RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
WRC: Wales-Rallye

Rallye-„Weh-M“ – ein Finale mit PR-Schmerzen

Immerhin kehrt die angeschlagene WM nach Wales zurück. Immerhin sorgt Kubica im WRC für Pfeffer. Und: Daumendrücken für Ilka Minor/Evgeny Novikov.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Photo4, minor.at

Immerhin wird das Finale der Rallye-Weltmeisterschaft wieder in Wales abgehalten – diese großartige Schluss-Rallye im September abzuhalten, war quasi der „Abschieds-Lapsus“ der vormals Verantwortlichen. Jener Leute also, die ohne mit der Wimper zu zucken eine Rallye Monte Carlo in die Arme der seligen IRC getrieben haben…

Am kommenden Wochenende können wir auf das erste WRC-Jahr unter der Patronanz unseres allgegenwärtigen Energiegetränkeherstellers zurückblicken – doch die Bilanz ist schmerzhaft: Nichts hat sich verbessert. Schlimmer wurde es – wie sonst erklärt sich dieser unmögliche Akt der Verzweiflung, dass man ernsthaft in Erwägung zieht, den Sieg künftig nach drei oder vier Rallyetagen in einer einzigen, vom TV übertragenen Sonderprüfung zu vergeben und damit dem Geist des Rallyesports einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen?

Da man nicht ausschließen kann, dass ein Jean Todt oder eine Michele Mouton diese lieblose Idee tatsächlich Realität werden lassen, findet also in Wales vielleicht die letzte echte WM-Rallye statt. Natürlich leidet der Sport unter der Überlegenheit des Gespanns Sebastien Ogier/Volkswagen, so wie er zehn Jahre davor unter der Dominanz des Gespanns Sebastien Loeb/Citroen gelitten hat. Während der allgegenwärtige Konzern aus Fuschl bei letzterem quasi auf den bereits dahinrasenden Zug aufgesprungen ist, war man bei VW von Beginn an mit an Bord. Im Gegensatz zur Formel 1 muss man in der WRC jedoch die finanziell unterstützten Seriensiege auch als Promotor der Serie vermarkten – und das ist keine leichte Aufgabe…

Seriensiege verkaufen sich nicht – schon gar nicht, wenn der große Dominator sogar optisch wie der ausgebleichte Klon seines phlegmatischen Vorgängers wirkt und so rein gar keine Ecken und Kanten aufweisen kann…

Kubica als großes Fragezeichen

Wie auch immer: In Wales ist ohnehin bereits alles entschieden. Wahrscheinlich würde kein Rallye-Hahn nach dem „Grande Finale“ krähen, wäre da nicht einer der wenigen echten Stars der Gegenwart zum ersten Mal in einem World Rally Car am Start: Robert Kubica erhält für seinen vorzeitig errungenen Weltmeistertitel in der WRC-2 von Citroen ein DS3 WRC zur Verfügung gestellt.

Kubica ist kein Klon, sondern ein Original, ein echter Racer, ein Magier, dessen Fahrzeugbeherrschung vielen Rätsel aufgibt, der sich jedoch mitunter dermaßen am Limit bewegt, sodass ihn manche schon als potentiellen Massenmörder bezeichnet haben. Ein größeres Kompliment hätte man Kubica nicht machen können – es zeigt, wie fremd er selbst Alteingestandenen erscheint, wie rätselhaft diese Figur für viele ist…

Einer wie Röhrl?

Und es war für den Autor ein Erlebnis, mit Walter Röhrl über Kubica zu sprechen. Und es war schön, dabei herauszufinden, dass selbst er, der Kubica äußerst skeptisch gegenübersteht, anerkennt, dass Kubica vielleicht sogar einer wie er ist. Vielleicht, vielleicht auch nicht, man werde es sehen. Er sei jedenfalls „feig“ gewesen, sagt er – doch der Blindflug auf der Nebelprüfung „Arganil“, war das nicht auch hart an der Grenze? Auch bei Röhrl hat man fassungslos den Kopf geschüttelt, mit welchem Speed er manche Passagen nehmen kann. Und auch ein Röhrl wurde in seinen Anfangsjahren gewarnt, er würde sich noch umbringen, weil er viel zu schnell fahren würde.

Kubica hat sich beinahe umgebracht, seine rechte Hand wurde bei seinem schweren Rallyeunfall 2011 von der eindringenden Leitplanke dermaßen verletzt, sodass er diese nur mehr eingeschränkt benützen kann und damit seine Formel 1-Karriere (vorerst?) beendet war. Nach 20 schmerzhaften Operationen fuhr er wieder Rallyes, weiter am Limit, gnadenlos. Immer am Abgrund. Weil er im Rallyesport viel nachzulernen hatte – weil dort der Aufschrieb das große Geheimnis ist und weil für die Erstellung eines perfekten Schriebs Erfahrung von Nöten ist.

Wie auch immer: Kubica hat nach einem stürmischen Start seiner Rallyekarriere Stabilität in seine Performance gebracht, ohne auch nur einen Bruchteil seines Speeds einzubüßen. In der WRC-2 feierte er fünf überlegene Siege.

Niemand vermag abzuschätzen, wie sich Kubica im World Rally Car anstellen wird. Da es sich um eine Schotterrallye handelt, wird die wichtige Startreihenfolge in einem Qualifying ausgefochten. Dort wird Kubica wohl kaum gleich Spitzenzeiten fahren können. Oder doch? Wer kann es wissen?

Ogier, Latvala, Neuville

Als Topfavorit gilt naturgemäß der neue Weltmeister Sebastien Ogier im Volkswagen – und auch sein Teamkollege Jari-Matti Latvala sollte gerade in Wales seine mittlerweile doch angesammelte Erfahrung ins Spiel bringen können, schließlich konnte er bei dieser Rallye in den Jahren 2011 und 2012 den Sieg einfahren.

Doch ohne Probleme wird wohl wieder Ogier eine Solo-Show veranstalten. Um den zweiten Platz wird der Aufsteiger der Saison, Thierry Neuville ganz sicher mitkämpfen können – ob ein Mikko Hirvonen sich noch aufrappeln kann, ist fraglich – zuletzt feierte er 2007 den Sieg in Wales.

Novikov/Minor stabil

Aus Österreich tritt einmal mehr Ilka Minor an der Seite von Evgeny Novikov an. Der junge Russe hatte wie auch ein Kubica unter einem Draufgänger-Image zu leiden – zuletzt jedoch konnte er sich stabilisieren.

Seit der Sardinien-Rallye gab es unentwegt Zielankünfte, in Frankreich und Spanien jeweils auf Platz fünf. Die schwierigen, zum Teil ziemlich rutschigen Bedingungen bei der Rallye Wales GB könnten Novikov entgegenkommen. Mit Sicherheit liegt ihm der lose Untergrund besser…

Insgesamt sind zwölf World Rally Cars am Start, in der WRC-2 haben 18 Teams genannt, darunter der auf Vizemeisterkurs fahrende Abdulaziz Al-Kuwari auf einem Ford Fiesta Regional Rally Car (RRC), dessen chancenloser Verfolger Yuriy Protasov tritt zwar in einem Ford Fiesta R5 an, laut Nennliste zumindest aber nicht im Rahmen der WRC-2.

In der WRC-3 sind nur sechs Autos am Start. Der Titel wird zwischen Tabellenleader Sebastien Chardonnet und Keith Cronin ausgefochten, allesamt pilotieren einen Citroen DS3 R3, unter den Startern befindet sich auch der bekannte Bryan Bouffier.

Das Rallye-Headquarter und der Servicepark befinden sich heuer erstmals seit dem Jahr 2000 nicht mehr in der walisischen Hauptstadt Cardiff, es wurde ins 180 Kilometer entfernte Flintshire übersiedelt.

Auch die Strecken sind zur Hälfte neu oder wurden seit den Neunzigerjahren nicht mehr befahren. Es sind selektive Schotterprüfungen, die bei Regen und Nebel heimtückische Rutschpartien werden, mitunter kann es sogar Schnee und Eis geben. Insgesamt werden 22 Sonderprüfungen über 312,38 SP-Kilometer absolviert, die Gesamtdistanz beträgt satte 1500 Kilometer.

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

WRC: Wales-Rallye

- special features -

Weitere Artikel:

Lavanttal-Rallye: Bericht

Gebrüder Wagner feiern ersten Doppelsieg

Staatsmeister Simon Wagner feierte bei der 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg seinen zweiten Sieg nach 2022 / Ein packendes Sekundenduell prägte vor allem die 2WD-Staatsmeisterschaft

Achims Sport am Montag

Kolumne: Die Uhren lügen nicht

Achim Mörtl hinterfragt den seiner Meinung nach farblosen Auftritt von Simon Wagner am Wochenende beim ERC-Lauf in Ungarn und stellt die Frage nach seinen Zielen.

Osterrallye: Bericht Mayer

Mayer: Gelungener Test bei Osterrallye

Eine Woche vor dem Saisonstart im Alpe Adria Rallye Cup: Gelungener Test von Daniel Mayer - Rang 3 bei Oster-Rallye in Deutschland!

Achims Sport am Montag

Kolumne: Alles wie gehabt?!

Max Verstappen bügelt wieder alle in Japan her und Simon Wagner arbeitet seine Gegner im Lavanttal auf! Und der Rest? Mit zu wenigen Ambitionen und zu farblos.

Lavanttal-Rallye: Die besten Bilder

Die besten Bilder aus Wolfsberg

motorline.cc-Fotograf Daniel Fessl präsentiert die besten Bilder von der Lavanttal-Rallye.