzeug in Vogelperspektive zeigt, leider (noch?) nicht.

Und da war diese eine kurze Nachricht am großen Display: „Nutzerverhalten wird gelernt“. Kommt ab und zu, ohne Zusammenhang. Aha. Aber dann, nach einigen Tagen ein Termin ca. 100 Kilometer entfernt. Das Navigationssystem führt mich zu einer Adresse fernab der Heimat. Am Abend retour, nach drei Kilometern macht das System ungefragt einen Vorschlag: die schnellste Route zu mir nach Hause.

Blitzgescheit, aber auch irgendwie spooky. Als Erklärung gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die fürsorglichste aller Ehefrauen hat sich ins Navigationssystem gehackt – oder Big Brother Touareg lernt, wo er die letzten Nächte geschlafen hat und will schleunigst wieder dorthin zurück. In jedem Fall kein Auto für Datenschutzneurotiker.

Von den vielen unsichtbaren Assistenten sei einer hervorgehoben, weil er in dieser Art noch sehr selten ist: Der Notfall-Assistent. Sofern das Fahrzeug quasi-autonom unterwegs ist, fordert es den Fahrer nach ca. 30 Sekunden mit Warnanzeige und -ton auf, wieder das Lenkrad zu berühren. Bei der zweiten Aufforderung wird der Ton schriller. Bei der dritten und vierten Aufforderung zieht der Gurt ruckartig straff und die Bremsen werden kurz und stark betätigt. Bei einem Sekundenschlaf wäre man schlagartig wach geworden.

Wenn das alles nichts nützt, weiß der Assistent: der Fahrer hat ein ernsthaftes Problem. Er schreibt „Emergency“ aufs Display, schaltet die Warnblinkanlage ein, hält die Spur und bremst weiter ruckartig. Angeblich bis zum Stillstand – das wollten wir dann aber auf der nächtlichen Autobahn doch nicht bis zur letzten Konsequenz ausprobieren.

Die optionale Nachtsichtunterstützung (Bild rechts) zeigt mit Hilfe einer Infrarot- bzw. Wärmebildkamera die Umgebung vor dem Fahrzeug in Grautönen. Auch bei Nebel werden Menschen und Tiere ab Schäferhundgröße auf Grund ihrer höheren Wärmeabgabe orange hervorgehoben. Die Kamera funktioniert so präzise, dass auch Dinge erkennbar werden, die mit dem bloßen menschlichen Auge unsichtbar sind.

Klar, dass der Platz im Fond sehr großzügig bemessen ist. Angenehm auch, dass der ohnehin riesige Kofferraum noch vergrößerbar ist, indem die Rücksitze verschiebbar und die Lehnen im Winkel verstellbar sind. Mit der optionalen vierstufigen Luftfederung lässt sich der Touareg für die Fahrt ins echte Gelände zum Hochstand in zwei Stufen anheben und anschließend zum Beladen deutlich absenken.

Dieses Dämpfungssystem federt Unebenheiten sehr angenehm weg und ist auch in der Sport-Einstellung nicht unangenehm hart. Der drei Liter große V6-Diesel braucht ein bisschen Drehzahl, um Leben in das Zweitonnen-Gefährt zu bringen. Unter 2.000 Touren ist die Gasannahme eher zäh und wir müssen einen Augenblick darauf warten, bis die 8-Gang Automatik den nächstniederen Gang eingelegt hat. Trotzdem geht der Sprint auf 100 km/h dank der 231 PS und 500 Nm Drehmoment in nur 7,5 Sekunden vonstatten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 221 km/h.

Die Preise für das grundsätzlich allradgetriebene 231-PS-Modell starten bei 66.690 Euro, der getestete R-Line kostet 75.190 Euro. Für die 286 PS starke Variante des V6 muss man 6.000 Euro drauflegen. Als Normverbrauch wird werkseitig 6,6 Liter Diesel angegeben. In unserem Test, der auch durchaus flotte – aerodynamisch ungünstige – Autobahnkilometer beinhaltete, kamen wir auf 9,0 Liter. Zum Ausgleich sucht das Navigationsgerät nicht nur die nächsten, sondern auch die günstigsten Tankstellen im Umkreis.

Plus
+ großzügiges Platzangebot
+ starker Motor ist im Betrieb sehr leise
+ viele Assistenzsysteme erhältlich
+ das adaptive Fernlicht funktioniert perfekt
+ die Tankstellensuche des Navigationsgeräts ordnet die Tankstellen sowohl nach Entfernung als auch nach Preis
+ optionaler Notfallassistent kann das Fahrzeug spurstabil und selbstständig zum Stillstand bringen

Minus
- der Kunststoff am Armaturenbrett könnte hochwertiger sein
- die Gestensteuerung funktioniert nicht immer wunschgemäß
- keine Umfeldkamera erhältlich

Resümee
Ein Volks-Wagen ist der Touareg mit einem Basispreis von 66.690 Euro vielleicht nicht mehr ganz, ein VW jedoch ganz bestimmt - und zwar der beste. Wer diesen Wagen bestellt, bekommt einen unaufgeregten leisen Gleiter, der seine Fahrgäste elegant an ihr Ziel bringt. Egal ob dieses an der Autobahn oder im Gelände liegt, ob es die Oper oder die Jagdhütte ist.

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